"Rassen" - in Deutschland ist das, bezogen auf Menschen, fast ein Tabuwort. In den USA ist der Begriff nicht nur geläufig, sondern sogar eine offizielle Bezeichnung; für statistische Zwecke beispielsweise werden die Menschen nach Rassen kategorisiert. Es zählt die Selbstauskunft; bei Native Americans (Indianern) zusätzlich die Bestätigung eines Stamms, daß der Betreffende ihm angehört.
Für die Wahl des Präsidenten im kommenden November spielt die Rasse eine zentrale Rolle. Welch eine entscheidende Bedeutung sie haben wird, das erhellt aus zwei Publikationen von gestern und heute:
In der Washington Post greift deren Kolumnist Colbert I. King in seiner Kolumne vom heutigen Samstag seinen Kolumnisten-Kollegen Michael Gerson an, weil dieser eine Ansprache von Mitt Romney gelobt hatte. Es hatte sich nicht um einen Wahlkampfauftritt gehandelt, sondern eine Rede an der Liberty University in Lynchburg, Virginia, zur Eröffnung des Studienjahrs. Die Liberty University nennt sich selbst die "größte christliche Universität der Welt"; ihre Ausrichtung ist evangelikal.
Die Liberty University ist, wie alle US-Universitäten, eine Hochschule für Angehörige aller Rassen; ihre bildliche Selbstdarstellung zeigt inmitten einer Reihe von Studentinnen eine schwarze Kommilitonin, die fröhlich in die Kamera lacht.
Dort also hatte Romney gesprochen, und der Kolumnist Michael Gerson hatte diese Rede positiv gewürdigt; hauptsächlich, weil sie die Bedeutung von Werten für Gesellschaft und Politik hervorgehoben habe. Eine zentrale Passage der Rede - natürlich, wie es sich an einer US-Universität gehört, im Talar vorgetragen - können Sie hier ansehen.
Das Thema "Rassen" kam in der Rede vor diesem Publikum aus Studenten verschiedener Rassen nicht vor. Der Kolumnist King aber - ein Schwarzer, Träger des Pulitzer-Preises - nimmt sie gleichwohl zum Anlaß, über Romney und Rassen zu schreiben.
Er verweist auf eine gerade publizierte Mitteilung des U.S. Census Bureau, wonach im Jahr 2011 erstmals in der Geschichte der USA weniger als die Hälfte der Geburten (49,6 Prozent) auf die weiße Bevölkerung entfielen. Die meisten derer, die jetzt an der Liberty University studieren, würden in ihrem Leben als Erwachsene zu einer Minderheit gehören, schreibt King. Er meint die dann zu erwartende Minderheit der Weißen in den USA.
Das Amerika des 21. Jahrhunderts sei "more than a white, middle-class country", mehr als ein Land der Weißen und der Mittelschicht, argumentiert King; und das anerkenne Romney nicht. Seine Ansprache an der Universität sei auf Menschen zugeschnitten gewesen, die "wie er aussehen".
Man werfe Romney vor, heißt es weiter, er sei der Kandidat der Reichen. Aber es gehe um viel mehr:
Barack Obama allerdings ist in einem ungleich größeren Maß der Kandidat der Nichtweißen.
Gestern hat Gallup Umfrageergebnisse zur Zusammensetzung der Wählerschaft der beiden Kandidaten veröffentlicht.
Romney zeigt das Muster vieler konservativer Kandidaten überall auf der Welt: Der Prozentsatz seiner Anhänger nimmt mit dem Alter zu. Über alle Altersgruppen gemittelt liegen er und Obama mit je 46 Prozent gegenwärtig gleichauf. Aber in der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren wollen Romney nur 35 Prozent wählen, in der Gruppe von 30 bis 39 Jahren nur 40 Prozent. Hier liegt er sehr deutlich hinter Obama zurück, der 56 und 50 Prozent erreicht. In allen Gruppen über 40 Jahren aber führt Romney mit zum Teil deutlichen Abständen.
Soweit keine Überraschung. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Befragten nach Rassen aufteilt:
Bei den Weißen liegt Romney weit vorn; nämlich mit 54 zu 37 Prozent, über alle Altersgruppen gemittelt. Das wird durch den Alterseffekt modifiziert. In der Altersgruppe bis 29 Jahre hat er nur einen knappen Vorsprung (46 zu 44). In allen anderen Altersgruppen der Weißen liegt er weit vor Obama ; am massivsten in den Gruppen von 40 bis 49 Jahren (58 zu 33 Prozent) und bei den über 70jährigen (57 zu 35 Prozent).
Würden nur die weißen Amerikaner wählen, dann wäre Romney im November der neue Präsident.
Würden nur die nichtweißen Amerikaner wählen, dann brauchte sich andererseits Barack Obama keinen Augenblick Sorgen um seine Wiederwahl zu machen. Bei ihnen hat er einen Vorsprung von 76 zu 16 Prozent!
