9. Dezember 2018

Ist es eine Verschwörung, wenn es offen passiert? Ein Gedankensplitter.

Morgen soll dann also "endlich" der globale Migrationspakt in Marrakesch unterschrieben werden. Oder besser: Er wird von vielen Ländern unterschrieben werden, die ersten "klassischen" Länder an die man denkt, wenn es um Auswanderung geht, sind nicht dabei. Sowohl die USA als auch Australien haben sich aus dem Pakt verabschiedet. 


Dabei wird nicht nur in Deutschland, aber dort wohl besonders, permanent darauf hingewiesen, dass dieser Pakt rechtlich nicht bindend sei. Es wird genaugenommen so penetrant darauf gehämmert, dass man sich nicht nur an ein Mantra erinnert fühlt, mit dem sich der Ausführende selbst daran erinnern möchte, es wirkt inzwischen wie ein Schlagwort, dass eine Wahrheit suggerieren soll, die möglicherweise gerade eben nicht so ist. Es ist bezeichnend das in Deutschland nicht nur die Mainstream-Politik, die geschlossen für diesen Pakt ist, permanent diese Formulierung aufbringt, es gibt auch fast keinen Presseartikel, der nicht exakt diese Worte verwendet. 
Von einem neutralen Standpunkt aus müsste man sich eigentlich Gedanken dazu machen, warum die Regierungen in den USA, in Australien, in Österreich, Ungarn und den anderen "Abweichlern" zu einer anderen Einschätzung kommen. Wenn das so offensichtlich ist, dass es nicht einmal die Diskussion lohnt, dann ist es doch erstaunlich, dass diese Regierungen es wagen sich international zu isolieren. 

Umgekehrt wird der Schuh noch interessanter. In Belgien gibt es derzeit eine massive Regierungskrise, die durchaus auch mit dem Sturz des Ministerpräsidenten enden kann, weil sich ein Koalitionspartner aus der Regierung zurückzieht, eben weil(!) der Ministerpräsident auf der Unterzeichnung dieses scheinbar(!) so nicht bindenden Dokuments besteht. Es ist doch erstaunlich, wenn ein Ministerpräsident seinen eigenen Posten riskieren möchte, um ein vorgeblich so unwichtiges Dokument zu unterschreiben. Nun ist dieser Autor kein Experte für belgische Politik, aber es fällt schwer sich zu erinnern, wann das letzte mal in Deutschland eine Regierung sich im Parlament mit der Opposition verbündet hat, um den eigenen Koalitionspartner zu überstimmen. Oder kann es gar sein, dass so etwas noch nicht vorgekommen ist? Umso faszinierender das dieses vorgebliche "Schönwetterdokument" (ohne rechtliche Bindung(!)?) so wichtig erscheint genau dieses politische Manöver durchzuführen.

In Deutschland ist die Situation zwar nicht ganz so massiv, aber auch hier tun sich erstaunliche Fragen auf. Es ist kein Geheimnis, dass die Mehrheit der Bevölkerung (nicht der Politik oder Presse) schon geraume Zeit nicht mehr allzu positiv über die merkelsche Völkerwanderung denkt. Die AfD und ihr Erfolg sind das klare Produkt dieser Politik. Die Unterschrift unter diesen Pakt wird mit absoluter Sicherheit kein politischer Vorteil für die Regierung sein, die AfD wird, vollkommen unabhängig(!) von der inhaltlichen Bewertung, einen deutlichen Vorteil daraus ziehen. Und bekanntlich stehen im nächsten Jahr vier Landtagswahlen an, wobei bei Dreien die AfD hervorragend aufgestellt ist. Und nun soll es glaubhaft sein, dass die Regierung einfach darauf pfeift, um ein "Zeremoniendokument" zu unterschreiben, dass vorgeblich keine Wirkung entfaltet?

