Mitte der siebziger Jahre machten wir Urlaub im Münsterland. Von unserem Campingplatz aus unternahmen wir Ausflüge nach Holland und benutzen dabei gern den einen oder anderen der kleineren Grenzübergänge.
Eines Tages wurden wir auf einer Nebenstraße in Grenznähe von der Polizei gestoppt. Beamte mit Maschinenpistolen umstellten das Auto. Wir mußten aussteigen und wurden abgetastet, der Wagen durchsucht. Unsere Daten wurden per Funk abgeglichen. Nachdem sich nichts ergeben hatte, durften wir weiterfahren.
Was war der Hintergrund gewesen? Wir erfuhren später, daß Terroristen der sogenannten RAF in diesem Gebiet operiert hatten. Sie nutzten die wenig bewachten kleinen Grenzübergänge, um zwischen Deutschland und Holland hin- und herzuwechseln. Meine Frau und ich hatten in Alter, Aussehen und Verhalten offenbar gewisse Merkmale der Rasterfahndung nach diesen Terroristen erfüllt und waren dadurch ins Visier der Polizei geraten.
Wir fanden das kleine Abenteuer im Nachhinein ganz lustig und haben es oft erzählt; zumal wir auch noch wegen einer Waffe verdächtig gewesen waren. (Es hatte sich um ein langes Messer gehandelt, das meine Frau, die damals Biologie studierte, immer dabei hatte, um zum Beispiel Pflanzen auszugraben).
Andere Autos, in denen Familien oder ältere Herrschaften saßen, waren nicht angehalten worden. Die Polizei hatte uns beide also diskriminiert.
Natürlich hatte sie uns nicht "diskriminiert". Die Polizei hatte nur das getan, was die Grundlage jeder Polizeiarbeit ist: Nach Verdächtigen aufgrund bestimmter Merkmale zu suchen.
Wenn Zeugenaussagen darauf hinweisen, daß ein gesuchter Täter einen roten Porsche gefahren haben könnte, dann überprüft man die Halter von roten Porsches und nicht alle Besitzer von weißen Smarts. Wenn der Verdacht einer Vergewaltigung besteht, dann sucht man den Täter nicht unter den über achtzigjährigen Bewohnern eines Altersheims.
Wenn vor einem italienischen Restaurant drei Männer von Killern erschossen wurden, dann wird man diese in Kreisen des organisierten Verbrechens suchen, statt, sagen wir, alle deutschen Hebammen zu überprüfen. Wenn man nach islamistischen Terroristen sucht, dann handelt es sich vermutlich ebenfalls nicht um deutsche Hebammen oder um achtzigjährige Herren.
Das ist banal. Ist es banal? Lesen Sie einmal diese Meldung, die "Spiegel-Online" im Augenblick als Aufmacher hat; Überschrift "Flughafenkontrollen - Plan für Passagierselektion empört Politiker". Darin heißt es:
Aber Dieter Wiefelspütz echauffiert sich; wieder einmal (für frühere Beispiele siehe Skandal! Skandal!; ZR vom 23. 1. 2007 und Die Stasi-Methoden der Telekom und der Pawlow'sche Reflex des Dieter Wiefelspütz; ZR vom 31. 5. 2008).
Und mit ihm empören sich Andere. Den Vogel schießt diesmal nicht einmal Wiefelspütz ab, sondern der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der im Jahr 2000 sogar einmal kurzzeitig Generalsekretär der CDU war. "Spiegel-Online":
Aufgepaßt also, ihr Achtzigjährigen in den Altersheimen: Wenn demnächst DNA-Proben gesammelt werden, um einen Vergewaltiger zu überführen, wird die Polizei auch auf Sie zukommen. Aufgepaßt, ihr deutschen Hebammen: Wenn demnächst wieder Italiener vor einem einschlägigen Lokal zusammengeschossen werden, muß die Polizei Sie genauso verdächtigen wie die Mafiosi, die sie in ihren Akten hat.
Das Grundgesetz gebietet es.
Gut, Wiefelspütz und Polenz (der übrigens Initiator und Vorsitzender der "Christlich-Muslimischen Friedensinitiative" ist) machen sich lächerlich, wenn sie es verbieten wollen, bei Sicherheitskontrollen gezielt nach Terroristen zu fahnden. Aber die Sache hat ja auch noch eine andere Seite.
Gestern Abend hat Rayson in B.L.O.G. darauf aufmerksam gemacht, daß Wiefelspütz mit seinem "Selektion - gerade in Deutschland" die gezielte Fahndung nach Terroristen in Zusammenhang mit der Ermordung von Juden bringen will.
Das nun ist nicht mehr lächerlich. Es ist dreist, es ist bodenlos, es ist eine unglaubliche Unverschämtheit gegenüber den Opfern von Auschwitz und ihren Angehörigen.
Eines Tages wurden wir auf einer Nebenstraße in Grenznähe von der Polizei gestoppt. Beamte mit Maschinenpistolen umstellten das Auto. Wir mußten aussteigen und wurden abgetastet, der Wagen durchsucht. Unsere Daten wurden per Funk abgeglichen. Nachdem sich nichts ergeben hatte, durften wir weiterfahren.
Was war der Hintergrund gewesen? Wir erfuhren später, daß Terroristen der sogenannten RAF in diesem Gebiet operiert hatten. Sie nutzten die wenig bewachten kleinen Grenzübergänge, um zwischen Deutschland und Holland hin- und herzuwechseln. Meine Frau und ich hatten in Alter, Aussehen und Verhalten offenbar gewisse Merkmale der Rasterfahndung nach diesen Terroristen erfüllt und waren dadurch ins Visier der Polizei geraten.
