20. Juli 2021

Jetzt will es keiner gewesen sein. Mehr Geschichten von der Flut.

Das mit dem Klimawandel war dann vielleicht doch ein bischen zu offensichtlich und inzwischen wird offenbar, dass es doch etwas seltsam anmutet, dass bei der letzten großen Flut vor etwas mehr als fünfzig Jahren, mitten in einer heute als so dunkel und verspiessert wahrgenommenen Zeit, die Vorkehrungen und Maßnahmen irgendwie besser funktioniert haben als im modernen 2021.

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Und damit das einem auf keinen Fall auf die eigenen Füße fällt, sind die entsprechenden Protagonisten schon fleißigst dabei, möglichst mit dem Finger von sich weg zu zeigen. Horst Seehofer, seines Zeichens immer noch Minister für Inneres, und damit irgendwo wohl auch für innere Vorgänge zuständig, verwies schon einmal sicherheitshalber auf die Bundesländer, von Seiten des Bundes habe alles funktioniert. Was natürlich eine kleine Volte ist, da er damit nicht nur von sich abzulenken sucht, sondern gleichzeitig den Finger auf Armin Laschet richtet, der gerade den Parteifreund Söder als Kanzlerkandidaten abserviert hat. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. 

Deutlich taktloser dagegen der ebenso zur Union gehörende Chef des BBK, Armin Schuster, der die Frage stellte wie sensibel Behörden, aber auch die Bevölkerung(!) mit Warnungen umgehen würden. Unterton: Man ist halt selber schuld, wenn man sich nicht informiert. Die dumme Frage zu stellen, warum wir dann ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe überhaupt brauchen. Immerhin bekommt der Laden pro Jahr einen Etat von fast einer Viertelmilliarde zugeschoben. Sein Parteifreund Mathias Middelberg befand es dann auch nötig ihm beizuspringen und argumentierte neben dem Abschieben auf die Bundesländer, dass der gute Herr Schuster ja auch erst acht Monate im Amt sei. Acht Monate. Was er vielleicht dabei übergeht ist, dass der gute Herr Schuster vor allem deshalb das Amt leitet, weil sich im September letzten Jahres herausstellte, dass der bisherige Leiter, seines Zeichens verdienter SPD Politiker, noch unfähiger war und die Warninfrastruktur überhaupt nicht funktionierte (was aber die Regierung nicht hinderte ihn auf einen anderen hohen Posten beim Bundesamt für Statistik zu parken). Und aus diesem Kontext heraus hat es Herr Schuster in acht Monaten(!) nicht geschafft etwas daran zu ändern. Man kann es kaum mehr nachweisen, aber glaubt irgendjemand, dass da in acht Jahren mehr passiert wäre?

Aber es ist ja nicht so, dass die CDU da so alleine wäre. Auch schön die Grünen, beispielsweise Anne Spiegel, ihres Zeichens gerade Umweltministerin in Rheinland Pfalz. Die uns erklärt, dass man aus Daten und Fakten ablesen können, dass solche Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten werden. Gut, nehmen wir das mal hin (auch wenn die Behauptung fragwürdig ist). Nehmen wir aber auch hin, dass die Grünen das nicht erst seit gestern erzählen. In der grünen Welt wird diese Geschichte seit mehr als 20 Jahren erzählt. Und wer regiert doch gleich in Rheinland Pfalz? Ach ja, die Grünen. Unter anderem. Und wer hat in den letzten 20 Jahren drei Landesregierungen in NRW gestellt? Ach ja, die Grünen. Wenn die ja "gewusst" und geglaubt haben, dass so etwas immer häufiger passieren wird, wo sind dann ihre Maßnahmen? Wir haben in NRW und Rheinland Pfalz Gleichstellungsbeauftragte von grünen Gnaden an jeder Ecke, Gendertoiletten, Umwelt- und Bauauflagen, bei denen man einen Anwalt braucht, um sie noch zu verstehen. Aber keinen Katastrophenschutz? Und natürlich hat die Regierung Flaschet auch ihren gehörigen Anteil, aber ein vernünftiger Katastrophenschutz funktioniert auch ohne Politik. Wenn er vernünftig aufgebaut ist. So verkünden die Grünen gerne die Katastrophe, scheinen sie aber nicht ernst genug zu nehmen, um etwas dagegen vorzubeugen, bzw. betrachten Gendertoiletten als wichtiger. Bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder hält man die eigenen Sprüche für (weit) übertrieben, oder man ist inkompetent. Welches Schweinderl hättens denn gern?