Natürlich kann man sich billigst auf den Standpunkt zurückziehen, dass sich eine Regierung eben nicht "von der AfD treiben" lassen darf, dass sie kaum von einer Vereinbarung zurück treten kann, die sie selber forciert hat, dass sie fest daran glaubt, dass andere Länder aufgrund dieses Dokumentes "endlich" anfangen die deutsche Flüchtlingspolitik zu adaptieren. Was allesamt, schon ohne allzu tiefes Nachdenken, als Schwachfug erkannt werden kann. Die Regierung hat schon diverse Gesetze diskutiert oder geschaffen, die ganz klar vorher von der AfD aufgestellt wurden (sie redet nur nicht laut darüber), das Zurücktreten von Verträgen bevor diese unterschrieben sind, ist ziemlich undramatisch und das Ausland, insbesondere das europäische Ausland, interessiert sich derzeit in Flüchtlingsfragen nicht einmal für rechtlich bindende Verträge (schönen Gruß aus Dublin).

Dieses Dokument zu zeichnen hat für die deutsche Regierung einen hohen Preis und man kann und sollte sich schon fragen, wie der Gewinn aussieht, den man sich davon verspricht, der diesen Preis aufwiegt. Die Antwort ist am Ende in der Vergangenheit zu suchen: Das Versagen der letzten Jahre im Nachhinein zu legitimieren. Den eklatanten Rechtsbruch von 2015 im Nachhinein zu kitten. Der gesamte Migrationspakt atmet aus deutscher Sicht vor allem eins: Die Unfähigkeit der deutschen Regierung und nicht zuletzt Angela Merkels selber, die verheerenden Folgen des eigenen Verhaltens zu erkennen oder einer kritischen Analyse unterziehen zu können. Das ist auch der Grund warum das Dokument so massiv aus Deutschland forciert wurde. Es ist der Versuch die massiven Fehler, die man seit mehr als drei Jahren am Stück produziert, in ein schönes Gewand zu kleiden, das niemand mehr in Frage stellen möge. Es ist der Versuch die Fehlentscheidungen zu perpetuieren, die Folgen zu verschleiern und jeden, der den zukünftigen Versuch machen könnte, die Zeit zurückzudrehen, schon präventiv Steine in den Weg zu legen.

Es ist bezeichnend für eine durch und durch verlogene Diskussion, dass der Pakt inhaltlich kaum diskutiert wird, weder in der Politik noch in den Medien, sondern das permanent nur auf die angebliche rechtliche Nichtbindung verwiesen wird. Als ob es Sinn machen würde einen Vertrag zu schließen, der gewaltig zum eigenen Nachteil ausgelegt werden kann, so lange dieser keine rechtliche Bindung habe. Man schließt schlicht keine nachteiligen Verträge, weil schon das Risiko, sich zu irren, ein unakzeptables ist, so lange man keinen Gewinn davon hat.

Nun wird man gerne als Verschwörungstheoretiker beiseite gewischt, wenn man darauf hinweist wie konform die öffentliche "Diskussion" (die eigentlich den Namen nicht verdient) stattfindet, wie erstaunlich einig sich Politik und Medien aufstellen. Aber ist es noch eine Verschwörung, wenn es öffentlich stattfindet? Ist die OPEC eine Verschwörung gewesen? Ist es für ein Kartell notwendig sich an einen Tisch zu setzen, um eine gemeinsame Linie zu entwickeln? Es braucht keine Verschwörung wenn Gruppen die gemeinsame Interessen haben, eine unehrliche Argumentation aufbauen und öffentlich verbreiten. Es passiert einfach. Und der Migrationspakt ist ein Paradebeispiel dafür.

Man könnte es sicher eleganter ausdrücken, aber dieser Autor kann sich des Eindrucks nicht verhehlen, dass hier eine ganz große Verlade stattfindet (um nicht den gossensprachlichen, passenderen Ausdruck zu verwenden). Die Öffentlichkeit wird getäuscht. Und das auch noch massiv. Dazu braucht es keine Verschwörung. Nur die Bereitschaft zu Unehrlichkeit, gepaart mit einer nicht funktionierenden, demokratischen Kultur. 


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Llarian

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