17. Juli 2021

Frau Baerbock, die Grünen, und die "Kobayashi Maru"



Logbuch “Zettels Raum,” Sol III, Sternzeit -301457,58.

Kirk : You're bothered by your performance on the Kobayashi Maru. Saavik : I failed to resolve the situation. Kirk : There's no correct resolution. It's a test of character.

I.
Lieber Leser: Ist Ihnen der „Kobayashi-Maru-Test“ ein Begriff?

Es ist kein Zeichen von Unbildung, auch nicht popkultureller Unbedarftheit, wenn dem so sein sollte. Aber nicht weniger Begriffe aus dem Bereich des Star-Trek-Universums, vor allem dem, was unter „Trekkies“ nur als „TOS“ bezeichnet wird (das Kürzel steht für „The Original Series,“ bei uns allgemein als „Raumschiff Enterprise“ geläufig, die drei Staffeln um Captain Kirk, „Pille“ MyCoy und Mr Spock, die in der USA in den Jahren 1967 bis 1969 ausgestrahlt wurden). Etwa der Ausdruck „Beam me up, Scottie!“ – der in dieser Form in dem 79 Folgen nie so fiel, der aber im englischen Sprachgebrauch zur stehenden Redenswendung wurde, stets mit ironisch-verzweifeltem Augenrollen geäußert wird und etwa unserem „Nun reichts aber endgültig!“ entspricht. Das Konzept des Beamens selbst, das Entmaterialisieren und Wiedererscheinens von Gegenständen und Personen durch technische Zauberei. Die Logik sagt zwar, daß für die Rückverwandlung aus einem Energiepuls mindestens eine der Sendestation entsprechende Empfangsvorrichtung vorhanden sein sollte (man stelle sich vor, mit einem Smartphone jemanden ohne „Händy“ anrufen zu können, weil die Schallwellen „in der leeren Luft“ erzeugt werden können, um die Absurdität des Konzept zu ahnen). Gene Roddenberry hatte sich für diesen Trick entschieden, um nichts von den 42 Minuten jeder Sendefolge mit umständlichen Anreise- und Landeszenen zu verschwenden, um „unsere Helden“ (und die unvermeidlichen „Rothemden“ als Kanonenfutter) an den Ort des Geschehens zu befördern. „Pilles“ ausdrucksloser Blick, wenn er den Sensorkopf seines Tricorders über einen leblosen Körper führte und das stets überraschende „Er ist tot, Jim!“ konstatierte. (Bei diesem „Sensorkopf“ handelte es sich übrigens um einen schlichten Salzstreuer aus Kunststoff.) Und eben den „Kobayashi-Maru“-Test.

