4. April 2022

Frieren für den Frieden? Ein Gedankensplitter

Vor einigen Tagen war in einer Randmeldung der Presse von einem CDU-Politiker zu lesen, "wir" müssten uns darauf vorbereiten den nächsten Winter halt bei 15 Grad und mit einem dicken Pullover zu verbringen. Mit "Blut, Schweiss und Tränen" hat es ja auch neulich der Bundespräsidentendarsteller einmal versucht. Viel glaubwürdiger war er leider auch nicht, ist doch davon auszugehen, dass mit diesem "wir" sich weder der Herrn im Schloss Bellevue noch der CDU-Politiker gemeint haben dürfte, der vermutlich ein ebenso schmuckes Eigenheim sein Eigen nennen wird, dass er halt notfalls mit Holz beheizen kann (es soll niemand sagen Politiker sind in ihrer Haltung besonders konsequent, wenn es um die eigene Haut geht).

Unabhängig von der Doppelmoral der politischen Kaste (ich habe dieses Wort lange Jahre vermieden, gebe aber zu, dass es angesichts dieser Tage irgendwann kaum noch vermieden werden kann), so steht natürlich ein ganz reales Problem dahinter. Umso mehr Bilder und Berichte uns aus der Ukraine erreichen, umso deutlich wird, dass es sich nicht um einen "kleinen, militärischen Einsatz" sondern eher um eine jahrelange Schlächterei handeln dürfte, die wir in Tschetschenien oder auch Afghanistan schon einmal besichtigen konnten (wenn es denn irgendjemanden groß interessiert hätte). Wir erleben die selben menschlichen Gräuel, die noch jeden längeren Krieg ausgemacht haben, sei es der zweite Weltkrieg, aber auch Vietnam, Jugoslawien oder eben Tschetschenien oder Afghanistan. Und im Zuge dessen wird auch so oder so, in Deutschland wie auch im restlichen Europa, der Druck zunehmen, ernsthafte Sanktionen gegen Russland zu verhängen und nicht nur so zu tun, als habe man das vor. Die Rede ist -natürlich- vom Gas. 

Jetzt klingt ja der edle Gas-Boykott gegen die bösen Russen auf den ersten Blick ganz töfte, muss man halt mal einen Pullover anziehen, das sollte einem der Frieden doch wert sein. Und im Unterschied zu vielen anderen, teilt dieser Autor auch durchaus die Meinung, dass ein solcher Boykott, im Unterschied zu den bisherigen, tatsächlich eine massive Wirkung auf Russland entfalten würde. Russland würde vermutlich wirklich faktisch nur noch die Wahl haben entweder langfristig auf mindestens das halbe Bruttosozialprodukt (das ohnehin nicht hoch ist) zu verzichten oder sich endgültig und für alle Zeiten zu einem Vorort von China machen zu lassen. Und den Krieg in der Ukraine könnte man sich vermutlich tatsächlich nicht mehr leisten (den die Chinesen auch nicht wollen, denn Frieden ist gut fürs Geschäft (Erwerbsregel 35)). 

Das sollte aber nicht zu einer anderen Blindheit führen: Das es mit dem Pullover leider nicht getan ist. Und zwar so gar nicht. Mehr als die Hälfte der deutschen Energieversorgung hängt an Russland und vor allem am russischen Gas. Selbst wenn wir jetzt wirklich unseren Verstand wiederfinden (ich bin sicher bei unserer Regierung dauert das länger) und auf die Idee kommen sehr schnell Gas aus Deutschland zu fördern, Stichwort Nordsee, Stichwort Fracking, wenn wir Öfen fördern, LNB Terminals bauen, mehr Strom aus Frankreichs AKW einkaufen, unsere AKWs wieder so aufmotzen, wie es auf die Schnelle geht, die Idioten aus dem Hambacher Forst schmeißen, die ganzen Kraftwerke am Limit fahren lassen, und, und, und, wenn wir wirklich all das sofort und effektiv tun, wir es nur mit einer schweren Katastrophe statt mit einer vernichtenden zu tun haben. 

