Ägypten hat eine der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt, die Koptische Orthodoxe Kirche von Alexandria, die sich auf den Evangelisten Markus zurückführt. Koptische Christen machen rund zehn Prozent der Bevölkerung aus.
Wie in allen Ländern, in denen Islamisten im Vormarsch sind, unterliegen sie Repressionen, bis hin zu gewaltsamen Übergriffen. Unter Mubarak hatte sich ihre Situation zunehmend verschlechtert; während der Unruhen des vergangenen Jahres war es zu tödlichen Attacken auf Christen gekommen. Wegen eines solchen Vorfalls wurden jetzt nicht etwa die beteiligten Moslems verurteilt, sondern die Christen, die sich zu verteidigen versucht hatten.
Trotz dieser Situation - oder vielmehr gerade ihretwegen - könnten die ägyptischen Christen die Wahl des Präsidenten entscheiden. Dies ist eine der Nachrichten, die man in der aktuellen Berichterstattung der führenden ägyptischen Zeitung Al Ahram findet.
Das Ergebnis des ersten Wahlgangs, der heute zu Ende geht, wird wohl erst am Sonntag festehen. Alle Umfragen deuten darauf hin, daß die Entscheidung darüber, wer in die Stichwahl einzieht, zwischen vier Kandidaten fällt: den beiden Islamisten Abdel Moneim Aboul Fotouh und Mohamed Morsy und den beiden Männern aus dem alten Machtapparat Ahmed Shafik und Amr Moussa. Eine Außenseiterchance, in die Stichwahl zu kommen, wird allenfalls noch dem Nasseristen Hamdeen Sabbahi eingeräumt (Ab morgen wird der neue Präsident Ägyptens gewählt. Der Ausgang ist überraschend ungewiß; ZR vom 22. 5. 2012).
Wer von diesen vier, vielleicht fünf Kandidaten es in die Stichwahl schafft, ist völlig ungewiß. Al Ahram berichtet von einer Gerüchteküche - "Reading the tea-leaves", nicht im Kaffeesatz lesen also, sondern in den Teeblättern -, die im Augenblick zwei Kandidaten an der Spitze sieht: Von den beiden Islamisten den Radikaleren, Morsy, und von den Säkularen den Mann der Mitte, Moussa. Nach diesen Gerüchten soll Morsy mit 30 und Moussa mit 25 Prozent rechnen können.
Vor allem Morsy wurde in den letzten publizierten Umfragen längst nicht so hoch eingeschätzt; aber er soll angeblich von einem momentum in den letzten Tagen profitieren. Die Salafisten, die keinen eigenen Kandidaten mehr im Rennen haben, sollen sich auf seine Seite geschlagen haben. Gegen seinen islamistischen Konkurrenten Fotouh werde von den Islamisten inzwischen eine aggressive Mundpropaganda geführt, so sagt es die Gerüchteküche.
Und die Christen? Ihre Stimmen kommen bei den Chancen der beiden säkularen Kandidaten ins Spiel. Sie hatten, heißt es, zunächst Moussa gestützt; aber inzwischen soll unter ihnen die Parole verbreitet werden, Shafik zu wählen. Ihm trauen die Christen, so die Quellen von Al Ahram, eher zu, ein Bollwerk gegen den Islamismus zu sein. Ein Wählerblock von zehn Prozent könnte angesichts des offenen Rennens einen bestimmenden Einfluß haben.
Auch sonst gebe es, schreibt Al Ahram, Gruppen, die jetzt Shafik unterstützen - die Geschäftswelt; Menschen, die um die innere Sicherheit besorgt sind. Es werde auch aus der Bürokratie heraus versucht, ihm dadurch Wähler zuzuführen, daß bestimmte Personen noch kurz vor den Wahlen einen Personalausweis erhalten.
