Seit der letzten Aprilwoche zeigen die Umfragen in NRW ein nachgerade eintöniges Bild: Die SPD liegt vorn, mit einem Ergebnis um 37 oder 38 Prozent. Die Union folgt abgeschlagen mit etwas über 30 Prozent; der höchste zuletzt gemessene Wert ist 33 Prozent. Die Grünen liegen um 11 Prozent, plus/minus einem Prozentpunkt. Die Kommunisten werden aus dem Landtag fliegen, die Piraten mit 8 bis 10 Prozent in ihn einziehen. Und die FDP hat gute Chancen, knapp über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.
Angesichts der großen Übereinstimmung zwischen den sechs Instituten, die diese Werte ermittelt haben, wäre ein deutlich anderes Ergebnis eine große Überraschung. Dennoch wird es spannend werden; jedenfalls bis zu den ersten stabilen Hochrechnungen. Denn schon geringe Schwankungen um diese zu erwartenden Werte können einschneidende politische Konsequenzen haben.
Die rotgrüne Koalition wird die Wahl gewinnen. Aber das heißt nicht unbedingt, daß sie auch in dieser Konstellation weiterregieren wird.
Gäbe es noch allein die beiden Lager Rotgrün und Schwarzgelb, dann wäre das gesichert. Aber was schon nach den Wahlen vom 9. Mai 2010 eintrat, könnte auch jetzt wieder der Fall sein: Keines der beiden Lager erreicht eine absolute Mehrheit, weil es eine fünfte Partei im Landtag gibt, die weder dem einen noch dem anderen zugehört. 2010 waren das die Kommunisten; jetzt könnten es die Piraten sein. Die erste spannende Frage ist also: Werden SPD und Grüne zusammen mindestens 91 Mandate erreichen?
Sicher ist das keineswegs; wenn auch wahrscheinlich. 2010 bekamen die beiden Parteien mit zusammen 46,61 Prozent der Stimmen 90 Mandate. Die jeweils letzten Umfragen der Institute geben ihnen jetzt zwischen 47 und 49 Prozent, bei einer Fehlertoleranz von ungefähr 3 Prozent.
Sollte es nicht reichen, dann gibt es für Hannelore Kraft drei Optionen:
Für die CDU geht es darum, ob sie einfach nur verliert, ob sie schlimm oder ob sie katastrophal verliert.
Der Verlierer wird sie schon deshalb sein, weil sie ihr Wahlziel, als stärkste Partei die Regierung zu bilden, weit verfehlen wird. Schlimm wird die Niederlage dann, wenn das Ergebnis noch unter dem von 2010 liegt. Die 34,56 Prozent der Zweitstimmen waren damals bereits das schlechteste Ergebnis der CDU in diesem Land, das sie in seinen Anfängen zwei Jahrzehnte lang regiert hatte.
Es stimmt nur bedingt, daß NRW das "Stammland der SPD" ist, wie es oft heißt. Das gilt allein für das Ruhrgebiet. Im gesamten Land aber halten sich CDU und SPD etwa die Waage, wenn auch seit 1966 mit Vorteilen für die SPD. In für die CDU guten Zeiten sieht die politische Karte des Landes so aus wie bei den Landtagswahlen 2005:
In für die SPD guten Jahren verschieben sich die Grenzen zwischen diesen Zonen, wie man an den Ergebnissen von 2010 sehen kann:
Bereits das Ergebnis von 2010 mit knapp 35 Prozent der Zweitstimmen war für die CDU vor diesem Hintergrund blamabel. Es heute noch einmal zu unterbieten wäre schlimm. Eine Katastrophe schließlich wäre ein Ergebnis unter dreißig Prozent; zwar unwahrscheinlich, aber angesichts der Fehlertoleranz der Umfragen nicht auszuschließen. In der heutigen heutigen F.A.S. heißt es, es gebe nicht publizierte Umfragen, in denen die CDU bei nur noch 28 Prozent liegt.
Eine Niederlage wird es geben, so oder so. Sie wird wesentlich Norbert Röttgen angelastet werden, ob zu Recht oder zu Unrecht.
