„Санкции были тотальные, но, тем не менее, Советский Союз первым запустил искусственный спутник Земли, первый космонавт наш, первый полет космической станции, первый выход в космос, первая женщина-космонавт. (…) Мы все сделали в условиях полной изоляции технологической.“ (В. Путин, 12 апреля 2022 / W. Putin, am 12. April 2022)
Daß unser polit-medialer Komplex, die Schicksal- und Lebensgemeinschaft zwischen unserer allgegenwärtigen Classe politique und dem Medienapparat, der ihnen diese Bühne zu dieser pausenlosen Selbstinszenierung bietet, sich in den letzten Jahren vornehmlich dadurch ausgezeichnet hat, keins der tatsächlichen Problem, mit denen sie konfrontiert werden und die sie zumeist selbst angerichtet haben, zu lösen und in den Griff zu bekommen, aber Weltspitze darin sind, symbolische Handlungen und Gesten zu finden, die diesen Zustand illustrieren, ist ja seit Jahren eines der konstanten Themen in meinen Beiträgen zu diesem Netztagebuch. Ob es die Frau Verteidigungsminister ist, die während dem Desaster des militärischen Rückzugs aus Kabul nichts Besseres zu tun hat, als mit der Ortsgruppe ihrer Partei „Flammkuchen für wohltätige Zwecke zu backen,“ ob es die Umweltministerin ist, die aus dem Anlaß dieser Wohltätigkeit sich erst einmal um ihre strapazierten Familienverhältnisse kümmern zu müssen, ob es Frau Lambrechts Vorgängerin im Amt ist, die zur höchsten Repräsentantin der EU umgewidmet wird, um sie vor der Prüfung durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu schützen, oder ob der Außenminister kurzerhand zum Staatsoberhaupt befördert wird, um den Genossen von der SPD die Blamage erspart bleibt, mit ihm im Wahlkampf als Kanzlerkandidat ins rennen gehen zu müssen – die Beispiel ließen sich mittlerweile beliebig vermehren. Oder, um den Gemeinplatz des Kleinen Zynikers herzusetzen: Diese Leute sind zu nichts mehr fähig, aber zu allem imstande.
Freilich sind wir damit nicht allein auf der Welt. Daß die amerikanische Regierung unter „Sleepy Joe“ Biden und seiner Vizepräsidentin ein ähnlich desolates Bild präsentiert (hier bekommt Frau Clintons Metapher vom „basket of deplorables,“ einem ganzen Korb voller erbärmlicher Gestalten, einen „Beigeschmack von Wahrheit,“ wie das Karl Kraus vor einem Jahrhundert formuliert hat), hatte bislang durchaus einen gewissen Unterhaltungswert, ist aber angesichts des Kriegs in der Ukraine alles andere als beruhigend. Und die beiden letzten frappanten Beispiele für eine solche ungewollte, aber passende „Symbolpolitik“ kamen in der vergangenen Woche aus Russland selbst. Die russische Föderation setzt zwar alles daran, um auf der Bühne der real existenten Welt die Rolle Mordors anzutreten, reiht sich aber nahtlos diese Reihe ein.
