10. Februar 2007

Kennt Schönheit Alter? Evolutionsbiologisches zu einer Werbekampagne. Und Bemerkungen zur sexuellen Attraktivität

Wann ist ein Mensch schön? Die Evolutionsbiologie gibt eine einfache, plausible Antwort: Schön ist, wer sexuell attraktiv ist. Und sexuell attraktiv sind diejenigen, die dem potentiellen Sexualpartner durch ihr Aussehen eine gute Chance signalisieren, durch Paarung mit ihnen seine Gene weiterzugeben.

Sexuell attraktiv ist somit erstens, wer gesund aussieht. Was am Äußeren eines Menschen auf Gesundheit hinweist - eine ebenmäßige Gestalt, eine glatte Haut, ein fröhliches Lachen, graziöse Bewegungen -, das ist attraktiv, also schön.

Das gilt für beide Geschlechter. Dann aber differenziert es sich.



Frauen sind attraktiv, also schön, wenn sie in einem Alter sind, in dem sie noch viele Kinder gebären können. Und wenn sie auch sonst Gebärfreude erkennen lassen. Also finden wir - sagen die Evolutionsbiologen - junge Frauen schön, mit breitem Becken und die nachts gern lieben.

Jenseits der Menopause ist es nichts mehr mit diesem Versprechen, den Genen des Sexualpartners zur Weitergabe zu verhelfen. Also verlieren Frauen, wenn die Runzeln kommen, rapide an Schönheit. Ebenso wie spröde, männlich auftretende Frauen nicht schön sind.



Bei Männern dagegen gibt es kein Äquivalent zur Zeit der Gebärfähigkeit. Sie sind (in der Regel) bis ins hohe Alter zeugungsfähig. Daß sie überhaupt in der Lage sind, viele Nachkommen zu zeugen, reicht somit - sagen die Evolutionsbiologen - nicht aus, um Männer attraktiv, also schön zu machen. Das kann jeder Kümmerling.

Attraktiv macht einen Mann, daß er mit seinem Aussehen signalisiert, Nachkommen nicht nur zeugen, sondern auch schützen und ernähren zu können. Er sollte also stark sein, reich, dominant. Dann ist er auch schön.



"Schönheit kennt kein Alter" - das ist der Titel einer in diesen Tagen anlaufenden Werbekampagne des Kosmetika- Herstellers Dove, von der ich vermute, daß sie zu den erfolgreichsten dieses Jahrzehnts werden wird. Sie trifft den Zeitgeist, und sie bricht Tabus. So wie einst der Afri- Cola- Rausch, später die Benneton- Werbung.

Allerdings: Die Botschaft dieser Werbekampagne scheint auf den ersten Blick den Ergebnissen der Evolutionsbiologie zu widersprechen. Man zeigt und preist Frauen jenseits der fünfzig, nackt fotografiert, die attraktiv sein sollen. Nicht jung, nicht mehr gebärfähig. Also, so scheint es, doch gerade unattraktiv, wenn man die Evolutionsbiologie heranzieht.

Nein, wenn man sie mißversteht.



Wer, wie ich, von Jugend an nicht nur FKK- Strände, sondern auch FKK- Vereinsgelände kennengelernt hat, für den ist diese Schönheit des nackten Körpers, auch im Alter, eine Selbstverständlichkeit.

Nackte Menschen, wenn sie gesund sind, häßlich zu finden, ist eigentlich ausgeschlossen.

Häßlich ist es, wenn jemandem der Wanst aus der Badehose quillt, oder wenn die Brüste im Oberteil des Badeanzugs wabbeln. So, wie diese starren Gesichter der Gelifteten häßlich sind. So, wie eine auf jung geschminkte alte Frau häßlich ist, oder einer jener greisenhaft- geisterhaften, geziert einherstelzenden Gecken, wie sie einst die Heilbäder bevölkerten.

Sie sind häßlich, diese sich gezwungen (manchmal zwanghaft) als jugendlich Darstellenden. Der alte Mann Rolf Eden, als jugendlicher Verführer umherhüpfend, ist ein abschreckendes Beispiel. So, wie alles Unechte häßlich ist.

Wenn hingegen jemand sich körperlich so zeigt, wie er oder sie nun mal ist, dann mag das nicht sexuell attraktiv sein. Aber es ist nicht häßlich; oft ist es schön.



Wie paßt das nun allerdings mit der Auffassung der Evolutionsbiologen zusammen, daß die Schönheit eines Menschen nichts anderes ist als seine sexuelle Attraktivität?

Vielleicht spielt das eine Rolle, was man heute gern "Authentizität" nennt. Das Wort kommt vom griechischen aut-henes, das ist der Selbst- Macher. Man könnte auch "Echtheit" sagen, denn nichts anderes ist gemeint. Echtheit, das bedeutet Harmonie mit sich selbst. Harmonisches ist schön.

Wie ist das in der Sicht der Evolutionsbiologie?

Nun, nichts ist für die sexuelle Attraktivität eines Menschen so wichtig, wie daß er echt ist. Ein Sexualpartner, der eine gute Chance bietet, die eigenen Gene weiterzugeben - das ist nicht der windige Hund, nicht die Schlampe. Das ist der beständige, der echte, der authentische Mensch. Ihm seine Gene gewissermaßen anzuvertrauen, das zahlt sich aus. À la longue.

Schönheit ist der Gegenbegriff zum Schein, zur Mache, zum Gezierten und Gestelzten, zum Aufgedonnerten und Oberflächlichen. Keine neue Erkenntnis natürlich. Eine Trivialität fast in der Geschichte der Ästhetik.

Aber ist es nicht ... hm, hm ... schön, daß es nun auch mit den Ergebnissen der Evolutionsbiologie übereinstimmt? Sozusagen mit ihnen harmoniert?