7. August 2009

Zettels Meckerecke: Roderich Egeler, für das Amt des Bundeswahlleiters ungefähr so gut geeignet wie Hägar der Schreckliche als Präsident von Harvard

Roderich Egeler ist Spitzenbeamter. Als studierter Volkswirt war er - man kann hier seine offizielle Vita lesen - im Lauf seiner Karriere hauptsächlich für Haushaltsfragen und Ähnliches zuständig. Als Leiter des Beschaffungsamts des Innenministeriums - das war er bis Juli 2008 - machte er die "Reorganisation der Einkaufsprozesse" zu einem seiner Schwerpunkte.

Dann wurde er zum Präsidenten des Statistischen Bundesamts befördert. Dadurch war er, so will es die bundesdeutsche Tradition, in Personalunion der neue Bundeswahlleiter. Sein Vorgänger Walter Radermacher war zu Eurostat, dem Statistischen Amt der EU, gewechselt.

Radermacher hatte sein Geschäft im Statistischen Bundesamt seit 1978 von der Pike auf gelernt, bevor er 2006 dessen Präsident wurde. Sein Vorgänger war der Volljurist Johann Hahlen gewesen, der dieses Amt seit 1995 innegehabt hatte. Zwei Fachleute also.

Egeler hingegen widerfuhr das, was die Franzosen "parachuter" nennen - ein Politiker, ein Beamter wird irgendwo, wo er nichts verloren hat, abgesetzt wie ein Fallschirmspringer von seinem Flugzeug.

Und damit schlug das Peter-Prinzip zu: Egeler hatte offenbar die Stufe seiner Inkompetenz erreicht.

Dieser Mann, nicht Jurist, nicht Statistiker und nicht Politiker, ohne jede Erfahrung mit der Organisation von Wahlen, ist seit dem 1. August 2008 dazu berufen, über eine der kniffligsten juristisch- politischen Fragen zu entscheiden, die es überhaupt gibt: Wer wird zu einer Wahl zugelassen?

Das ist eine eminent bedeutsame Frage. Denn es gehört nachgerade zu den definierenden Merkmalen diktatorischer oder autoritärer Regimes, daß sie auf dem Weg über die Zulassung - oder vielmehr die Nichtzulassung - von Parteien und Kandidaten die Opposition auszuschalten trachten. Das war und ist in Rußland nicht anders als im Iran, wo zur Wahl des Präsidenten von 475 Kandidaten ganze vier zugelassen wurden.

Und umgekehr kennzeichnet es freiheitliche Staaten, daß sie es, wenn irgend möglich, jedem erlauben, zu einer Wahl zu kandidieren, der das denn möchte. Nicht das Wahlamt soll ja entscheiden, ob jemand ein Mandat erhält, sondern der Souverän.

Gewiß muß es für die Zulassung von Parteien zu einer Wahl Kriterien geben. Nicht jeder Spaßmacher, nicht jede Tresenmannschaft kann sich allein durch das Bekunden, kandidieren zu wollen, auf die Stimmzettel befördern. Aber in einem demokratischen Rechtsstaat sollten die Kriterien für die Zulassung doch so liberal wie irgend möglich gesetzlich festgelegt werden.

Und sie sollten mit Liberalität - und vor allem mit Augenmaß - ausgelegt und angewandt werden. Der Beschaffungsexperte Roderich Egeler eignet sich für diese Aufgabe, das hat er unter Beweis gestellt, ungefähr so gut wie Hägar der Schreckliche zum Präsidenten der Universität Harvard. Er hat keine Spur von Liberalität gezeigt; er läßt jedes Augenmaß vermissen.



Ob eine Partei zur Bundestagswahl zugelassen wird, regelt das Bundeswahlgesetz in seinem Paragraph 18. Er ist, wie die meisten Paragraphen solcher Gesetze, auslegungsbedürftig. Oberhalb der Kreisebene können Wahlvorschläge, so bestimmt es dieser Paragraph 18 in seinem ersten Absatz, nur von Parteien eingereicht werden. Aber was ist eine Partei?

Reicht eine Partei ihren Wahlvorschlag ein ("zeigt sie ihn an", so heißt es in Juristendeutsch), dann hat der Bundeswahlleiter die "Parteieigenschaft" festzustellen.

Egelers Vorgänger Hahlen, der für die Bundestagswahlen 2005 zuständig war, ist dabei liberal verfahren; im Zweifel hat er zugunsten der Antragsteller entschieden.

