17. November 2009

Es ist vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung. Haben die Klimaskeptiker am Ende doch Recht?

Bis vor kurzem haben es nur Klimaskeptiker gesagt. Und auch wenn sie es auf einer wissenschaftlichen Konferenz gesagt haben wie der 2009 International Conference on Climate Change im März dieses Jahres in New York (siehe Internationale Klimakonferenz äußerst Zweifel an globaler Erwärmung, ZR vom 19. 3. 2009), wurde es nicht zur Kenntnis genommen: Seit zehn Jahren ist es vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung.

Jetzt ist es auch in der Öffentlichkeit angekommen. Bereits im Mai 2008 hatte in Deutschland "spektrumdirekt" darüber berichtet; die Internetausgabe von "Spektrum der Wissenschaft". Am 21. September dieses Jahres brachte die New York Times einen Artikel von Andrew J. Revkin, in dem er schreibt, daß "global temperatures have been relatively stable for a decade and may even drop in the next few years", daß die globalen Temperaturen seit einem Jahrzehnt relativ stabil sind und in den nächsten Jahren sogar sinken können.

Und nun zieht auch der gedruckte "Spiegel" mit einem Artikel von Gerald Traufetter in der aktuellen Ausgabe ("Spiegel" 47/2009; S. 134 - 136) nach. Traufetter - Mitglied der Wissenschaftsredaktion, aber gegenwärtig mit Sitz in Stavanger, Norwegen - ist ein Autor, der schon des öfteren eine differenziertere Haltung zur Frage der globalen Erwärmung hat erkennen lassen als die meisten seiner journalistischen Kollegen. Traufetters bündige Feststellung: Es sei
mit der globalen Erwärmung derzeit nicht weit her. Die Durchschnittstemperaturen auf der Erde steigen seit Anfang des Jahrtausends nicht mehr weiter an. Und auch in diesem Jahr sieht es nach Stillstand aus.



Was nun?

Leser dieses Blogs wissen, daß ich es immer vermieden habe, mich in die Diskussionen um die globale Erwärmung in der Weise einzumischen, daß ich mich auf die Seite der Klimaskeptiker oder auf die Seite von denjenigen stellen würde, die an eine bevorstehende Klimakatastrophe glauben, wenn nicht die CO2- Emissionen drastisch reduziert werden. Ich enthalte mich da der Stimme; siehe Heute erfahren - ich bin ein Klimagnostiker, ZR vom 3. 2. 2008.

Ich kann nicht beurteilen, wer im Recht ist, weil ich von Klimatologie nichts verstehe. Darüber, wer alles meint, das beurteilen zu können, obwohl auch er von Klimatologie keine Ahnung hat, kann ich nur immer wieder staunen; siehe Fachleute diskutieren. Staun!; ZR vom 12. Juni 2007.

Allerdings habe ich Kenntnisse darüber, wie Wissenschaft funktioniert.

Die letzten Jahre waren in der Klimatologie durch die zunehmende Dominanz eines einzigen theoretischen Ansatzes gekennzeichnet, der durch die Verlautbarungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sozusagen kanonisch festgelegt wurde und wird. Danach gibt es seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Anstieg der globalen Temperaturen, der im wesentlich "menschengemacht" ist, d.h. auf die zunehmenden Emission von "Treibhausgasen" wie CO2 und Methan zurückgeht. Er wird weitergehen und sich beschleunigen, wenn nicht diese Emissionen drastisch reduziert werden.

Daß in einer Wissenschaft ein einziger theoretischer Ansatz für eine gewisse Zeitspanne dominiert, ist nichts Ungewöhnliches. Oft wird er dann immer besser belegt, bis schließlich aus der Theorie gesichertes Wissen wird. Beispiele sind Darwins Evolutionslehre und die Relativitätstheorie.

Oft aber erweist sich auch eine dominierende Theorie als falsch.

Eine Kernannahme in der Physik des 19. Jahrhunderts war zum Beispiel die Existenz eines "Äthers", der den Weltraum füllt und der Träger von Lichtwellen ist, so wie die Luft der Träger von Schallwellen. Ähnlich dominierte in der Psychologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Behaviorismus, der komplexes Verhalten auf einfache gelernte Reaktionen zurückführen wollte; und in der Astronomie war man bis vor wenigen Jahrzehnten überzeugt, daß der Mond entweder zugleich mit der Erde entstand oder von ihr "eingefangen" wurde.

Heute wissen wir, daß es keinen Äther gibt. Der Behaviorismus ist längst gescheitert. Die Entstehung des Mondes verlief ganz anders, als von beiden Theorien vermutet: Ein Asteroid schlug auf der Erde ein und sprengte Materie aus ihr heraus. Aus dieser und dem Asteroiden formte sich der Mond.



Wenn eine herrschende Theorie auf Daten trifft, die sie nicht vorhergesagt hatte, dann gibt es immer zwei Möglichkeiten: Entweder wird sie durch eine bessere ersetzt, oder es gelingt ihr, sich durch Zusatzhypothesen diesen neuen Daten anzupassen und damit ihr Fortbestehen zu retten.