Wenn das stimmt, dann würden also wahrscheinlich Shafik als der Kandidat der Säkularen und Morsy als derjenige der Islamisten in die Stichwahl einziehen. Aber man darf nicht vergessen, daß es sich dabei um Gerüchte und Informationen aus "gut informierten Quellen" handelt, nicht um solide Umfragedaten. Auch was gestern zum Wahlverhalten in den einzelnen Regionen am ersten Wahltag durchsickerte, basierte nicht auf Exit Polls, sondern auf Gerüchten. Danach scheint Shafik in der Tat gut im Rennen zu liegen.
Berichtet wird von der Unsicherheit vieler Wähler. Manche würden ihre Entscheidung erst endgültig treffen, während sie in der Schlange vor dem Wahllokal warten.
Nach einer demokratischen Revolution ist die Haltung der Wähler nun einmal oft zunächst im Fluß; sie müssen erst "ihre Partei" finden, ihre Kandidaten, überhaupt eine politische Position. Die ägyptische Demokratie steckt eben noch in den Kinderschuhen. Ob sie es überhaupt erlebt, aus diesen herauszuwachsen, oder ob an die Stelle von Mubaraks Diktatur die der Islamisten tritt, ist ganz offen.
Vorerst jedenfalls scheinen viele die neue Freiheit ostentativ zu nutzen. Die Online-Redaktion von Al Ahram geht so weit, ihren Lesern mitzuteilen, wo ihre Redakteure politisch stehen. Sie hat eine Probewahl durchgeführt, wie bei der richtigen Wahl mit zwei Wahlgängen.
Das Ergebnis: Weder der radikale Islamist Morsy (eine Stimme) noch der Anti-Islamist Shafik (null Stimmen) konnten in dieser Redaktion punkten. In der ersten Runde verteilten sich die Stimmen auf zahlreiche kleinere Kandidaten. In der Stichwahl siegte klar der (weit links stehende) Nasserist Sabbahi (24 Stimmen) über den moderaten Islamisten Fotouh (10 Stimmen).
Insofern ist die Welt in Ordnung. Auch in Kairo haben unter den Journalisten offenbar die Linken die meisten Anhänger. Im ersten Wahlgang war mit 6 Stimmen sogar der noch links von Sabbahi stehende Khaled Ali Dritter geworden.
Wie in allen Ländern, in denen Islamisten im Vormarsch sind, unterliegen sie Repressionen, bis hin zu gewaltsamen Übergriffen. Unter Mubarak hatte sich ihre Situation zunehmend verschlechtert; während der Unruhen des vergangenen Jahres war es zu tödlichen Attacken auf Christen gekommen. Wegen eines solchen Vorfalls wurden jetzt nicht etwa die beteiligten Moslems verurteilt, sondern die Christen, die sich zu verteidigen versucht hatten.
Trotz dieser Situation - oder vielmehr gerade ihretwegen - könnten die ägyptischen Christen die Wahl des Präsidenten entscheiden. Dies ist eine der Nachrichten, die man in der aktuellen Berichterstattung der führenden ägyptischen Zeitung Al Ahram findet.
Das Ergebnis des ersten Wahlgangs, der heute zu Ende geht, wird wohl erst am Sonntag festehen. Alle Umfragen deuten darauf hin, daß die Entscheidung darüber, wer in die Stichwahl einzieht, zwischen vier Kandidaten fällt: den beiden Islamisten Abdel Moneim Aboul Fotouh und Mohamed Morsy und den beiden Männern aus dem alten Machtapparat Ahmed Shafik und Amr Moussa. Eine Außenseiterchance, in die Stichwahl zu kommen, wird allenfalls noch dem Nasseristen Hamdeen Sabbahi eingeräumt (Ab morgen wird der neue Präsident Ägyptens gewählt. Der Ausgang ist überraschend ungewiß; ZR vom 22. 5. 2012).
Wer von diesen vier, vielleicht fünf Kandidaten es in die Stichwahl schafft, ist völlig ungewiß. Al Ahram berichtet von einer Gerüchteküche - "Reading the tea-leaves", nicht im Kaffeesatz lesen also, sondern in den Teeblättern -, die im Augenblick zwei Kandidaten an der Spitze sieht: Von den beiden Islamisten den Radikaleren, Morsy, und von den Säkularen den Mann der Mitte, Moussa. Nach diesen Gerüchten soll Morsy mit 30 und Moussa mit 25 Prozent rechnen können.
