7. Dezember 2007

Zettels Meckerecke: Verstand aus! Eine Werbeaktion und ihre Folgen

Selten war es so berechtigt, den Namen der Zeitung BILD zu BLÖD zu verballhornen. Nicht als einziges, aber als einflußreichstes Medium ruft BILD bekanntlich dazu auf, morgen Abend in ganz Deutschland für fünf Minuten das Licht auszuschalten.

Daß das irgendeinen meßbaren Einfluß auf das Weltklima hat, glauben vermutlich nicht einmal die blödesten BILD-Leser. Aber natürlich geht es nicht darum, objektiv etwas zu bewirken. Sondern, so heißt es in dem betreffenden Aufruf:
Mit der Aktion „Licht aus! Für unser Klima.“ fordern die Kooperationspartner von „Rettet unsere Erde“, Google und ProSieben jeden Einzelnen zum Handeln auf. Zudem senden sie ein Zeichen an den zeitgleich stattfindenden Weltklimagipfel auf Bali, sich konsequent für bessere Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen.
Daß irgendwer anders "handelt", als er es ohne diese Aktion getan hätte, daß gar die Konferenz auf Bali ihre Entscheidungen davon beeinflussen läßt, daß in Deutschland das Licht ausgeht - das ist nun allerdings freilich auch nicht mehr als ein Appell an die Dummheit der BILD-Leser.

"Verstand aus!" wäre insofern ein besseres Motto für diese Aktion.



Aber nur insofern. Insofern nämlich, als man diese Aktion unter dem Gesichtspunkt des Weltklimas betrachtet.

Natürlich geht es aber um etwas anderes. Die Zeitung, der Sender, die Suchmaschine, die diese Aktion veranstalten, bekommen Werbung zu einem denkbar günstigen Kosten- Nutzen- Verhältnis. Sie werden erstens überhaupt erwähnt, und dies zweitens noch dazu in einem denkbar positiven Kontext.

Und die Städte, Firmen usw., die angekündigt haben, sich zu "beteiligen" - auch auf sie fällt, wenn man mir die Formulierung verzeiht, ein wenig von dem hellen Glanz der Dunkelheit.



So weit, so gut. Niemandem ist es verboten, für wenig Geld viel Werbung zu machen.

Allerdings geht diese Werbeaktion diesmal auf Kosten der Allgemeinheit.

Elektrischer Strom kann bekanntlich in nur sehr geringem Umfang gespeichert werden. Im wesentlichen geht das nur dadurch, daß man überschüssigen Strom dazu verwendet, Wasser in Talsperren zu pumpen; man wandelt die elektrische Energie also in potentielle Energie um, die man mittels Turbinen dann wieder in elektrische Energie umwandeln kann. Die Möglichkeiten dazu sind aber, begrenzt durch die Kapazität der Talsperren, zu gering, um eine plötzliche Unterlast auffangen zu können.

Wenn der Stromverbrauch plötzlich abfällt, wie es morgen um 20 Uhr geschehen soll, dann bleibt deshalb nur die Möglichkeit, daß Kraftwerke heruntergefahren oder sogar abgeschaltet werden müssen. Wie z.B. in der gestrigen "Welt" zu lesen ist, kann das dramatische Folgen haben:
Schalten aber Millionen Menschen zeitgleich das Licht aus, entsteht deshalb plötzlich ein enormes Überangebot an Elektrizität im Netz, das erst einmal nirgendwohin kann. (...) "Ein möglicherweise großflächiger Stromausfall ist dann nicht mehr auszuschließen."
Wie beispielsweise in den heutigen 16-Uhr-Nachrichen des WDR-Fernsehens zu erfahren war, sind die Stromversorger dabei, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Es wird beispielsweise bei RWE ein spezieller Bereichtschaftsdienst eingerichtet.

Vermutlich wird es den Fachleuten gelingen, mit der Situation fertigzuwerden; sie hatten ja Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Das wird einiges kosten. Wer bezahlt das eigentlich?

Wir, die Stromkunden? Oder werden die geschädigten Unternehmen den Mut haben, diejenigen in Regreß zu nehmen, die mit dieser schwachsinnigen Aktion mutwillig Schaden anrichten?

Unwahrscheinlich. Die Energiekonzerne, ohnehin mit dem Stigma des Bösewichts versehen, werden doch nicht gegen die Guten in einen Rechtsstreit ziehen.

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