11. Mai 2012

Zitat des Tages: Schock über Mitt Romney. Was tat er als Schüler?

Schock in den USA: Der republikanische Präsidentschafts­kandidat Mitt Romney hat in seiner Schulzeit offenbar einen homosexuellen Mitschüler drangsaliert. Romney selbst spricht von "Streichen".
Vorspann eines Artikels in "Welt-Online" mit der Überschrift "Romney schnitt schwulem Mitschüler Haare ab".

Kommentar: Nein, keine Satire über politische Korrektheit. Auch nicht eine Satire über die inzwischen zur Perfektion entwickelte Praxis der amerikanischen Medien, auch noch in das letzte Eckchen der Biografie eines Politikers hineinzuspähen.

Sondern ein Redakteur der Washington Post, Jason Horowitz, hat das gründlich recherchiert und einen Artikel darüber geschrieben; unter anderem darüber.

Bei dem Vorfall soll Romney zusammen mit anderen einem Mitschüler das blondierte Haar abgeschnitten haben, das dieser über ein Auge gekämmt trug. Ob der Betreffende - ein gewisser John Lauber, die Washington Post nennt erstaunlicherweise seinen Namen - homosexuell war (er ist verstorben) und ob, wenn ja, dieser herbe Streich mit dessen sexueller Orientierung etwas zu tun hatte, ist nicht bekannt, wird aber vermutet.

Woher weiß die Washington Post von diesem Vorfall? Sie hat fünf Mitschüler ausfindig gemacht, die alle damals mitgemacht haben. Auch Matthew Friedemann, damals als Schülerpräfekt eigentlich dafür zuständig, gegen ordnungswidriges Verhalten seiner Mitschüler vorzugehen.

Der Artikel der Washington Post ist sehr lang. Der von "Welt-Online" als "schockierend" eingestufte Vorfall ist nur der Aufmacher; berichtet wird vor allem über den jungen Mitt Romney, der als ein zu Scherzen und Streichen aller Art aufgelegter Schüler geschildert wird. Wenn man nachts durch die Gänge des Internats ging und aus einem Zimmer dröhnendes Lachen hörte, dann konnte man sicher sein, daß sich dort Romney und sein Freund Friedemann befanden, die sich einen Marathon des Witzemachens lieferten; so schildert es ein Jahrbuch der Schule.

Später sei Romney ruhiger geworden, schreibt Horowitz - als er für die Mormonen in Europa auf Missionsreise war, dann unter dem Einfluß seiner Frau Ann.



Ich kenne keinen Bericht, keine literarische Behandlung des Themas "Internat", worin nicht über dergleichen berichtet wird; es ist ein Topos von Internatsromanen seit Musils "Verwirrungen des Zöglings Törleß". Vielleicht liegt es an der Strenge der Erziehung in vielen Internaten, daß solche Dinge passieren. Aber auch von der nun wahrlich libertären Odenwaldschule wird berichtet, wie Schüler andere drangsaliert haben.

Natürlich ist so etwas abzulehnen. Aber was hat es in einem Wahlkampf verloren? Hängt denn die Qualifikation eines Kandidaten für das Amt des Präsidenten davon ab, ob er sich im Internat so verhalten hat wie viele seiner Mitschüler, oder ob er ein vorbildlicher Schüler gewesen ist?



Die fünf meistgelesenen politischen Artikel in der Washington Post sind derzeit:
  • Mitt Romney's prep school classmates recall pranks, but also troubling incidents (Mitt Romneys Klassenkameraden aus dem Interat erinnern sich an Streiche, aber auch beunruhigende Vorfälle)

  • Does Michele Bachmann know about same-sex union in Switzerland? (Weiß Michele Bachmann von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in der Schweiz?)

  • For Obama, gay marriage stance borne of a long evolution (Für Obama ist seine Haltung zur Schwulenehe das Ergebnis einer langen Entwicklung)

  • University of Pennsylvania also listed Elizabeth Warren as a minority (Die University of Pennsylvania führte Elizabeth Warren ebenfalls als Angehörige einer Minderheit)

  • Romney: Gay couples should have right to adopt (Romney: Schwule Paare sollten das Recht auf Adoption haben)
  • Der einzige dieser Artikel, in dem es nicht um Homosexualität geht, befaßt sich damit, ob die Senatskandidatin Elizabeth Warren indianische Vorfahren hat und deshalb im Lehrkörper der University of Pennsylvania als Angehörige einer Minderheit geführt wurde.

    Dieser Wahlkampf scheint im Augenblick um das Thema "Minderheiten" zu kreisen. Ob das am Ende Obama nützt oder Romney, werden die nächsten Umfragen zeigen. Nachdem Romney lange Zeit im Mittelwert der Umfragen hinter Obama lag, hat er in diesem Monat allmählich zu ihm aufgeschlossen
    Zettel



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