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Der zweite Ausflug der Crew auf die „große Leinwand“ im Film „Der Zorn des Khan,“ nach „Star Trek – The Motion Picture“ von Robert Wise (1979), unter der Regie von Nicholas A. Meyer entstanden und im Sommer 1982 in den Kinos angelaufen, beginnt mit einer irritierenden Szene. Der Film spielt im Jahr 2285. Wir befinden uns auf der Kommandobrücke der „alten“ Enterprise, Kennung NCC-1701, mitsamt einem Teil der bereits bekannten Brückenoffiziere: Hikaru Sulu (gespielt von George Takei) an der Steuerkonsole, Uhura (Nichelle Nichols), mittlerweile in den Rang eines Full Commander befördert, an der Kommunikationseinheit, Captain Spock (Leonard Nimoy) als Wissenschaftsoffizier und Dr. McCoy als (DeForrest Kelly) als Zweiter Offizier. Die Uniformen sind aufwendiger geschneidert: das Star-Trek-Universum hat seine Salzstreuer-und-Uniformen-aus-Frottee-Phase hinter sich gelassen. Aber auf dem Kommandosessel sitzt nicht James T. Kirk, sondern eine unbekannte weibliche Person; die Form ihrer Ohren weist sie als Vulkanierin aus. Später erfahren wir, daß es sich hier um Saavik (gespielt von Kirstie Alley) handelt, eine Offiziersanwärterin aus der Captain Spock geleiteten Klasse. Die Enterprise patroulliert am Rande der Neutralen Zone zwischen dem Klingonischen Reich und der Föderation der Planeten. Jedes Eindringen eines Schiffes – zumindest eines Schiffs der Sternenflotte, gilt als Casus belli. Aus dieser Zone erreicht die Enterprise nun ein schwacher, kaum verständlicher Notruf der „Kobayashi Maru,“ die mit ihren 300 Passagieren und 30 Besatzungsmitgliedern von einer Gravitationsmine beschädigt wurde und deren Systeme versagen. Trotz des warnenden Hinweises von Sulu befiehlt Saavik, Kurs auf den Havaristen zu nehmen. Umgehend enttarnen sich drei klingonische Birds-of-Prey und nehmen die „Enterprise“ unter Beschuß. Die Schutzschirme kollabieren, desgleichen der Antrieb, auf der Brücke bricht Feuer aus, durch die Treffer auf der Brücke kommen McCoy, Sulu und Spock ums Leben und der Befehl Saaviks, sich in die Rettungskapseln zu begeben, kann nicht mehr ausgeführt werden.

Erst als sich der Eingang der Brücke öffnet, Admiral Kirk den verrauchten Raum eintritt und sich vermeintlichen Opfer vom Boden erheben, wird dem Zuschauer klar, daß es sich hier um einen Test, eine Simulation handelt. (Beiseit gesprochen: bei der Häufigkeit, mit der auf den Brücken der Schiffe der Sternenföderation Feuer ausbricht, wäre es zu erwarten, daß hier automatisch Atemschutzmasken von der Decke fallen. Rauchvergiftungen dürften die häufigste Ursache für eine Einlieferung auf die Krankenstation darstellen.) Saavik, trotz vulkanischer Emotionslosigkeit sichtlich aufgebracht, bittet dem Admiral, sich unverblümt äußern zu dürfen („Beg permission to speak freely!“ „Granted.“): „I don’t think this was a fair test of my commanding abilities.” Nein, das war es nicht. Wie bei vielen psychologischen Tests wird auch beim „Kobayashi Maru“ dem Probanden das eigentliche Ziel der Übung nicht verraten. Es handelt sich um einen Charaktertest, wie ein Anwärter in einer hoffnungslos verlorenen Situation reagieren wird. Ganz nach dem Motto: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Die Simulation ist so ausgelegt, daß jede mögliche Entscheidung des Kommandeurs zur Vernichtung führt. (Kirk, der als erster Kadettenanwärter der Sternenflotte dem letalen Ausgang entging, hatte vorher heimlich die Programmierung geändert – etwas, das nach den Statuten nicht verboten war und, wenn auch widerwillig, als „bestanden“ gewertet wurde.)

Einmal von der narrativen Unwahrscheinlichkeit abgesehen, daß die Volte eines solchen Eignungstests, den viele Tausende Offiziersanwärter im Lauf der Jahrzehnte zu bestehen haben, geheim gehalten werden kann und daß es ebenso unwahrscheinlich ist, daß „die alte Offiziersriege“ in Person bei einem entscheidenden, aber doch routinemäßigen Stresstest anwesend ist. (Die Erklärung dürfte darin liegen, daß dem Kinopublikum der Eindruck erspart werden sollte, es sei versehentlich im falschen Vorführsaal und buchstäblich „im falschen Film“ gelandet.)

