Die meisten Meldungen zu Weihnachten sind recht langweilig, bzw. nicht unbedingt zum Schmunzeln geeignet: Der Papst verkündet das wir uns um arme Menschen kümmern sollen (da die Kirche das nicht so recht hin bekommt), die Gegenstelle von protestantischer Seite verkündet das alles gut wird, wenn wir uns nur alle lieb haben ("beten mit den Taliban") und die deutsche Politik blüht in ihren kleinen Grabenkriegen auf (Merkel 2 versucht sich Merz vom Hals zu halten, Überraschung!).
Originell dagegen war das kleine Weihnachtsvideo von Frank Underwood. Sie kennen Frank Underwood nicht? Dann wirds aber Zeit. Frank Underwood war immerhin Präsident der USA. Okay, zumindest wenn man der Serie "House of Cards" folgt, die seit 2013 von Netflix produziert wurde.
Kevin Spacey spielte bis Ende 2017 den extrem manipulativen und durch und durch skrupellosen Frank Underwood, der, nach einer politischen Intrige, vom Kongressabgeordneten zum Präsidenten aufsteigt. Die Serie ist ausgesprochen sehenswert und unterhaltsam und sie lebt fast ausschließlich von Spacey, dem die Rolle geradezu auf den Leib geschrieben ist. Entsprechend war sie wirtschaftlich auch sehr erfolgreich (Serien mit einer Laufzeit von sechs Jahren sind in Hollywood eher die Ausnahme als die Regel). Zumindest bis 2017.
2017 war das Jahr in dem der Schauspieler Anthony Rapp ihn beschuldigte, sich ihm sexuell aufgedrängt zu haben, als er 14 Jahre alt war. Im Jahr 1986. Spacey konnte sich nach eigenen Angaben nicht an die Episode erinnern, entschuldigte sich unabhängig davon und wurde, nachdem mehr Anschuldigungen gegen ihn erhoben wurden, fristlos gefeuert. Die Studios hatten derartige Panik mit ihm auch nur assoziiert zu werden, dass eine laufende Produktion (Gore) beendet wurde, in einer weiteren (All the money in the world) sein Auftritt durch einen anderen Schauspieler ersetzt wurde und bei House of Cards die Drehbücher umgeschrieben wurden und sein Character eben sterben musste. Ein bereits vorgesehener Emmy Award wurde zurück gezogen. Spacey war schuldig, vollkommen unabhängig von dem was passiert war oder nicht passiert war, der Weinstein Effect hatte unbarmherzig zugeschlagen.
Und das (auch durchweg "bunte") Hollywood, wäre nicht Hollywood, wenn es sich nicht bemühen würde, dass der Stein auf Spaceys Grab möglichst fest stehen sollte. So wurde der für ihn einspringende Christopher Plummer in "All the money in the world" derart in den Himmel gelobt, dass man vorsichtig sein musste, dass der gute Mann mit seinen 88 Jahren nicht noch einen Herzinfakt bekam. Auch Robin Wright, der in House of Cards plötzlich die Hauptrolle zufiel, konnte sich vor Lob ihrer Arbeit durch Kritiker kaum retten. Nur die blöden Zuschauer, die spielten nicht mit. "All the money in the world" wurde ein Flop, dass außer guten Kritiken kaum die eigenen Kosten einspielen konnte. Die sechste Staffel von "House of Cards" war zwar bei der "bunten" Kritik beliebt, stürzte aber so sehr bei den Zuschauern ab, dass Netflix die Serie beerdigen musste. Das nachgeschobene "hatten wir sowieso vor" kommt einem dabei nur noch unfreiwillig komisch vor.
Und jetzt kommt Spacey zurück und streut Salz in die Wunde. Nicht nur weist er mit seinem Video die Anschuldigen komplett zurück, er weist auch mit dem Zaunpfahl darauf hin, dass der Zuschauer ihn als Frank Underwood nie hat sterben sehen. Man könnte es auch übersetzen mit: "Hey, Netflix, wenn ihr eure Serie retten wollt, ich kann das tun!". Was natürlich nie passieren wird, zu stark ist die Panik mit Spacey assoziiert ist werden. Aber der Ansatz ist recht genial. Er spielt seine Rolle perfekt und demonstriert warum er, und nur er, die Serie zu dem gemacht hat, was sie lange gewesen ist. Spacey setzt die selben manipulativen Ansätze, die ihn in der Serie zum Präsidenten gemacht haben, gegen Netflix und den Zuschauer ein. Allerdings diesem offenkundig.
Fast noch interessanter als das Video ist dagegen die öffentliche Wahrnehmung des Videos, bzw. der Riss, der in der Wahrnehmung liegt. Der selbe Riss, der sich auch schon vorher in der unterschiedlichen Bewertung seiner Arbeit bei "bunter Kritik" und Zuschauer wiedergefunden hat. Denn die bunte Seite der Medien ist erzürnt. Die deutsche Presse nennt es "bizarr", "verstörend", "irre" und "seltsam" (um nur ein paar Attribute zu nennen). Ebenso wird in den Schlagzeilen der Eindruck erweckt, als würde sich Spacey nicht nur keinen Gefallen mit dem Video tun, es gäbe auch haufenweise "Kritik" und "Entsetzen". Dies steht im interessanten Widerspruch zu den Bewertungen bei Youtube selber. Denn dort ist die Stimmung (naheliegenderweise) auch gespalten, allerdings etwa 2:1 zugunsten von Spacey. Davon findet man in der deutschen Presse nichts. Auch nicht in der bunten, amerikanischen Presse. Zusammenfassend könnte man die Presse auch mit einem Satz beschreiben: "Was erlaube Spacey?" (hier bitte italienischen Akzent mitlesen.)
Man ist erzürnt. Man ist erzürnt weil der Mann sich verteidigt. Und sich auch noch dem Studio zur Weiterarbeit anbietet. Und hier liegt die eigentliche Crux. Spacey ist nicht verurteilt. Auch nicht geständig, wie manche gerne unterstellen (das einzige was er "gestanden" hat, ist, dass er vor mehr als 30 Jahren betrunken gewesen ist, und sich an nichts erinnern kann. Das nennt man Eingeständnis des Nichtwissens.). Das Einzige was vorliegt sind eine Menge an Anschuldigungen. Aber wir leben, auch wenn man scheinbar immer wieder darauf hinweisen muss, in einem Rechtsstaat (auch wenn #metoo versucht das Gegenteil zu etablieren). Und in einem Rechtsstaat hat jeder das Recht sich zu verteidigen. Erst recht(!) im Gerichtssaal der Öffentlichkeit. Was die Presse hier vorführt ist nichts weiter als der Versuch es moralisch zu diskreditieren, dass sich jemand verteidigt. Er ist öffentlich schuldig gesprochen, da habe er zu schweigen!
Ich kann nicht beurteilen ob Spacey am Ende schuldig ist oder nicht. Ich neige zur Vermutung, dass er es ist, zu unglaubwürdig erschien mir seine erste Verteidigung, zu massiv die Menge an Anschuldigungen. Aber das ist nur eine Vermutung und ein Urteil kann man nicht anhand von Vermutungen treffen sondern müssen sich auch erhärten lassen. Und bis das der Fall ist, sehe ich keinen Grund, warum er sich nicht auch verteidigen darf.
Und alleine um dieses Eulenspiegels willen: Way to go, Mr. Underwood!
Llarian
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