Dieser perfekte Karrierist hatte alles so schön geplant: Als Umweltminister mit der "Energiewende" ständig im Rampenlicht zu stehen; als Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen zugleich über die stärkste Hausmacht in der Partei zu verfügen. Eine bessere Position konnte es für einen, der gern die Kanzlerin beerben möchte, kaum geben.
Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, heißt es bei Brecht. Sein Licht wird der smarte Röttgen nun erst einmal ein wenig unter den Scheffel stellen müssen.
Die Lage der FDP habe ich bereits am Freitag zu analysieren versucht (Die FDP, die Wahlen in NRW, die Wechselwähler. Eine Analyse und eine Art Wahlempfehlung; ZR vom 11. 5. 2012):
Dies ist eine der wichtigsten Wahlen ihrer Geschichte. Im ersten Quartal dieses Jahres war sie auf einem Tiefpunkt angekommen. Mit der Nominierung Gaucks war der Abwärtstrend gestoppt. Der überraschende Erfolg in Schleswig-Holstein könnte der Beginn eines Wiederaufstiegs sein. Er könnte sich aber auch als, sagen wir, eine Singularität erweisen; eine Laune der Nordlichter. Das wird sich heute entscheiden.
Schafft die FDP den Wiedereinzug in den Landtag, dann ist das ein großer Erfolg. Nicht auszuschließen ist nach den Umfragen, daß sie sogar ihre 6,73 Prozent von 2010 übertrifft. Das wäre ein sensationeller Erfolg. Und, da Erfolg den Erfolg heckt, ein ausgezeichneter Startpunkt für einen bundesweiten Wiederaufstieg.
Genauer: ein möglicher Startpunkt. Denn die FDP hat ein einfaches Mittel, den Trend alsbald wieder umzukehren und die Talfahrt erneut aufzunehmen: Eine Personaldiskussion nach diesen Wahlen mit dem Ziel, gegen Rösler so zu putschen wie vor einem Jahr gegen den Vorsitzenden Westerwelle.
Was diese Partei jetzt braucht, das ist solide, überzeugende Arbeit und kein erneutes Herumtaktieren; sei es personelles, sei es inhaltliches. Alle die Faktoren, die das Sterbeglöcklein der FDP bimmeln ließen, existieren ja weiter und können nur durch positive Momente kompensiert und schließlich in den Hintergrund gedrängt werden. Ich habe das im vergangenen Jahr zu analysieren versucht, noch vor dem Putsch gegen Westerwelle: Die 2,8-Prozent-Partei. Es gibt keine Bestandsgarantie für die FDP. Kann sie jetzt noch etwas retten?; ZR vom 4. 9. 2011.
Und die Piraten? Für sie wird es als einzige nicht spannend. Sie werden in den Landtag kommen; ob mit etwas mehr oder etwas weniger als 9 Prozent, das kann ihnen egal sein. Ein Stück des Schlaraffenlands, das ihnen als politisches Ziel vorschwebt, realisiert sich für sie in diesen Tagen.
Angesichts der großen Übereinstimmung zwischen den sechs Instituten, die diese Werte ermittelt haben, wäre ein deutlich anderes Ergebnis eine große Überraschung. Dennoch wird es spannend werden; jedenfalls bis zu den ersten stabilen Hochrechnungen. Denn schon geringe Schwankungen um diese zu erwartenden Werte können einschneidende politische Konsequenzen haben.
Die rotgrüne Koalition wird die Wahl gewinnen. Aber das heißt nicht unbedingt, daß sie auch in dieser Konstellation weiterregieren wird.
Gäbe es noch allein die beiden Lager Rotgrün und Schwarzgelb, dann wäre das gesichert. Aber was schon nach den Wahlen vom 9. Mai 2010 eintrat, könnte auch jetzt wieder der Fall sein: Keines der beiden Lager erreicht eine absolute Mehrheit, weil es eine fünfte Partei im Landtag gibt, die weder dem einen noch dem anderen zugehört. 2010 waren das die Kommunisten; jetzt könnten es die Piraten sein. Die erste spannende Frage ist also: Werden SPD und Grüne zusammen mindestens 91 Mandate erreichen?