II.
Warum erzähle ich das alles hier? Nicht aus der Nostalgie eines Star-Trek-Fans (oder nicht nur). Sondern weil vor diesem Hintergrund klar wird, daß das Sommertheater um die Kanzlerkandidatin der Grünen und ihr Team auf der Kommandobrücke, die anscheinend unendliche Kabale eine Variante, eine frühe Form des „Kobayashi Maru“-Tests darstellt. Gewinnen können Frau Baerbock und ihr Wahlkampfteam dabei nichts mehr. Es wirkt, als sei die Situation mit Vorsatz so ausgelegt, daß jede Reaktion fataler wirkt als alle anderen. Auch wenn dies auch nur dem maximal ungeschickten Verhalten der Kandidatin zu verdanken ist und ihre Ungeeignetheit wieder und wieder herausstreicht. Ein Weitermachen bis zur Wahl – mit womöglich noch weiteren Fehltritten und Unwahrheiten, könnte der Lieblingspartei der Medien in den nächsten zwei Monaten einen gewaltigen Verlust an Wählerstimmen einfahren; bislang kostet sie jede Woche das Weiter-So, Jetzt-Erst-Recht, einen Prozentpunkt in den (bekanntlich nicht sehr verläßlichen) Umfragen. Seit Anfang Mai ist die Zustimmung in diesem Bereich von 28 auf aktuell 17 Prozent geschrumpft; wenn der Genosse Trend weiter Kurs hält, darf die Partei am 26. September mit einem einstelligen Ergebnis rechnen. (Als Clou käme dann hinzu, daß man sich in diesem Fall die Scharade hätte ersparen können, überhaupt einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers aufzustellen.)

Räumt Frau Baerbock, zehn Wochen vor ultimo, in der Sommerpause bevor der Wahlkampf in seine entscheidende Phase geht, den Posten und überläßt ihn Herrn Habeck, dann ist dies nicht nur ein Eingeständnis all ihrer Fehler und Versäumnisse; dann hätte man sich ihre Kür, die einzig nur der Tatsache geschuldet ist, daß es sich bei ihr um eine Frau handelt, sparen können. Auch Habeck sollte, „eigentlich,“ als Kandidat für dieses Amt disqualifiziert sein, angesichts des Satzes, den er 2010 in seinem Buch „Patriotismus – ein linkes Plädoyer“ schrieb: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ Auch wenn man noch halbwegs Verständnis für eine solche „linke“ Haltung zu diesem Staat und den Blick entwickeln kann – ohne sie zu teilen oder zu billigen – aber mit einer solchen Einstellung sollte man sich vielleicht nicht darum bewerben, zum „Chef vons Ganze“ gewählt zu werden. Man stelle sich vor, der Aufsichtsrat eines Automobilkonzerns hätte einen Bewerber für den Posten des Direktors vor sich, der offen erklärt: „Ich halte nichts vom Automobil, und insbesondere nichts von dieser Marke. Individualverkehr fand ich stets zum Erbrechen.“ (Daß ich es mittlerweile allen Ernstes für möglich halte, daß in Deutschland ein solcher Anwärter den Posten erhalten würde, steht auf einem anderen Blatt.)

Immerhin darf man Herrn Habeck anrechnen, daß er, anderes als Frau B., über einen ehrlich erworbenen Doktortitel verfügt (immerhin in Philosophie), daß er seine Bücher eigenhändig verfaßt hat, und dort, wo sie in Zusammenarbeit entstanden sind (etwa bei den Kinderbüchern, die er zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch verfaßt hat), diese groß und deutlich auf dem Titel zu lesen ist und daß er auch in freier Rede sinnvolle Sätze unfallfrei zu artikulieren weiß.