Die Anhänger des Standard- Modells des IPCC versuchen im Augenblick das zweite. Traufetter schildert, wie jetzt Änderungen in der Sonnenflecken- Aktivität und bei Meeresströmungen für das Ausbleiben einer weiteren Erwärmung verantwortlich gemacht werden.

Schau an! Auf just solche Faktoren haben Klimaskeptiker immer wieder hingewiesen.

Die Sonnenflecken- Aktivität war in den Jahrzehnten, in denen der steile Temperatur- Anstieg beobachtet wurde, ungewöhnlich hoch gewesen. Wenn jetzt argumentiert wird, daß die heutige geringere Aktivität der Sonne für das Ausbleiben eines Anstiegs verantwortlich ist, dann impliziert das, daß die vorausgehende hohe Aktivität mindestens zum Teil für die Erwärmung verantwortlich gewesen sein muß. Vor Tisch las man's anders.

Oder nehmen wir die Hurrikans. Lesen Sie einmal, wie der auch jetzt im "Spiegel" wieder ausführlich zitierte Ozeanologe Mojib Latif dazu innerhalb weniger Jahre seine Meinung geändert hat:
Der Klimaforscher Mojib Latif vom Leibnizinstitut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel machte in einem Interview auch die globale Erwärmung für die Zunahme der Hurrikans verantwortlich. "Dabei ist sowohl Intensität als auch Häufigkeit gemeint", erläuterte Latif. (3Sat am 29.08.2006).

Gefährlich sei es auch, einzelne Wetterereignisse wie eine Dürreperiode in Mali oder einen Hurrikan als Beispiele für den bereits voll zuschlagenden Klimawandel zu sehen. (Derselbe Mojib Latif jetzt laut "Spiegel"; Heft 47/2009, S. 135).

Für die Zunahme von Hurrikans großer Intensität gibt es nämlich auch eine ganz andere Erklärung. Über sie habe ich vor zweieinhalb Jahren berichtet (Hurricans und globale Erwärmung - ein modernes Märchen?; ZR vom 27. 7. 2007). Sie stammt vom Team des Ozeanologen William Gray am Department of Atmospheric Science der Colorado State University und besagt, daß Änderungen in Meeresströmungen für die Zu- und auch wieder Abnahme der Hurrikan- Häufigkeiten verantwortlich seien.

Meeresströmungen sind es auch, die Mojib Latif jetzt ins Feld führt, um das Ausbleiben einer Erwärmung im vergangenen Jahrzehnt zu erklären. Nur - könnten dann nicht deren Änderungen ebenso für die vorausgehende Erwärmung verantwortlich sein? Zumindest die Erwärmung in der Arktis dürfte zu einem erheblichen Teil auf solche Faktoren zurückgehen. Der Eisbär auf seiner Scholle, der Millionen zu Tränen rührt, sitzt da nicht, jedenfalls nicht nur, weil wir Menschen zuviel CO2 in die Umwelt pusten.



Gibt es ihn also gar nicht, den Treibhauseffekt? Das zu folgern ginge über die Daten hinaus. Nur ist festzuhalten, daß die Klimamodelle, die mit diesem Effekt arbeiten, sich mit ihren Vorhersagen für das vergangene Jahrzehnt geirrt haben. Wenn das einer Theorie passiert, dann wackelt sie. Gefallen ist sie noch nicht.

Ob jetzt die ganze Theorie aufgegeben werden muß, so wie Ende des 19. Jahrhundert die Theorie vom Äther durch das Experiment von Michelson und Morley, werden die Fachleute herauszufinden haben. Die meisten tendieren dazu, die dominierende Theorie auch weiter für im Prinzip richtig zu halten. Man kann die Modelle so anpassen, daß sie ein Plateau stagnierender Erwärmung einbeziehen können.

Gut möglich also, daß die Vertreter der dominierenden Theorie am Ende Recht haben. Aber vielleicht beginnen manche von ihnen doch jetzt einzusehen, daß man die Regeln wissenschaftlicher Forschung im Rausch einer politisierten und überfinanzierten Forschung nicht ignorieren kann:

Jede Theorie kann sich als falsch erweisen. Deshalb sollten alternative Theorien immer auch ernst genommen werden, sollten auch ihre Vertreter die erforderlichen Forschungsmittel erhalten. Die Art, wie bis jetzt diejenigen, die nicht an die menschengemachte globale Erwärmung glauben, selbst von offizieller Stelle als Ignoranten und Scharlatane hingestellt wurden, hat mit seriöser Wissenschaft nichts zu tun.




Nachtrag am 20. 11.: Inzwischen ist der Text des Artikels von Gerald Traufetter in englischer Übersetzung bei Spiegel Online International zu lesen. Mit Dank an Abraham, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. - Weiterer Nachtrag am 21. 11.: Jetzt gibt es auch die deutsche Version bei "Spiegel- Online".



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Schiffe sinken im Sturm. Gemälde von Ludolf Backhuysen (ca 1630). In der Public Domain, da das Copyright erloschen ist (Ausschnitt).