Und bemerkenswerterweise zeigt dieser Vorsprung überhaupt keinen Alterseffekt. Während unter den Weißen Romney seine Wähler vor allem bei den Älteren hat, zieht sich Obamas immenser Vorsprung bei den Nichtweißen durch alle Altersgruppen, mit minimalen Schwankungen (74 bis 78 Prozent für ihn; spiegelbildlich zwischen 14 und 17 Prozent für Mitt Romney).
Ein ähnliches Bild zeichnet eine Untersuchung, die Gallup schon Anfang April publiziert hatte. Ihr Thema war die Zustimmung zu Obamas Amtsführung (job approval).
Dieser - nach Ansicht von Demoskopen für die Wahlaussichten kritische - Wert liegt für Obama seit Februar bei knapp 50 Prozent (siehe US-Präsidentschaftswahlen 2012 (25): Fünf von sechs Indikatoren sprechen gegenwärtig für einen Sieg Obamas; ZR vom 25. 4. 2012). Aber auch hier gibt es große demographische Unterschiede:
Von den Weißen sind nur 37 Prozent mit Obamas Amtsführung einverstanden. Von den Schwarzen sind es 89 Prozent. Die Hispanics liegen mit 55 Prozent dazwischen.
Wen Colbert I. King Mitt Romney vorwirft, er konzentriere sich auf seine eigene rassische Gruppe, dann trifft er etwas Richtiges.
Aber jeder Kandidat bei jeder Wahl konzentriert sich auf diejenigen Wähler, von denen er hoffen kann, sie für sich zu gewinnen. Die schwarzen Wähler der USA werden Obama wählen, was immer Romney sagt und tut. Wenn Romney gewinnen will, dann bleibt ihm allein die Strategie, die weißen Wähler anzusprechen.
Für die Wahl des Präsidenten im kommenden November spielt die Rasse eine zentrale Rolle. Welch eine entscheidende Bedeutung sie haben wird, das erhellt aus zwei Publikationen von gestern und heute:
In der Washington Post greift deren Kolumnist Colbert I. King in seiner Kolumne vom heutigen Samstag seinen Kolumnisten-Kollegen Michael Gerson an, weil dieser eine Ansprache von Mitt Romney gelobt hatte. Es hatte sich nicht um einen Wahlkampfauftritt gehandelt, sondern eine Rede an der Liberty University in Lynchburg, Virginia, zur Eröffnung des Studienjahrs. Die Liberty University nennt sich selbst die "größte christliche Universität der Welt"; ihre Ausrichtung ist evangelikal.
Die Liberty University ist, wie alle US-Universitäten, eine Hochschule für Angehörige aller Rassen; ihre bildliche Selbstdarstellung zeigt inmitten einer Reihe von Studentinnen eine schwarze Kommilitonin, die fröhlich in die Kamera lacht.
Dort also hatte Romney gesprochen, und der Kolumnist Michael Gerson hatte diese Rede positiv gewürdigt; hauptsächlich, weil sie die Bedeutung von Werten für Gesellschaft und Politik hervorgehoben habe. Eine zentrale Passage der Rede - natürlich, wie es sich an einer US-Universität gehört, im Talar vorgetragen - können Sie hier ansehen.
Das Thema "Rassen" kam in der Rede vor diesem Publikum aus Studenten verschiedener Rassen nicht vor. Der Kolumnist King aber - ein Schwarzer, Träger des Pulitzer-Preises - nimmt sie gleichwohl zum Anlaß, über Romney und Rassen zu schreiben.
Er verweist auf eine gerade publizierte Mitteilung des U.S. Census Bureau, wonach im Jahr 2011 erstmals in der Geschichte der USA weniger als die Hälfte der Geburten (49,6 Prozent) auf die weiße Bevölkerung entfielen. Die meisten derer, die jetzt an der Liberty University studieren, würden in ihrem Leben als Erwachsene zu einer Minderheit gehören, schreibt King. Er meint die dann zu erwartende Minderheit der Weißen in den USA.
Das Amerika des 21. Jahrhunderts sei "more than a white, middle-class country", mehr als ein Land der Weißen und der Mittelschicht, argumentiert King; und das anerkenne Romney nicht. Seine Ansprache an der Universität sei auf Menschen zugeschnitten gewesen, die "wie er aussehen".
Man werfe Romney vor, heißt es weiter, er sei der Kandidat der Reichen. Aber es gehe um viel mehr:
Thus far, Romney's thoughts and policy prescriptions seem focused on America's largest — and slowest-growing — racial group: his own.Colbert I. King ist alles andere als ein parteipolitisch neutraler Journalist; er war, bevor er in die Publizistik ging, unter anderem im US-Senat im Mitarbeiterstab der Demokratischen Partei in leitender Funktion tätig. Deutlicher, als das die Wahlkämpfer tun, spricht er eine der Wahrheiten dieses Wahlkampfs aus: Romney ist der Kandidat der Weißen.
Democratic critics accuse Romney of having values that skew to the rich at the expense of the poor. (...) The question is much broader and more significant: When Mitt Romney thinks and speaks of Americans, do those who don't look like him even come to mind?
Bisher scheinen sich Romneys Gedanken und politischen Rezepte auf die größte - und am langsamsten wachsende - rassische Gruppe Amerikas konzentriert zu haben: seine eigene.