Der Plagiatsjäger Stefan Weber, der in Frau Baerbocks Opus „Jetzt“ bislang auf die stattliche Anzahl von 50 nicht ausgewiesenen Textübernahmen kam, schrieb gestern im Online-Debattenmagazin „The European“:

1) Die Plagiatsprüfung des Buchs „Von hier an anders“ (2021) von Robert Habeck ist abgeschlossen. Ich habe dieselben Methoden wie beim Buch „Jetzt“ von Annalena Baerbock angewandt. Im Buch von Herrn Habeck findet sich kein einziges Plagiatsfragment und auch keine einzige unzitierte wörtliche Übernahme aus dem Wahlprogramm der Grünen. Herr Habeck weist auf S. 373 auf das Zitiergebot hin, wenn er schreibt: „Wissenschaftler*innen, von denen ich besonders lernte, habe ich im Text zitiert.“ Herr Habeck verwendet auch wörtliche Zitate unter Anführungszeichen. Ein Literaturverzeichnis befindet sich auf den Seiten 375 bis 377.

Stilometrisch betrachtet habe ich keinen Zweifel daran, dass das Buch von ein und demselben Autor verfasst wurde. Formal wie inhaltlich liegen Welten zwischen den beiden Büchern, wenn ich das so sagen darf. Das Buch von Herrn Habeck ist in jeder Weise vorbildlich, das von Frau Baerbock in keiner Weise.

2) Die Plagiatsprüfung des Buchs „Jetzt“ (2021) von Annalena Baerbock wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein Endbericht wird mit Sicherheit noch deutlich vor den Wahlen veröffentlicht werden. Zwischenberichte – wie zunächst angekündigt – wird es bis dahin keine geben. Derzeit sind mehr als 50 Plagiatsfragmente verifiziert. Die Arbeit wurde seit vergangenen Freitag nicht fortgesetzt.


Daß Frau B. „ihr Buch“ nicht selbst verfaßt hat, ist „an sich“ noch nicht anrüchig. Kennern des Buchmarkts ist es seit langem bekannt, daß es sich bei solchen Produktionen von Prominenten, Bei Memoiren und Programmschriften zumal von Politiker, um Auftragsabreiten handelt, bei denen der vorgebliche Verfasser einige Male interviewt wird und mit dem eigentlichen Autor Inhalt, Stil und Zielsetzung des auszuarbeitenden Textes vorgibt. Allgemein bekannt wurde dies im Zusammenhang mit John F. Kennedys Buch „Profiles in Courage,“ 1956 im amerikanischen Verlag Harpers & Brothers erschienen und ein Jahr später mit dem Pulitzer Prize ausgezeichnet. Seit 1957 gab es die immer wieder geäußerte Vermutung, diese acht kurzen Porträts verdienstvoller amerikanischer Senatoren, angefangen mit John Quincy Adams und Daniel Webster, wären zum größten Teil oder in Gänze von Kennedys Redenschreiber Ted Sorenson (1928-2010) verfaßt worden. Der Journalist Drew Pearson äußerte nach der Preisverleihung am 7. Dezember 1957 in einem Fernsehinterview: „John F. Kennedy ist die einzige Person, die den Pulitzer-Preis für ein Buch entgegengenommen hat, das jemand anderes für ihn geschrieben hat.“ Sorenson hat 2008 in seiner Autobiographie diesen Verdacht rundum bestätigt. Auch Michelle und Barack Obama dürften kaum etwas von den unzählbaren Scharteken selbst geschrieben haben, die zu dem Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 auch bei uns die Regale der Buchhandlungen über gefühlte Kilometer verstopften. Möglicherweise war der letzte politische Amtsträger, dem wir bei uns ein Werk(chen) aus genuin „eigener Hand“ verdanken, Theodor Heuss (etwa die Sammlungen literarischer Porträts „Schattenbeschwörung. Randfiguren der Geschichte“ (zuerst 1947) oder „Vor der Bücherwand. Skizzen zu Dichtern und Dichtung“ (1961). Auch daß Winston Churchill das Abfassen seiner Werke nicht einem **** überlassen hat, darf mit Fug und Recht angenommen werden.