So hatten - man kann das in einem sehr informativen Artikel von Annett Meiritz in "Spiegel- Online" nachlesen - zu den Wahlen 2005 unter anderem die "Allgemeine Pogo Partei Deutschlands" (APPD), die "Bürger- Partei Deutschland" (BPD) und die PARTEI ("Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative") ihre Teilnahme angezeigt.

Gewiß grenzwertig, was die "Parteieigenschaft" angeht - die PARTEI beispielsweise ist bekanntlich eine Unternehmung von "Titanic". Aber Hahlen hatte ihnen diese Eigenschaft nicht aberkennen wollen.

Was schadet es auch, wenn jemand auf dem Stimmzettel steht, der das vielleicht nicht unbedingt sollte? Was ist das gegen den Eingriff in den demokratischen Prozeß, wenn der Wahlleiter jemandem die Anerkennung verweigert, der eigentlich ein Recht darauf hat? Im Zweifel für die Freiheit, das war die Position Hahlens.



Der Experte für die Reorganisation der Einkaufsprozesse im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren Roderich Egeler aber sieht das offenbar ganz anders. Er hat diesen drei Parteien die Anerkennung verweigert, und dazu auch noch den "Grauen". Auch wenn diese, immerhin die Nachfolgepartei der lange Zeit recht erfolgreichen "Grauen Panther", darauf verwiesen, daß sie in Bezirksparlamenten und Stadträten sitzen, daß sie über Organisationen in vielen Bundesländern verfügen und dergleichen mehr.

Dem Roderich Egeler, "parachuté" hinein ins Amt des Bundeswahlleiters, reichte das alles nicht, um die "Parteieigenschaft" festzustellen. Daß dabei die Mängel möglicherweise mehr an seiner eigenen schludrigen Arbeit lagen als an dem, was die "Grauen" eingereicht hatten, hat Dietmar Hipp in "Spiegel- Online" ausführlich belegt.

Basta. Seine "Entscheidung steht hier nicht zur Disposition", erklärte Egeler; so zitiert ihn Annett Meiritz.

Und dann war da noch der Fall der "Freien Union" von Gabriele Pauli. Was sich da abgespielt hat, kann man in der "Welt" nachlesen, sowie in dem zitierten Artikel von Dietmar Hipp:

Pauli hatte ihre Liste beim Landeswahlausschuß in Bayern eingereicht. Dieser wies sie zurück; und zwar, weil Pauli an einer Stelle (auf einem Protokoll, das aber die Unterschrift des Schriftführers trug) ihre Unterschrift vergessen hatte. Also aus einem lächerlichen formalen Grund. Ob diese Unterschrift überhaupt zwingend erforderlich gewesen war, ist zudem auch noch juristisch umstritten.

Daß das Bundeswahlgesetz solche Formalien nicht stark gewichtet, geht daraus hervor, daß der Bundeswahlleiter ausdrücklich verpflichtet ist, dann, wenn er dergleichen Mängel feststellt, sie dem einreichenden Parteivorstand unverzüglich mitzuteilen, damit dieser sie beheben kann (Paragraph 18, Absatz 3). Das Gesetz verlangt natürlich, daß formal alles in Ordnung ist. Aber es sieht auch vor, daß eine Zulassung, wenn irgend möglich, an formalen Mängeln nicht scheitern soll.

In Bayern aber war man - nicht verwunderlich - gegenüber der abtrünnigen CSU- Politikerin Gabriele Pauli so pingelig, wie man nur sein konnte. Man lehnte den Wahlvorschlag ihrer "Freien Union" ab.

Wird ein Wahlvorschlag von einem Landeswahlausschuß abgelehnt, dann steht der betroffenen Partei das Recht auf Beschwerde beim Bundeswahlausschuß zu. Pauli hat diese Beschwerde eingereicht. Im Wahlausschuß wollten vier Mitglieder dieser Beschwerde stattgeben und vier sie zurückweisen.

Den Ausschlag gegen die "Freie Union" gab die Stimme von Roderich Egeler; kein Jurist, ohne Erfahrung als Bundeswahlleiter, bisher als Experte für die Reorganisation des Einkaufsprozesses beim Beschaffungsamt des Bundesministerium des Inneren hervorgetreten. Im Zweifel gegen die Freiheit.



Zu dem Artikel von Dietmar Hipp gibt es im Internetauftritt des Bundeswahlleiters eine Pressemitteilung. Lesen Sie sie. Dann wissen Sie, wes Geistes Kind dieser Bundeswahlleiter ist. Mit keinem Wort geht er auf die Vorwürfe von Hipp ein, was die Behandlung der Fälle "Die Grauen" und "Freie Union" angeht.

Weg mit diesem Mann aus diesem Amt! Zurück mit ihm in sein Beschaffungsamt!



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