Sich an Flaschet selbst oder der SPD abzuarbeiten, stelle ich an der Stelle mal zurück, die Trauben hängen zu niedrig und seien dem Leser zur Übung gestellt. Aber eine andere Sache erscheint mir auch noch wert detailliert zu werden:

Wie bereits zuvor erwähnt meint der Chef des BBK, die Bevölkerung habe die Warnungen nicht ernst genug genommen. In dem selben Kontext wurde auch das Argument gebraucht, dass viele Menschen sich weigern würden, ihr Haus zu verlassen, bzw. nicht kooperativ wären. Dazu sei mal folgende Parallele gezogen: Wer in einer größeren Stadt wohnt, wird das vielleicht kennen. Alle Jubeljahre, manchmal auch öfter, wird bei Bauarbeiten schon mal ein Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt. Dann kommt der Bombenentschärfer und muss das Ding unschädlich machen. Da passieren im Vorfeld ganz interessante Sachen: Beispielsweise wird die Bevölkerung in großem Radius informiert, da fahren tatsächlich Polizeiautos mit Lautsprechern durch die Gegend. Die lokalen Radiostationen berichten permanent, genauso wie die Webseiten der Stadt. Der innere Umkreis (immerhin auch locker 30 Hektar, manchmal auch mehr) wird dann evakuiert. Und zwar zwangsweise. Und die Polizei ist da nicht zimperlich. Natürlich dauert das Ganze nur einen Tag, aber die Vorgänge sind sehr ähnlich. Nun wusste man bereits am Dienstag, oder hätte es wissen können, dass am Donnerstag die Sinnflut kommt. Wo waren die Lautsprecher? Wo war der WDR? Wo war die permanente Berieselung im Radio? Wo war die Polizei? Und selbst wenn der Chef vom BBK angeblich so digital sein will, wo waren die digitalen Warnung (auf meinem Handy war keine!)? Es gibt im Handynetz Dienste dafür. Wo waren die, die die Talsperren hätten leeren müssen (nicht können, müssen!)?  Wo waren die großen Schlagzeilen in der Zeitung (weil, selbst dafür hätte es gereicht, was ein Hohn)? Da war gar nix.

Und die Antwort auf all das ist simpel: Man hat das schlicht nicht ernst genommen. Nicht die Bevölkerung. Die Regierung. Die Ämter. Die Behörden. Die Ministerien. Und jetzt versuchen die Hampelmänner davon abzulenken, indem sie auf alles zeigen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Am liebsten auf den Klimawandel (denn der kann sich schlecht wehren und will auch nicht gewählt werden). Aber das ist der reine Fake. Womit wir es zu tun haben ist ein Staatsversagen allererster Kajüte. Und das nicht auf einer sondern auf etlichen Ebenen. Vom Bund angefangen, über die Länder bis zu den staatlichen Medien. Jeder einzelne davon hat davon wissen müssen, hat aber nichts oder fast nichts getan. 

Und auch wenn das Statistik ist, am Ende sind über einhundert Menschen dabei zu Tode gekommen. Man hätte nicht alle verhindern können.  Aber wenn man liest, dass etliche Menschen von der Flut überrascht wurden, dass das Wasser von praktisch null auf einen Meter in weniger als 10 Minuten stieg, dann macht es wütend, dass keiner gewarnt wurde. Die Sachschäden wären am Ende vermutlich nicht viel geringer gewesen, man kann sein Haus nicht vor einem Fluß retten, erst rech nicht vor einem Erdrutsch. Aber man hätte nicht ertrinken müssen. Der Bundesinnenminister sprach davon, dass die Instrumentalisierung des Ganzen für den Wahlkampf "fast schäbig" sei. Ich stimme ihm zu. Aber das Zeigen auf den vorgeblichen Klimawandel, das Schuld schieben an die Opfer, alles nur um vom eigenen Versagen abzulenken, das ist nicht "fast" schäbig. 

Llarian

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