III.
(Ein weiteres und, nach dem Maßgaben der Political Correctness durchaus riskantes, Beiseit: es gab lange Jahre auch in Deutschen für solche Lohnschreiber, aktuell nur noch „ghostwriter“ genannt, eine griffige Bezeichnung. Hier handelte es sich um die deutsche Fassung des französischen Wortes, bei dem es sich, über Jahrhunderte hinweg, über die neutrale, in keiner Weise despektierliche Bezeichnung für Menschen Afrikanischer Herkunft und mit dunkler Hautfarbe handelt, das Palindrom für „Niederschlag.“ Unserer hysterischen Politkorrektheit ist leider in Vergessenheit geraten, das auch ein Martin Luther King dieses Wort ganz selbstverständlich für sich und seine Adressaten verwendete, als er für die Rechte der Schwarzen eintrat; ihr gilt jegliche Erwähnung als Erweis des übelsten Rassismus. Im Zusammenhang mit Ethnien und Hautfarben gilt dies auch für Frankreich. Nur in Bezug auf „literarische Lohntätigkeit“ sich „négre“ bis heute als eine gängige, von allen rassistischen Beiklängen freie Bezeichnung erhalten. Aufgekommen ist die Bezeichnung in Frankreich gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts, in der Zeit des Aufkommens des „Schriftstellerberufs“ und des „Intellektuellen.“ Zwar wird ideengeschichtlich die Entstehung der Rolle der „Intellektuellen“ als literarisch tätiger kritischer Gegenöffentlichkeit, als „moralisches Gewissen der Nation“ im Umfeld um die Dreyfus-Affäre um 1900 und besonders mit der Rolle von Zolas Aufruf „J’accuse!“ verknüpft. Aber das ist nur die „halbe Miete.“ Schon zur Zeit des Sonnenkönigs und seines Nachfolgers spielte die literarische Meinungsbildung in den Salons der adligen Damen wie Madame Recamier, du Deffand und Scudéry - „la ville“ – einen entscheidenden Gegenpart zu den absolutistischen Vorgaben des Hofs und der von Ludwig XIV. gestifteten Académie française. Die Werke eines Voltaire, eine Diderot oder Montesquieu wären ohne diesen Freiraum, diesen Hallraum kaum vorstellbar gewesen.


IV.
Apropos „nicht gelesen“: Die Causa Baerbock bietet einiges an Possierlichkeiten. Deniz Yücel, weilen ex-Taz journalistisches Enfant terrible und allerlei Halbseidigkeiten nicht abgeneigt, twitterte am 10 Juli:

Baerbock: "Als ich im Herbst 2020 zu Gast beim Triebwerksunternehmen MTU Aero Engines in Berlin-Ludiwgsfelde war..." taz: "Ludwigsfelde ist eine selbstständige Stadt in Brandenburg, es gehört nicht zu Berlin. Es gehört zu dem Bundestagswahlkreis 61, in dem Baerbock kandidiert."


Und fügte an:
"Spätestens hier stellt sich nicht mehr die Frage, ob Annalena Baerbock ihr Buch selbst geschrieben hat, sondern ob sie es überhaupt gelesen hat."




Auch in Hinblick auf „ihr“ Opusculum blieb für Frau B. eigentlich nur das Kobayashi-Maru-Szenario: die Wahl zwischen Scylla und Charybdis. Nach der Aufregung um die zahllosen sagen wir „kreativen Freiheiten,“ die sie sich hinsichtlich ihres Lebenslaufs gegönnt hatte, und ihrer hochheiligen Versicherung in einer Talkshow, „da komme jetzt nichts mehr,“ mußte sie felsenfest damit rechnen, daß diese Bewerbungsschrift als nächstes auf Herz und Nieren geprüft werden würde. Selbst wenn man davon ausgehen kann, daß ihr die Nachlässigkeit, mit der ihr Geisterschreiber Michael Ebmeyer gearbeitet hatte (fahrlässig oder mit bösem Vorsatz? fragt man sich) nicht bewußt war, hätte ihr klar sein müssen, daß ihr dergleichen auf die Füße fallen mußte und tunlichst ihrerseits einen Plagiatsprüfer beauftragen müssen. Der Rückzug von der Veröffentlichung hätte wie ein schuldhaftes Eingeständnis des Versagens gewirkt, was er ja auch gewesen wäre. Für das Einfach-Laufenlassen gilt dasselbe – es sei denn, man deutet es dahin, daß Frau B. die ganze Angelegenheit schlicht und einfach gleichgültig ist. Nur um der Diskussion willen einmal angenommen: Wenn es noch nüchterne und pragmatisch kalkulierende Wahlkampfhelfer im „Team B.“ geben sollte (in dieser ideologisch vernagelten Partei auf Bällchenpool-Niveau darf man das ausschließen), so müssen sie mittlerweile hellauf verzweifelt sein.