Das erste Mal fand dies am vergangenen Dienstag, dem 12. April 2022, beim Auftritt des russischen Präsidenten mit seinem weißrussischen Vasallen Aljaksandar Lukaschenko auf dem im russischen Fernost, in der Region Amur, 600 Kilometer vor der Küste zum Stillen Ozean gelegenen Kosmodrom Wostotschnij statt, aus Anlaß des 61. Jahrestags der ersten bemannten Raumflugs am 12. April 1961 durch Juri Gagarin. Seit dem Jahr 2001, als zum 40 Jubiläums– und aus Anlaß des 20-jährigen Jubiläum des Erststarts des amerikanischen Space Shuttle – wurde von der privaten Stiftung „Space Foundation“ jedes Jahr deswegen „Yuri’s Night“ veranstaltet: eine informelle Angelegenheit für Planetarien, Sternwarten und Vereine von Amateurastronomen, sich einmal mit dem Thema „bemannte Raumfahrt“ an ein interessiertes Publikum zu wenden. Im März hat die Space Foundation auf diese bislang gültige Bezeichnung verzichtet – auch eingedenk der Tatsache, daß diese erste Umkreisung des blauen Planeten von der Sowjetunion nicht nur als der „erste Schritt der Menschheit ins All“ gefeiert wurde, sondern auch als epochaler Triumph der Überlegenheit des Sowjetkommunismus über den verhaßten „westlichen Kapitalismus“ im Kalten Krieg. (Die sowjetische Propaganda im Gefolge von Gagarins Flug liebte es, unter der Raumkapsel mit gestirntem Hintergrund die emporreckten Fäuste der Afrikaner zu zeigen, die „das Joch des – westlichen – Kolonialismus zerbrachen.“) Die Space Foundation hat ihre Koordinationen für das Jahr 2022 am 21. März „angesichts der Ereignisse in der Welt“ in „A Celebration of Space: Discover What’s Next“ umbenannt – ein Schritt, der ihr nicht nur in den russischen Staatsmedien den Vorwurf eintrug, hier den Beitrag Russlands in der Entwicklung der Raumfahrt verschwinden zu lassen und „Geschichtsklitterung zu betreiben.“
10-Kopeken-Marke von 1961. Der Text bedeutet: "Der Mensch aus dem Land der Sowjets im Weltall.")
(6-Kopeken-Gedenkmarke zum 20. Jubiläum 1981)
In der Sowjetunion – und ihrem Nachfolger, der Russischen Föderation – gab und gibt es zu diesem Anlaß seit 1962 den „Tag der Weltraumfahrt“ (День Космонавтики), und aus diesem Anlaß fand der gemeinsame Auftritt von Putin und Lukaschenko vor dem Hintergrund einer liegend gelagerten Sojus-Startrakete statt, bei der Lukaschenko erklärte, er würde gerne einmal „ins All fliegen“ und Wladimir Waldimirowitsch die eingangs zitierten Sätze sprach: „Die damaligen Sanktionen waren allumfassend, aber trotzdem gelang es der Sowjetunion, den ersten künstlichen Erdsatelliten zu starten, den ersten Raumfahrer, der erste Flug zu einer Raumstation, die erste Frau im Weltall … Wir haben das zustande gebracht, obwohl wir in technischer Hinsicht völlig isoliert waren.“
(Das Kosmodrom Wostotschnij)
Es liegt mir fern, das Heldengedenken an die heroischen Heldentaten des Heldenteams um den „großen Konstrukteur“ Sergei Koroljow (der im Westen bis in die 1980er Jahre unbekannt blieb) zu schmälern, und der despektierliche Satz des für den Einsatz der amerikanischen Marine zuständigen Konteradmirals Rawson Bennet („Sputnik is a hunk of iron that anyone could launch“) traf auch nicht den Kern des „Sputnik-Schocks“ im Herbst 1957. Aber dennoch war die Union der Vereinten Räterepubliken in jenen Jahren, auch was das Know-How und die materiellen Grundlagen betraf, keineswegs so isoliert, wie es hier insinuiert wird. Ein Großteil des Wissens um die praktische Umsetzung der Steuerungen und Brennkammertechnik verdankte die Sowjetunion dem deutschen 170 Mann starken V2-Ingenieursteam unter Helmut Gröttrupp, die zusammen mit 2000 anderen deutschen Ingenieuren im Zug der „Operation Osoawiachim“ im Oktober 1946 aus der Sowjetischen Besatzungszone auf die Insel Gorodomlija im Seligersee im Oblast Twer verbracht wurden und im Oktober 1947 die erste V-2 von Kapustin Jar aus starteten. Bei der R-1, der ersten einsatzfähigen Rakete der Sowjetunion überhaupt, die im Oktober 1948 ihren Erststart absolvierte, handelte es sich um einen Nachbau der V-2. Auch die Nachfolgemodelle der Baureihen R-2 bis R-5 fußten auf der deutschen Raketentechnik; erst bei den beiden Nachfolgemodellen, darunter die R-7, mit der erste Satelliten – eben Спутник-1 / „Satellit 1“ – am 4. Oktober 1957 in die Erdumlaufbahn befördert wurde, handelte es sich um eigenständige Weiterentwicklungen. (Oder, wie der Komiker Bob Hope angesichts der ersten monontonen langgezogenen Pieptöne, die in allen Nachrichtensendungen eingespielt wurden, lakonisch anmerkte: „Their Germans were better than our Germans.“)
(Gelände der Wismut AG im Jahr 1947. Man beachte den mannshohen Bretterzaun, der das Areal absichert.)