Denn zum einen werden sich viele Wohnungen gar nicht mehr beheizen lassen (schon weil sich die Bewohner die Preise nicht leisten können), zum anderen ist eine Beheizung auf 15 Grad oder weniger nicht so harmlos, wie sie sich anhört, denn was eine solche Beheizung als erstes im Winter mit sich bringt ist Schimmel. Wenn die Temperatur nachts fällt, sinkt in der Folge das Löslichkeitsprodukt der Luft derart rapide, dass am nächsten morgen die Wohnung nass wird. Und man sie eben nicht mal eben trocken heizen kann. Von geplatzten Leitungen noch nicht einmal angefangen. Strom kann das ganze nicht kompensieren, im Gegenteil, die Gaskraftwerke, und das sind dank Merkel nicht wenige, haben kein Gas mehr um den Strom überhaupt zu produzieren. Und was passiert als erstes, wenn kein Gas mehr da ist? Richtig: Die Leute drehen die Heizlüfter an, für die kein Strom da ist. Na hallamarsch. 

Da Strom und Gas in unserer Infrastruktur nur sehr schwer zu rationieren sein dürften, bleibt dem Staat nur ähnlicher Irrsinn wie "autofreie Sonntage" was übersetzt in die heutige Zeit und angesichts der politischen Dilettantengruppe soviel bedeutet, dass niemand seine Wohnung über 15 Grad heizen darf. Kontrolle inklusive (Grundrechte werden eh überschätzt). 

Und da hört es nicht auf: Ohne Gas kann die Chemie ziemlich einpacken, schon jetzt steigen die Preise für Düngemittel explosionsartig an. Die Preise für Lebensmittel liegen in Folge dahinter. Und das in einer Zeit, wo dank der so dollen Corona-Politik die Inflationsrate bereits zweistellige Raten erreicht hat.

Anders gesagt: Das ist das gewaltigste(!) Verarmungsprogramm seit dem zweiten Weltkrieg und das in einer Situation, wo die Regierung ohnehin seit mehr als zehn Jahren wenig anderes tut als das Land zu zerstören. Dagegen war die Ölkrise harmlos. Sehr harmlos. 

Das heißt nicht, dass man es nicht machen sollte. Wie man seine Humanität gewichtet ist jedermanns eigene Entscheidung und Putin aufzuhalten (der mit Sicherheit nicht mit der Ukraine aufhören wird) ist ein sicher sinnvolles Ziel. Aber es wird mehr kosten als einen Pullover rauszuholen, darüber sollte sich jeder im Klaren sein. Es werden Menschen nicht in Dutzenden, wie jedes Jahr, sondern zu tausenden erfrieren. Wir würden ein riesiges soziales Problem bekommen und die dickste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg. Im Moment kann man nur hoffen, dass am Ende nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird und die ganze Nummer sich irgendwie(?) entspannt. Aber der Gasboykott wird, so angebracht er ist oder sein mag, eine ganz harte Nuss werden. 

Letzter Nachgedanke und Seitenhieb: Nebenbei bin ich der Meinung, dass jeder, aber wirklich jeder CDU-Fuzzie, der die letzten Jahre der Frau Kanzler hinterher gerannt ist, die all das verursacht hat, einfach nur die Klappe halten sollte. Das Putin die Ukraine überfallen würde, war nicht abzusehen, aber die Abhängigkeit von einer fremden Macht so zu übersteigern, die eigene Sicherheit so zu torpedieren und im Namen der eigenen Popularität in der Systempresse, so das eigene Land zu zerstören, das war eine Leistung Merkel. Und die von jedem Hansel, der ihr hinterher gelaufen ist auch noch beklatscht wurde. Von solchen Leuten will ich gar nichts mehr hören, was "wir" alles machen und erdulden sollen. Wenn der Michel bei 15° frieren soll, dann sollten CDU-Parteitage zukünftig im offenen Zelt stattfinden. Und in  Schloß Bellevue kann bei 5° jemand anders darüber nachdenken, ob wir jetzt in seinem besten Deutschland aller Zeiten angekommen sind oder ob er noch ein Schippchen nachlegen will.  
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Llarian

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