Gestern erst hat Frau B., drei weitere Nebeneinkünfte nachgemeldet, mit jahrelanger Verspätung. Einmal Hand aufs Herz: von wirklicher „krimineller Energie“ zeugt das nicht; zur Gegenspielerin eines 007 fehlt Frau Annalena erkennbar jedes Kaliber und vor allem jede Fähigkeit. Hier liegt der Hase im Pfeffer, nicht in den kleinkarierten Mauscheleien, der Übereibungen, der Stillosigkeit. Wollen die Wähler die Führung dieses Landes für die nächsten vier Jahre – die mit dem Aufräumen der Folgen von Merkels epochalen Fehlentscheidungen hat werden – wirklich einer Person überlasen, die heillos damit überfordert ist, eine halbe Seite Angaben zum eigenen Lebenslauf so zu fälschen, daß er nicht bei dem kleinsten Windhauch zusammenstürzt wie ein Kartenhaus? Und natürlich ist der Kobayashi-Maru-Test, anders als von Lt. Saavik erklärt, ein fairer Test der eigenen Führungsqualitäten. Es ist in Simulatortests, etwa für Düsenpiloten und Raumfahrer, durchaus üblich, riskantere Gefährdungen durchzuspielen als sie im tatsächlichen Einsatz zu erwarten stehen – schon um den Probanden bei tatsächlichen Problemen dann nicht zu überfordern. Dagegen ist die „Operation Lebenslauf“ wohl eher unter „Idioten-„ denn als wirklicher Stresstest einzuordnen.

V.
Wer an dieser Stelle einwendet: „Star Trek“ – das sei doch Fiktion, billiger Kintopp, „Sci Fi“ (ein abfälliger Ausdruck, den Kenner des Genres für billigen Kintopp bereithalten, in dem die Erzähllogik und die Naturgesetze mit Füßen getreten werden), dem sei entgegnet: dieser Unterschied ist in solchen Fällen oft nicht sehr groß. Auch der Trojanische Krieg hat (aller Wahrscheinlichkeit nach) nie stattgefunden, und doch das die Schilderung in den Epen Homers der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman in ihrem Buch „The March of Folly“ 1978 (deutscher Titel: „Die Torheit der Regierenden“) als erstes Beispiel in einer langen Reihe von Exempeln gedient, um aufzuzeigen, wie kriegsführenden Mächte in einer ununterbrochenen Kette von Fehlentscheidungen scheinbar mit offen Augen in den eigenen Untergang marschieren können. Auch die ersten zehn Bücher von Titus Livius‘ römischer Geschichte „Ad urbe condita“ referieren nichts als Legenden und Mythen; dennoch hat die Analyse dieser Begebenheiten dem ersten Buch der Neuzeit, dessen Lektüre heute noch von praktischer Relevanz für das Verständnis der Art ist, „wie die Welt funktioniert,“ den „Discorsi“ von Niccolò Machiavelli (fertiggestellt 1519) als Grundlage gedient. Zum anderen handelt es sich eben nicht (nicht nur) um „Fiktion.“ Seit der vorigen Woche verfügt auch dieses Land über ein Hauptquartier der Sternenflotte. Bei dessen Anblick fällt dem hier stets mitschreibenden Kleinen Zyniker[TM] freilich der Titel des frühen Films von Werner Herzog aus dem Jahr 1970 ein: „Auch Zwerge haben klein angefangen.“ (Zum Inhalt teilt die Wikipedia mit: „Verrückte übernehmen die Herrschaft über ihre Unterkunft und es bricht Anarchie aus.“) Sogar das Emblem zitiert offenkundig jenes der 2161 gegründeten „United Federation of Planets“ – übrigens ohne Quellennennung. Ob man in unserem „Starfleet HQ“ um Spenden von Salzstreuern und Frottee für Uniformstoff gebeten hat, war bis Redaktionschluß nicht bekannt.