Die Ankündigung zum Start dieses ersten künstlichen Erdtrabanten war im April 1955 erfolgt, im Rahmen der Vorbereitungen für das IGY, das „Internationale Geophysikalische Jahr,“ das seit 1952 geplant war, um eine Bündelung von internationalen Forschungsbemühungen mit das physikalische Wissen um die Erde und des erdnahem Weltraums zu erreichen und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und angesichts der Funkstille „zwischen Ost und West“ zumindest symbolisch ein Zeichen wissenschaftlicher Kooperation zu setzen. Meist blieb es bei der Symbolik: so bei der Unterquerung des Nordpolareises durch das Atom-Uboot „Nautilus“ und der ersten Durchquerung der Antarktis durch den Mt.-Everest-Besteiger Edmund Hillary. Die amerikanische Ankündigung, aus diesem Anlaß ebenfalls einen Satelliten zu starten, folgte drei Monate später, am 29. Juli 1955.
Auch in anderen Aspekten des „militärisch-industriellen Komplexes“ war das „Mutterland der Werktätigen“ keineswegs völlig isoliert. Materiell konnte es auf (zwangsläufig beschaffte) Ressourcen des ganzen COMECON zurückgreifen. Das Uran für die erste im August 1949 in Semipalatinsk gezündete sowjetische Atombombe, dem Test RDS-1 (russisch РДС-1, auch als Первая молния, „erster Blitz,“ bezeichnet) kam aus der im Mai 1947 in Sachsen im Auftrag der russischen Militärverwaltung gegründeten Wismut AG (einem Tochterunternehmen des gleichnamigen Moskauer Kombinats). Bis Ende 1950 hatte die Wismut mehr als 2500 Tonnen Uran an die Sowjetunion geliefert; die Jahresproduktion war zu dem Zeitpunkt auf 1000 Tonnen gestiegen. Die paranoide Furcht vor Spionage und Sabotage durch „feindliche westliche Elemente“ führte übrigens dazu, daß zwischen 1951 und 1953 etwa 80 Arbeiter und Verwaltungsangestellte der Wismut AG vom Geheimdienst in die Sowjetunion verschleppt und dort hingerichtet wurden. Das Funktionsprinzip dieses ersten sowjetischen Nuklearsprengsatzes war mit dem der amerikanischen „Fat Man“-Bombe baugleich, die am 9. August 1945 über Nagasaki abgeworfen wurde und auch drei Wochen vorher am 16. Juli beim ersten Test auf der Trinity Site zum Einsatz kam: ein Plutoniumkern, dessen Material durch die Explosion einer Ummantelung von TNT überkritisch wurde. Das Wissen um die technischen Details dieser infernalischen Maschine verdankte das Team unter der Leitung von Michail Perwuchin den hilfreichen Auskünften des Ehepaars Ethel und Julius Rosenberg, die dafür 1953 in Sing-Sing auf dem elektrischen Stuhl endeten. (Die nächsten beiden sowjetischen Tests einer Atombombe, diesmal nach dem Hiroshima-Typ „Little Boy,“ bei dem ein Segment der Kugel aus angereichertem Uran mit einer Sprengladung in den Rest der Kugel geschossen wird, erfolgten im August und Oktober 1951. Bei dem letzten Test, РДС-3 wurde zur Erhöhung der Sprengwirkung ein Kern aus Plutonium mit einer Ummantelung von U-235 verwendet.)