Demokraten beschuldigen Romney, er hätte Werte, welche die Reichen auf Kosten der Armen bevorzugen. (...) Die Frage ist viel umfassender und viel bedeutsamer: Wenn Mitt Romney an Amerikaner denkt und von ihnen spricht, stehen ihm dann diejenigen, die nicht wie er aussehen, überhaupt auch nur vor Augen?
Barack Obama allerdings ist in einem ungleich größeren Maß der Kandidat der Nichtweißen.
Gestern hat Gallup Umfrageergebnisse zur Zusammensetzung der Wählerschaft der beiden Kandidaten veröffentlicht.
Romney zeigt das Muster vieler konservativer Kandidaten überall auf der Welt: Der Prozentsatz seiner Anhänger nimmt mit dem Alter zu. Über alle Altersgruppen gemittelt liegen er und Obama mit je 46 Prozent gegenwärtig gleichauf. Aber in der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren wollen Romney nur 35 Prozent wählen, in der Gruppe von 30 bis 39 Jahren nur 40 Prozent. Hier liegt er sehr deutlich hinter Obama zurück, der 56 und 50 Prozent erreicht. In allen Gruppen über 40 Jahren aber führt Romney mit zum Teil deutlichen Abständen.
Soweit keine Überraschung. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Befragten nach Rassen aufteilt:
Bei den Weißen liegt Romney weit vorn; nämlich mit 54 zu 37 Prozent, über alle Altersgruppen gemittelt. Das wird durch den Alterseffekt modifiziert. In der Altersgruppe bis 29 Jahre hat er nur einen knappen Vorsprung (46 zu 44). In allen anderen Altersgruppen der Weißen liegt er weit vor Obama ; am massivsten in den Gruppen von 40 bis 49 Jahren (58 zu 33 Prozent) und bei den über 70jährigen (57 zu 35 Prozent).
Würden nur die weißen Amerikaner wählen, dann wäre Romney im November der neue Präsident.
Würden nur die nichtweißen Amerikaner wählen, dann brauchte sich andererseits Barack Obama keinen Augenblick Sorgen um seine Wiederwahl zu machen. Bei ihnen hat er einen Vorsprung von 76 zu 16 Prozent!
Und bemerkenswerterweise zeigt dieser Vorsprung überhaupt keinen Alterseffekt. Während unter den Weißen Romney seine Wähler vor allem bei den Älteren hat, zieht sich Obamas immenser Vorsprung bei den Nichtweißen durch alle Altersgruppen, mit minimalen Schwankungen (74 bis 78 Prozent für ihn; spiegelbildlich zwischen 14 und 17 Prozent für Mitt Romney).
Ein ähnliches Bild zeichnet eine Untersuchung, die Gallup schon Anfang April publiziert hatte. Ihr Thema war die Zustimmung zu Obamas Amtsführung (job approval).
Dieser - nach Ansicht von Demoskopen für die Wahlaussichten kritische - Wert liegt für Obama seit Februar bei knapp 50 Prozent (siehe US-Präsidentschaftswahlen 2012 (25): Fünf von sechs Indikatoren sprechen gegenwärtig für einen Sieg Obamas; ZR vom 25. 4. 2012). Aber auch hier gibt es große demographische Unterschiede:
Aber auch hat die Rasse einen Einfluß, der denjenigen aller dieser Faktoren weit übertrifft:Wie bei der Wahlabsicht nimmt die Zustimmung zu Obamas Amtsführung mit zunehmendem Alter ab; von 54 Prozent bei den Jüngsten bis auf 41 Prozent bei den Ältesten. Frauen sind mit Obamas Amtsführung häufiger einverstanden als Männer (49 zu 44 Prozent). An der Ostküste (53 Prozent) und der Westküste (47 Prozent) ist die Zustimmung größer als im Mittleren Westen (45 Prozent) und im Süden (43 Prozent). In der untersten Einkommensklasse (bis 24.000 Dollar/Jahr) erfährt Obama mit 50 Prozent die höchste Zustimmung. Ansonsten gibt es keine einkommensbedingten Unterschiede (überall 46 oder 47 Prozent Zustimmung). Mit wachsender Bildung nimmt die Zustimmung zu Obamas Amtsführung zu; von 44 Prozent (kein oder nur High-School-Abschluß) bis zu 53 Prozent (Master oder höherer akademischer Abschluß).
Von den Weißen sind nur 37 Prozent mit Obamas Amtsführung einverstanden. Von den Schwarzen sind es 89 Prozent. Die Hispanics liegen mit 55 Prozent dazwischen.
Wen Colbert I. King Mitt Romney vorwirft, er konzentriere sich auf seine eigene rassische Gruppe, dann trifft er etwas Richtiges.
Aber jeder Kandidat bei jeder Wahl konzentriert sich auf diejenigen Wähler, von denen er hoffen kann, sie für sich zu gewinnen. Die schwarzen Wähler der USA werden Obama wählen, was immer Romney sagt und tut. Wenn Romney gewinnen will, dann bleibt ihm allein die Strategie, die weißen Wähler anzusprechen.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.