(Sternenflotten-Hauptquartier, A.D. 2021)



(Sternenflotten-Hauptquartier A.D. 2271)

P.S.
Heute hat nun auch der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, sein wahlkämpferisches Waterloo erlitten. Bei seinem Besuch im von der Hochwasserkatastrophe besonders schwer getroffenen Erftstadt zusammen mit Bundespräsident Steinmeier hat er sich einen Fehltritt geleistet, der ihn in jeder normal empfindenden Republik jede Chance eines Wahlsiegs kosten müßte und Anlaß sein sollte, umgehend von seinen Ämtern zurückzutreten. Während der Bundespräsident sich angesichts der mittlerweile mehr als 140 Todesopfer und der Verwüstungen in Milliarden vor den Kameras um angemessene Worte und das Versprechen von staatlicher Hilfe bemühte, zeigen die Aufnahmen, wie sich Herr Laschet im Hintergrund vor Lachen kaum halten kann und nichts besseres zu tun hat, als sich mit den Landräten und Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden anscheinend köstlich zu amüsieren. Erinnerungen an den Wahlkampf von 2017 werden wach, als Frau Högl bei einem Presseauftritt des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz aus Anlaß des Terroranschlags in Barcelona sich feixend, grinsend und winkend produzierte. Frau Högls Karriere hat dies nicht geschadet; ob die Unsäglichkeit mit zum Entgleisen des „Schulzzugs“ beigetragen hat, läßt sich angesichts der gesamten Unernstheit und Lächerlichkeit der damaligen Kampagne nicht sagen. Aber hier verrät sich nicht nur ein Wasserträger, eine Schranze aus dem Tross, sondern der Kandidat selbst. Noch sind die letzten Toten nicht geborgen, noch ist das Ausmaß der Schäden nicht einmal ansatzweise zu übersehen – aber diese politische Riege glaubt, sich Albernheit und Kindergeburtstag-Betragen erlauben zu können. Mitten im Kampf um die Wählergunst. Aber das ist noch nicht einmal des Decouvrierendste daran. Es bestätigt, wieder einmal, meine These, daß diese Politik, diese politische Riege in keiner Weise mehr zur Ausübung ihrer Ämter in der Lage ist. Daß es ihr nicht einmal mehr gegeben ist, auch nur den Schein zu wahren. Daß es dem Staatsoberhaupt dieses Landes – oder seinem Stab, von dem ich erwarte, daß er bei solchen Terminen vor Ort ist – nicht einmal mehr möglich ist, seinen Spießgesellen zu sagen: „Ich trete jetzt vor die Kameras. Dazu sind wir ja hergekommen. Paßt auf, daß ihr euch anständig benehmt, wenn ihr ins Bild geratet! Tut wenigstens so, als ob ihr den Schein wahrt.“

In jedem Trauerhaushalt, bei jeder Beerdigung, wird kleinen Kindern dies eingeschärft – und durchaus auch mit Erfolg. Diese verkommene Bande ist offenkundig selbst dazu nicht mehr in der Lage.



U.E.

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