Vor allem Morsy wurde in den letzten publizierten Umfragen längst nicht so hoch eingeschätzt; aber er soll angeblich von einem momentum in den letzten Tagen profitieren. Die Salafisten, die keinen eigenen Kandidaten mehr im Rennen haben, sollen sich auf seine Seite geschlagen haben. Gegen seinen islamistischen Konkurrenten Fotouh werde von den Islamisten inzwischen eine aggressive Mundpropaganda geführt, so sagt es die Gerüchteküche.
Und die Christen? Ihre Stimmen kommen bei den Chancen der beiden säkularen Kandidaten ins Spiel. Sie hatten, heißt es, zunächst Moussa gestützt; aber inzwischen soll unter ihnen die Parole verbreitet werden, Shafik zu wählen. Ihm trauen die Christen, so die Quellen von Al Ahram, eher zu, ein Bollwerk gegen den Islamismus zu sein. Ein Wählerblock von zehn Prozent könnte angesichts des offenen Rennens einen bestimmenden Einfluß haben.
Auch sonst gebe es, schreibt Al Ahram, Gruppen, die jetzt Shafik unterstützen - die Geschäftswelt; Menschen, die um die innere Sicherheit besorgt sind. Es werde auch aus der Bürokratie heraus versucht, ihm dadurch Wähler zuzuführen, daß bestimmte Personen noch kurz vor den Wahlen einen Personalausweis erhalten.
Wenn das stimmt, dann würden also wahrscheinlich Shafik als der Kandidat der Säkularen und Morsy als derjenige der Islamisten in die Stichwahl einziehen. Aber man darf nicht vergessen, daß es sich dabei um Gerüchte und Informationen aus "gut informierten Quellen" handelt, nicht um solide Umfragedaten. Auch was gestern zum Wahlverhalten in den einzelnen Regionen am ersten Wahltag durchsickerte, basierte nicht auf Exit Polls, sondern auf Gerüchten. Danach scheint Shafik in der Tat gut im Rennen zu liegen.
Berichtet wird von der Unsicherheit vieler Wähler. Manche würden ihre Entscheidung erst endgültig treffen, während sie in der Schlange vor dem Wahllokal warten.
Nach einer demokratischen Revolution ist die Haltung der Wähler nun einmal oft zunächst im Fluß; sie müssen erst "ihre Partei" finden, ihre Kandidaten, überhaupt eine politische Position. Die ägyptische Demokratie steckt eben noch in den Kinderschuhen. Ob sie es überhaupt erlebt, aus diesen herauszuwachsen, oder ob an die Stelle von Mubaraks Diktatur die der Islamisten tritt, ist ganz offen.
Vorerst jedenfalls scheinen viele die neue Freiheit ostentativ zu nutzen. Die Online-Redaktion von Al Ahram geht so weit, ihren Lesern mitzuteilen, wo ihre Redakteure politisch stehen. Sie hat eine Probewahl durchgeführt, wie bei der richtigen Wahl mit zwei Wahlgängen.
Das Ergebnis: Weder der radikale Islamist Morsy (eine Stimme) noch der Anti-Islamist Shafik (null Stimmen) konnten in dieser Redaktion punkten. In der ersten Runde verteilten sich die Stimmen auf zahlreiche kleinere Kandidaten. In der Stichwahl siegte klar der (weit links stehende) Nasserist Sabbahi (24 Stimmen) über den moderaten Islamisten Fotouh (10 Stimmen).
Insofern ist die Welt in Ordnung. Auch in Kairo haben unter den Journalisten offenbar die Linken die meisten Anhänger. Im ersten Wahlgang war mit 6 Stimmen sogar der noch links von Sabbahi stehende Khaled Ali Dritter geworden.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.