Für den staunenden Laien, der sich fragt, soweit ein im Auftrag des Geheimdienstes und der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, SMAD (russisch СВАГ) arbeitendes Unternehmen pro forma in die Organisationsform einer AG gegossen wurde: die Regelungen, die Neuregelungen, die dergleichen erübrigten, wurden in der DDR erst in den Jahren 1951 und 1952 in Kraft gesetzt. Das führte 1954 zur Neugründung als SDAG, als „sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft,“ die am Ende der DDR zur viertgrößten Produktionsstätte für Uran weltweit geworden war.
II.
Auch in einer anderen Hinsicht taugt die Kulisse des Космодром Восточный, des „östlichen Weltraumbahnhofs“ als Symbol für die Zukunft des russischen Griffs nach den Sternen. Das kreisförmige Startgelände mit seinem Durchmesser von gut 31 Kilometern, an dem seit zehn Jahren gebaut wird, hat sich als eine unendliche Quelle von Verzögerungen, Versäumnissen und der Veruntreuung von Mitteln erwiesen – nicht ganz unähnlich dem megalomanen Projekt, das der schriftstellernde Dissident Andrei Platonow (1899-1951) in seinem Roman Котлован („Die Baugrube“) in derselben abgelegenen Weltgegend ansiedelte und das die Industrieprojekte der ersten Fünfjahrespläne wie Magnitogorsk oder den Weißmeer-Ostseekanal in den satirischen Fokus nahm. Die erste sowjetische Ausgabe des Romans konnte erst 1989 im Zug der Perestroika erscheinen (die erste Veröffentlichung des russischen Textes überhaupt erfolgte 1969 in der in Frankfurt a.M. erscheinenden Exilzeitschrift „Grani“/ Гра́ни; die erste Veröffentlichung von Textauszügen in der UdSSR erschien der Ausgabe von „Nowij mir“/Новый мир vom Juni 1987).
Ähnlich der Platonowschen „Baugrube“ ist auch Wostotschij eines jener BER-Projekte, die niemals über das Stadium einer ewigen Baustelle hinausgelangen. Von mehreren geplanten Startrampen ist bislang nur eine fertiggestellt, die anfangs, 2010, für das Jahr 2018 projektierte Fertigstellung ist in kosmische Fernen gerückt; der erste Start eines Sojus-Boosters (ohne jede Nutzlast) verschob sich von 2014 auf 2016; und nachdem ein Großteil der vom russischen Staat bereitgestellten 251 Milliarden Rubel im Nirwana der endemischen russischen Korruption verschwunden waren, hat Präsident Putin das Projekt 2015 zwar „zur Chefsache erklärt,“ ohne aber dem sozialistischen Gang aufzuhelfen. Im April 2015 trat ein Großteil der 7000 beschäftigten Arbeiter wegen ausbleibender Lohnzahlungen in einen Hungerstreik; im Oktober desselben Jahres ergab eine Überprüfung an der Baustelle, daß die Montagehallen zu klein ausgefallen waren, um wie vorgesehen Sojus-2-Raketen montieren zu können. Auch den geplanten Start von bemannten Sojus-Missionen zur ISS mußte Roskosmos im Jahr darauf absagen. Eine besondere Volte kommt dabei dem Umstand zu, daß Wostotschij als Einnahmequelle für die seit 20 Jahren auf Sparflamme gehaltene Finanzierung der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos gedacht ist. Dem verdankt es sich, daß von den insgesamt acht erfolgreichen „kommerziellen“ Starts, die zwischen Februar 2018 und Juli 2021 durchgeführt wurden, die letzten 5 in Folge, ab dem Dezember 2020, die Missionen OneWeb 4 bis OneWeb 8 betrafen. Bei OneWeb handelt es sich um ein privates Weltraumunternehmen mit Sitz in London, dessen Ziel es ist, Elon Musks „Starlink“ ein niederschwelligeres Konkurrenzprojekt entgegenzusetzen und in absehbarer Zeit über 634 Kommunikationssatelliten im Erdorbit Breitband-Internetdienste anbieten zu können. Die ersten künstlichen Erdtrabanten wurden im Februar 2019 gestartet; gegenwärtig ist die Zahl auf 428 gestiegen. Die ersten 11 Starts erfolgten neben Wostotschnij vom Kosmodrom Baikonur aus; der letzte Start am 10. Februar 2022 von Kourou in Guiyana; auch dort kam eine Sojus 2 mit einer Fregat-M als Zweitstufe zur Anwendung. Mit dem Einmarsch in die Ukraine ist dieses Beispiel einer Kooperation im Bereich kommerzielle Raumfahrt Geschichte; und man darf davon ausgehen, daß es auf absehbare Zeit auch so bleibt.