Sicher ist das keineswegs; wenn auch wahrscheinlich. 2010 bekamen die beiden Parteien mit zusammen 46,61 Prozent der Stimmen 90 Mandate. Die jeweils letzten Umfragen der Institute geben ihnen jetzt zwischen 47 und 49 Prozent, bei einer Fehlertoleranz von ungefähr 3 Prozent.
Sollte es nicht reichen, dann gibt es für Hannelore Kraft drei Optionen:
Das sind die Möglichkeiten für den Fall, daß Rotgrün die absolute Mehrheit verfehlt. Wahrscheinlicher ist, daß sie erreicht wird.Erstens die Große Koalition. Unwahrscheinlich. Rot und Grün sind in NRW so eng verpartnert, daß Kraft dieser für sie unattraktiven Möglichkeit jede andere Lösung vorziehen wird. Zweitens könnte der rasante Aufstieg der Piratenpartei, der sie heute in das vierte Landesparlament innerhalb von weniger als einem dreiviertel Jahr führen wird, mit einer ersten Regierungsbeteiligung gekrönt werden. Auf eine Tolerierung wird sich Kraft nach den gerade gemachten Erfahrungen wohl nicht wieder einlassen; aber die Piraten sehen sich ja nicht als eine sozusagen wesensmäßige Nicht-Regierungspartei.
Wahrscheinlich ist aber auch diese Variante nicht. Den Piraten, zumal der ihnen so wichtigen Basis, mag es doch ein wenig unheimlich erscheinen, nun gleich auch schon die ersten Minister zu stellen; und Kraft hat ja möglichweise noch eine weitere Option:Drittens nämlich die Ampel, sofern die FDP es wieder in den Landtag schafft. Lindner hat sich zu dieser Variante nicht festgelegt; sich festzulegen ist ja überhaupt nicht der Stil dieses Mannes (siehe Der Liberale Gauck, der Liberale Lindner. Wer sieht da alt aus?; ZR vom 19. 3. 2012). Von seinen politischen Überzeugungen her könnte ihm die Ampel aber behagen. Manches an seiner Programmatik läßt vermuten, daß er die FDP als eine Art liberalen Flügel der SPD versteht (siehe Lindner, Rösler und die Wahlen in NRW; ZR vom 3. 4. 2012).
2010 hat Hannelore Kraft heftig um die FDP als Dritten im Bunde geworben. Damals verweigerte sie sich noch einer solchen Liaison; wenn auch der damalige Vorsitzende Andreas Pinkwart auf seinem Zickzackkurs durch die Parteienlandschaft zeitweise in Richtung Ampel marschierte (siehe Es ampelt wieder in NRW; ZR vom 18. 6. 2010). Lindner würde, wenn er denn wollte, stracks auf sie zumarschieren können.
Für die CDU geht es darum, ob sie einfach nur verliert, ob sie schlimm oder ob sie katastrophal verliert.
Der Verlierer wird sie schon deshalb sein, weil sie ihr Wahlziel, als stärkste Partei die Regierung zu bilden, weit verfehlen wird. Schlimm wird die Niederlage dann, wenn das Ergebnis noch unter dem von 2010 liegt. Die 34,56 Prozent der Zweitstimmen waren damals bereits das schlechteste Ergebnis der CDU in diesem Land, das sie in seinen Anfängen zwei Jahrzehnte lang regiert hatte.
Es stimmt nur bedingt, daß NRW das "Stammland der SPD" ist, wie es oft heißt. Das gilt allein für das Ruhrgebiet. Im gesamten Land aber halten sich CDU und SPD etwa die Waage, wenn auch seit 1966 mit Vorteilen für die SPD. In für die CDU guten Zeiten sieht die politische Karte des Landes so aus wie bei den Landtagswahlen 2005:
In für die SPD guten Jahren verschieben sich die Grenzen zwischen diesen Zonen, wie man an den Ergebnissen von 2010 sehen kann:
Bereits das Ergebnis von 2010 mit knapp 35 Prozent der Zweitstimmen war für die CDU vor diesem Hintergrund blamabel. Es heute noch einmal zu unterbieten wäre schlimm. Eine Katastrophe schließlich wäre ein Ergebnis unter dreißig Prozent; zwar unwahrscheinlich, aber angesichts der Fehlertoleranz der Umfragen nicht auszuschließen. In der heutigen heutigen F.A.S. heißt es, es gebe nicht publizierte Umfragen, in denen die CDU bei nur noch 28 Prozent liegt.
