9. Januar 2019

Mitgeprügelt? Nein. Aber auch nicht unschuldig.

Die Republik ist entsetzt. Nicht zu Unrecht. Ein Bundestagsabgeordneter wurde von drei Vermummten niedergeschlagen, und als er bewusstlos am Boden lag noch mit Fußtritten attackiert. Das war dann doch einer zuviel. Das Bild, das die AfD daraufhin ins Netz stellte und von diversen Medien (wenn auch verpixelt) verbreitet wurde, trug dann vielleicht auch einen nicht unmaßgeblichen Teil dazu bei, dass man die ganze Aktion nicht, wie inzwischen schon zur Routine geworden, mit einem Schulterzucken ignorierte. Zu brutal und deutlich waren die Spuren und zu deutlich die Assoziation, dass es sich hier nicht um eine scheinbar so harmlose "Prügelei" handelte, sondern um einen bewussten Ausbruch von Brutalität, der, wenn eine Tötungsabsicht schon nicht nachgewiesen werden kann, so doch zumindest die Inkaufnahme einer Tötung impliziert.­

Einige waren real entsetzt und erschrocken, andere erkannten nicht rechtzeitig die Wirkung solcher Bilder und versuchten noch billig auf das eigentliche Opfer einzudreschen (wie der abstoßende Tweet von Cem Özdemir traurig belegt). Und bei manchem, bei dem man das nicht erwartet hätte, so beispielsweise bei unserem ansonsten zuverlässig als völlige Fehlbesetzung agierenden Bundespräsidenten, kamen plötzlich Worte und Gesten ans Licht, die einem doch Hoffnung machen, dass noch nicht aller Verstand aus der Politik gewichen ist. Sogar Heiko Maas hatte mal einen Treffer (und das will schon wirklich was heißen). 

Das traurige ist, dass, ganz analog zum Fall Relotius, vermutlich ein paar Tage eine mehr oder weniger echte Betroffenheit das Geschehen bestimmen wird, aber das kaum davon auszugehen ist, dass die eigentliche Problematik angegangen wird. Spinner gibt es immer und so werden sich Anschläge auf Politik und Parteien vermutlich nie ganz verhindern lassen. Die Anschläge auf Lafontaine und Schäuble belegen das eindrucksvoll. Die Täter waren schwer gestört und verfolgten eigentlich keine politische Motivation, ihre Taten sind in sich extrem brutal und dennoch Einzelfälle der ansonsten eigentlich vergleichsweise friedlichen, deutschen politischen Landschaft. 
Das unterscheidet allerdings diese beiden Taten vom jüngsten Anschlag. Anschläge auf die AfD sind heute eben keine Einzelfälle mehr. Es fängt bei zerstörten und beschmierten Wahlplakaten an, zieht sich über Bedrohungen bis zu echten Anschlägen mit Steinen, Brandsätzen und Sprengkörpern. Das bis dato so vergleichsweise wenig passiert ist, ist eigentlich eher dem Zufall zu verdanken. Hier hat die Republik allerdings geschwiegen. Das Ziel war ja die AfD und das war ja irgendwie okay. "Ist doch nur Sachschaden" und "Welchen Schaden soll eine Torte denn schon anrichten?". Das hier immer wieder und permanent Grenzen überschritten wurden, hat die bunte Republik nicht interessiert. Die Opfer waren "die anderen" und da diese auch gleichzeitig die Bösen waren, war es leicht sich eher darüber lustig zu machen.

Über eine Platzwunde, die die komplette Vorderstirn überzieht und die entsprechende Blutung kann man wohl keine so guten Witze mehr machen. (Wobei man vielleicht bei Herrn Welke nachfragen sollte, was ihm so einfiele, es liegt der Verdacht nahe, dass bei ihm der Boden noch nicht erreicht ist. Aber vielleicht kann er ja bei Herrn Ehring nachfragen.)
Und alle (oder zumindest viele) sind entsetzt. Das(!) haben wir ja nicht gewollt. Das(!) kann doch nicht unsere Republik sein. Das(!) ist ja ganz schlimm.

Nur: Was habt ihr eigentlich erwartet? Das die selben Sturmabteilungen, die in Hamburg Pflasterplatten aus dem vierten Stock werfen, bei ihrem Feindbild AfD plötzlich auf Schwimmnudeln zurückgreifen? Habt ihr erwartet, dass die linken Schlägerkommandos, die keine Probleme damit haben Molotov-Cocktails in Menschenmengen zu werfen, plötzlich mit dem Treten aufhören, weil einer am Boden liegt? Seit Jahren intoniert der deutsche Mainstream, von der Presse über den Staatsfunk, über staatlich alimentierte Künstler bis zur Politik, die Geschichte vom "Kampf gegen rechts". Wohlgemerkt, nicht gegen Rechtsextremismus sondern gegen rechts. Wieso ist es dann so eine Überraschung, wenn ein paar Autonome das auch mal real umsetzen? Habt ihr alle geglaubt, wenn die Antifa davon schwadroniert, dass man mit einer Gaspistole durchaus töten können, wenn man den Schuss nur aufsetzt, die alle nur spielen wollen? Habt ihr erwartet das Menschen, die mit Brandsätzen werfen und Wohnhäuser mit Backsteinen bewerfen, ernsthaft davor zurück schrecken jemanden auch mal schwer oder gar tödlich zu verletzen? Was habt ihr, verdammt noch mal, erwartet? 

Jetzt sind alle (naja, fast alle) betroffen. Aber, ebenso verdammt nochmal, warum eigentlich? Wenn man permanent Feindbilder aufbaut (und nicht einmal angesichts von Bluttaten davon lassen kann, wie beispielsweise Herr Özdemir), wieso ist man dann betroffen, wenn dieses Feindbild auch mal real bekämpft wird? Wenn ich permanent erzähle die AfD wolle ein neues drittes Reich aufbauen, ist es doch nur logisch das ein paar Hohlbacken dann auch mal Nägel mit Köpfen machen und das vermeintlich Richtige in die eigenen Hände nehmen. 

Ich finde das schon reichlich naiv. Ich würde mich nicht dahin versteigen die Grünen, die SED oder die SPD hätten "mitgeprügelt". Ich gehe davon aus, dass die meisten, egal wie dämlich sie sich derzeit äußern, das tatsächlich für keine Form der politischen Auseinandersetzung halten. Aber die Naivität nicht einmal darüber zu reflektieren, dass der Hass, der der AfD entgegen schlägt, und der solche Taten erst motiviert, von genau den selben Leuten geschürt wurde, die jetzt so betroffen tun, die ist schwer zu ertragen. Wie schrieb Frau Chebli so passend? "Wir sind zu wenig radikal." Nun: Jetzt offensichtlich nicht mehr. Und da wundert ihr Euch noch? 

Wie der Kollege Danisch immer so treffend schreibt: Geliefert wie bestellt.


Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.