Mit dem Abziehen der russischen Montage- und Wartungskräfte aus Kourou, mit dem Roskosmos auf den Bruch mit den Beziehungen zum Westen reagiert hat, werden auch die dort geplanten Sojus-Starts nicht stattfinden. OneWeb wird dies wenig tangieren; der nächste, für den Sommer geplante Start wird von Cape Canaveral an der Spitze einer Falcon 9 erfolgen. Es liegt natürlich eine hübsche Ironie darin, daß OneWeb auf die Transportdienste der eigenen Konkurrenz zurückgreifen muß. Überhaupt Ironie. Der Direktor von Roskosmos, Dmitri Rogosin, der sich in den letzten Wochen als einer der rhetorischen Kampfhunde des Kremls gebärdet hat, hat nicht nur verschiedentlich damit gedroht, Russland könnte jetzt sämtliche Zubringerdienste zur Internationalen Raumstation einstellen und alle angedockten Sojus-Raumkapseln landen lassen, so daß die ISS keine Möglichkeit mehr hätte, über deren Triebwerke ihre Umlaufbahn in regelmäßigen Abständen anzuheben, um den zwar schwachen, aber sich auf Dauer bemerkbaren Atmosphärenwiderstand auszugleichen. Rogosin hat unverhüllt mit Zerstörung durch tonnenschwere, unkontrolliert abstürzende Trümmer gedroht. Am 3. März erklärte er in einer Sendung des russischen Staatsfernsehens auf dem Kanal Россия 24:
Принято решение о прекращении поставок ракетных двигателей в США производства НПО „Энергомаш“. … Пусть они летают на чём-то ещё, на своих мётлах.
„Wir haben die Entscheidung getroffen, den USA nicht länger die von NPO Energomasch gefertigten Raketenantriebe zu liefern … Sollen sie doch mit etwas anderem fliegen, mit ihren Besenstielen.“
Elon Musk reagierte auf diese Tirade, indem er das Logo von SpaceX twitterte. Diverse lustige Gemüter brachten den Vorschlag ein, die Falcon 9 künftig in „Nimbus 2000“ umzubenennen. Durch den Boykott der russischen Wirtschaft, und insbesondere der Luft- und Raumfahrtindustrie, bei der die Satellitenbetreiber in Drittstaaten leicht und nur mit geringer Verzögerung auf Alternativen zurückgreifen können, ist es durchaus wahrscheinlich, daß des Herr Rogosin sein wird, der demnächst auf traditionellere Flugmethoden zurückgreifen muß. Hier sei daran erinnert, daß die „böse Hexe“ des russischen Volksmärchens, Баба-яга, die Baba Jaga, traditioneller Weise einen Mörser als Luftfahrzeug benutzt.
("Новогодние космические приключения Бабы-Яги" – „Die Weltraumabenteuer der Baba Jaga in der Neujahrsnacht“ – Plakat für eine Planetariumsveranstaltung von 2013 des digitalen Planetariums in Donezk, „für Kinder im Alter zwischen 5 und 10 Jahren.“ Das ursprüngliche Planetarium in Donetsk stammt aus dem Jahr 1961; es wurde durch 2008 durch einen Neubau mit volldigitalisierter Projektionstechnik ersetzt.)
III.