Eine Niederlage wird es geben, so oder so. Sie wird wesentlich Norbert Röttgen angelastet werden, ob zu Recht oder zu Unrecht.
Dieser perfekte Karrierist hatte alles so schön geplant: Als Umweltminister mit der "Energiewende" ständig im Rampenlicht zu stehen; als Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen zugleich über die stärkste Hausmacht in der Partei zu verfügen. Eine bessere Position konnte es für einen, der gern die Kanzlerin beerben möchte, kaum geben.
Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, heißt es bei Brecht. Sein Licht wird der smarte Röttgen nun erst einmal ein wenig unter den Scheffel stellen müssen.
Die Lage der FDP habe ich bereits am Freitag zu analysieren versucht (Die FDP, die Wahlen in NRW, die Wechselwähler. Eine Analyse und eine Art Wahlempfehlung; ZR vom 11. 5. 2012):
Dies ist eine der wichtigsten Wahlen ihrer Geschichte. Im ersten Quartal dieses Jahres war sie auf einem Tiefpunkt angekommen. Mit der Nominierung Gaucks war der Abwärtstrend gestoppt. Der überraschende Erfolg in Schleswig-Holstein könnte der Beginn eines Wiederaufstiegs sein. Er könnte sich aber auch als, sagen wir, eine Singularität erweisen; eine Laune der Nordlichter. Das wird sich heute entscheiden.
Schafft die FDP den Wiedereinzug in den Landtag, dann ist das ein großer Erfolg. Nicht auszuschließen ist nach den Umfragen, daß sie sogar ihre 6,73 Prozent von 2010 übertrifft. Das wäre ein sensationeller Erfolg. Und, da Erfolg den Erfolg heckt, ein ausgezeichneter Startpunkt für einen bundesweiten Wiederaufstieg.
Genauer: ein möglicher Startpunkt. Denn die FDP hat ein einfaches Mittel, den Trend alsbald wieder umzukehren und die Talfahrt erneut aufzunehmen: Eine Personaldiskussion nach diesen Wahlen mit dem Ziel, gegen Rösler so zu putschen wie vor einem Jahr gegen den Vorsitzenden Westerwelle.
Was diese Partei jetzt braucht, das ist solide, überzeugende Arbeit und kein erneutes Herumtaktieren; sei es personelles, sei es inhaltliches. Alle die Faktoren, die das Sterbeglöcklein der FDP bimmeln ließen, existieren ja weiter und können nur durch positive Momente kompensiert und schließlich in den Hintergrund gedrängt werden. Ich habe das im vergangenen Jahr zu analysieren versucht, noch vor dem Putsch gegen Westerwelle: Die 2,8-Prozent-Partei. Es gibt keine Bestandsgarantie für die FDP. Kann sie jetzt noch etwas retten?; ZR vom 4. 9. 2011.
Und die Piraten? Für sie wird es als einzige nicht spannend. Sie werden in den Landtag kommen; ob mit etwas mehr oder etwas weniger als 9 Prozent, das kann ihnen egal sein. Ein Stück des Schlaraffenlands, das ihnen als politisches Ziel vorschwebt, realisiert sich für sie in diesen Tagen.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Sitzungssaal für Ausschüsse des Landtags in Düsseldorf. Vom Autor Mbdortmund unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 freigegeben. Grafik Landtagswahlen 2005 vom Autor TUBS unter GNU Free Documentation Licence, Version 1.2 oder später, freigegeben. Grafik Landtagswahlen 2010 als Amtliches Werk gemeinfrei; © Innenministerium Nordrhein-Westfalen, IT.NRW, Düsseldorf, Wahlkreiseinteilung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Landtagswahl am 9. Mai 2010.