Wir fanden das kleine Abenteuer im Nachhinein ganz lustig und haben es oft erzählt; zumal wir auch noch wegen einer Waffe verdächtig gewesen waren. (Es hatte sich um ein langes Messer gehandelt, das meine Frau, die damals Biologie studierte, immer dabei hatte, um zum Beispiel Pflanzen auszugraben).
Andere Autos, in denen Familien oder ältere Herrschaften saßen, waren nicht angehalten worden. Die Polizei hatte uns beide also diskriminiert.
Natürlich hatte sie uns nicht "diskriminiert". Die Polizei hatte nur das getan, was die Grundlage jeder Polizeiarbeit ist: Nach Verdächtigen aufgrund bestimmter Merkmale zu suchen.
Wenn Zeugenaussagen darauf hinweisen, daß ein gesuchter Täter einen roten Porsche gefahren haben könnte, dann überprüft man die Halter von roten Porsches und nicht alle Besitzer von weißen Smarts. Wenn der Verdacht einer Vergewaltigung besteht, dann sucht man den Täter nicht unter den über achtzigjährigen Bewohnern eines Altersheims.
Wenn vor einem italienischen Restaurant drei Männer von Killern erschossen wurden, dann wird man diese in Kreisen des organisierten Verbrechens suchen, statt, sagen wir, alle deutschen Hebammen zu überprüfen. Wenn man nach islamistischen Terroristen sucht, dann handelt es sich vermutlich ebenfalls nicht um deutsche Hebammen oder um achtzigjährige Herren.
Das ist banal. Ist es banal? Lesen Sie einmal diese Meldung, die "Spiegel-Online" im Augenblick als Aufmacher hat; Überschrift "Flughafenkontrollen - Plan für Passagierselektion empört Politiker". Darin heißt es:
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz ist so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. Bei diesem Vorschlag aber hält er sich nicht zurück. "Schreiben Sie bitte ruhig: Das ist Selektion am Flughafen - gerade in Deutschland wird es das nicht geben", sagt er mit Hinweis auf die jüngere deutsche Geschichte.Worin besteht das, was Wiefelspütz so erregt? Es geht um einen Vorschlag des Präsidenten des Deutschen Flughafenverbands, Christoph Blume:
Die deutschen Flughäfen führen das sogenannte Profiling nach israelischem Vorbild ein. Dabei werden die Passagiere je nach Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft und anderen Kriterien in Risikogruppen unterteilt und unterschiedlich scharf kontrolliert. "Auf diese Weise können die Kontrollsysteme zum Wohle aller Beteiligten effektiver eingesetzt werden", sagte Blume der "Rheinischen Post".Ein vernünftiger Vorschlag. Die bare Selbstverständlichkeit eigentlich. Natürlich wäre zu prüfen, ob das technisch machbar ist. Aber wenn man es machen kann, dann sollte man es tun; so wie jede Fahndung umso effektiver ist, je gezielter man sie anlegen kann.
Aber Dieter Wiefelspütz echauffiert sich; wieder einmal (für frühere Beispiele siehe Skandal! Skandal!; ZR vom 23. 1. 2007 und Die Stasi-Methoden der Telekom und der Pawlow'sche Reflex des Dieter Wiefelspütz; ZR vom 31. 5. 2008).
Und mit ihm empören sich Andere. Den Vogel schießt diesmal nicht einmal Wiefelspütz ab, sondern der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der im Jahr 2000 sogar einmal kurzzeitig Generalsekretär der CDU war. "Spiegel-Online":
Am schärfsten fällt die Ablehnung von CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz aus. Auch er wählt, wie SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz, drastische Formulierungen: "Der Vorschlag ist politisch dumm, sicherheitspolitisch gefährlich und verfassungswidrig", wettert er. (...) Auch sei eine solche Abfertigungsmethode mit Artikel drei des Grundgesetzes unvereinbar, in dem es heißt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Nach Auslegung des Juristen Polenz bedeutet dies, daß die Polizei bei der Suche nach Verbrechern auch alle Menschen gleich behandeln muß.
Aufgepaßt also, ihr Achtzigjährigen in den Altersheimen: Wenn demnächst DNA-Proben gesammelt werden, um einen Vergewaltiger zu überführen, wird die Polizei auch auf Sie zukommen. Aufgepaßt, ihr deutschen Hebammen: Wenn demnächst wieder Italiener vor einem einschlägigen Lokal zusammengeschossen werden, muß die Polizei Sie genauso verdächtigen wie die Mafiosi, die sie in ihren Akten hat.
Das Grundgesetz gebietet es.
Gut, Wiefelspütz und Polenz (der übrigens Initiator und Vorsitzender der "Christlich-Muslimischen Friedensinitiative" ist) machen sich lächerlich, wenn sie es verbieten wollen, bei Sicherheitskontrollen gezielt nach Terroristen zu fahnden. Aber die Sache hat ja auch noch eine andere Seite.
Gestern Abend hat Rayson in B.L.O.G. darauf aufmerksam gemacht, daß Wiefelspütz mit seinem "Selektion - gerade in Deutschland" die gezielte Fahndung nach Terroristen in Zusammenhang mit der Ermordung von Juden bringen will.
Das nun ist nicht mehr lächerlich. Es ist dreist, es ist bodenlos, es ist eine unglaubliche Unverschämtheit gegenüber den Opfern von Auschwitz und ihren Angehörigen.
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