Der zweite Fall einer solchen Symbolsetzung erfolgte gestern, am Ostersonntag. An diesem Tag nämlich nämlich hat die russische (und ehemals sowjetische) Filmgesellschaft Sojusmultfilm / Союзмультфильм, bei allen russischen Videostream-Plattformen das Streaming einer ihren alten Produktionen verboten. Es handelt sich um den Zeichentrickfilm „Сокровища затонувших кораблей“ (etwa: „Schätze versunkener Schiffe“); ein recht schlicht gemachter Cartoon aus dem Jahr 1973, unter der Regie von Fjodor Iwanow entstanden und gute 16 Minuten lang. In diesem Film(chen) geht es um die Abenteuer eine kleinen Gruppe von Jungpionieren, die in einen Tauchboot, das ein leicht exzentrischer älterer Professor erfunden hat, einen Ausflug in die Tiefen des Meeres unternehmen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob „Tauchboot“ hier der richtige Terminus technicus ist: das gelbe Gerät stakst – und kullert – auf Beinen wie eine metallene Krabbe über den Meeresboden dahin. Und bei dieser Aventiure stoßen die drei jungen Helden auch auf das Wrack einer Kriegsschiffes. Mit Hilfe eines Roboterarms wird der Algenbewuchs von der Stahlplatte gekratzt, die die Seriennummer und die Angabe des Schiffstyps trägt. Und zum Vorschein kommt ein „Z.“ Der gewitzte Anführer des Trios weiß sofort, um was es sich handelt, und es kommt zu folgendem Dialog:
"Все ясно, фашистский эсминец!" Erstaunte Frage: "Откуда ты знаешь?" Antwort: "Читал! Фашистские эсминцы обозначались буквой Z!"
"Alles klar: ein faschistischer Zerstörer!" "Woher weißt du das?" "Das steht da! Die Zerstörer der Faschisten waren mit dem Buchstaben Z gekennzeichnet!"
(Dazu sollte man wissen, daß das Bezeichnung „Nazi“ (наци) im Russischen schon seit dem Dreißiger Jahren im offiziellen Diskurs stets durch „Faschist(isch)“ – фашист – ersetzt wurde - und wird, schon um bei der Auflösung des Kürzels nicht das Wort „…sozialismus“ verwenden zu müssen)
Angesichts des hochsymbolträchtigen Untergangs des Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte, den „Moskwa,“ vor 4 Tagen, im Zeichen der „Operation Z,“ wunder es nicht, daß die russische Zensur hier vermeiden will, daß junge Zuschauer zufällig auf unvaterländische Assoziationen kommen. Hinzu kommt noch, daß die Metallkrabbe den Namen „Neptun 25“ (Нептун-25) trägt, also jener Rakete, von denen die „Moskwa“ getroffen und letztlich versenkt wurde. (Bei uns, im „nicht freundlich gesinnten“ Ausland, ist der Film weiterhin zu sehen; die beschriebene Szene findet sich bei 9:10).
(Eine kleine historische Adnote: die „wirkliche“ Z29, ein Zerstörer der Klasse 1936A, 1941 in Bremen vom Stapel gelaufen, hatte im Krieg nur einmal Kontakt mit der östlichen Front – als sie im September 1942 in der Kara-Straße und vor Nowaja Semlja Minensperrgürtel legte, die die Versorgung des russischen Hafens Murmansk mit Rüstungsgütern aus dem Westen im Zug des Lend-Lease-Abkommens behindern sollten. Bei Kriegsende lag das Schiff zur Reparatur im Dock in Wesermünde, wurde nach Kriegsende von der Royal Navy ausgeschlachtet und im Dezember 1946 vor dem Skagerrak versenkt.)
Aber immerhin ist jetzt das Rätsel geklärt, wofür das lateinschriftliche „Z“, mit dem die Fahrzeuge und Panzer der russischen Armee gekennzeichnet sind, wirklich steht.
PS. Hat eigentlich schon jemand angemerkt, daß das Romandebut der britischen Autorin Marina Lewycka (geboren 1946 als Kind ukrainischer Eltern), "Kleine Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" aus dem Jahr 2006, mittlerweile dringend eine neue Coda benötigt?
U.E.
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