In Anknüpfung an das Experiment, das vor zwei Monaten (zwei Monate! es kommt dem Protokollanten wesentlich kürzer vor) auf diesem Netztagebuch unternommen wurde - nämlich die Videoeinbindung des Erststarts der bislang größten von einer Privatfirma produzierten Rakete, der Falcon Heavy, sei auch für diese Nacht eine Live-Übertragung versucht. Diesmal geht es um den Start von TESS, dem "Transiting Exoplanet Survey Satellite", der in dieser Nacht, um 0 Uhr 51 (MESZ) an der Spitze einer Falcon 9 von der Startrampe 40 in Cape Canaveral in die Umlaufbahn geschossen werden soll, nachdem der ursprünglich für vorgestern terminierte Countdown zwei Stunden vor dem Zeitpunkt "0" zum Zweck weiterer Sicherheitsüberprüfungen abgebrochen worden war. Wie am Montag beträgt das Startfenster diesmal 30 Sekunden. 48 Minuten nach dem Abheben soll der Satellit in seine ausgesprochen elliptische Umlaufbahn einschwenken. Die Startstufe soll nach dem "Rücksturz zur Erde", also nach gut 8 Minuten, auf der vor der Küste Floridas im Atlantis stationierten Roboterplattform Of Course I Still Love You aufsetzen. Aufmerksame Beobachter werden sich erinnern, daß zwei der vier Propellergondeln der schwimmenden Landungsplattform beim Erststart der Falcon Heavy im Februar beschädigt worden waren, als der mittlere der drei Erststufenbooster, der Center Core, beim (fast) ungebremsten Aufschlag auf die Meeresoberfläche (nur zwei der neun vorgesehenen Merlin-Triebwerke hatten gezündet) gut in 100m Entfernung explodierte. Sie sind währenddessen durch zwei der im Pazifik vor dem Startplatz der AFB (Air Force Base) Vandenberg Dienst tuenden Just Read the Instructions ersetzt worden. (Darin liegt auch der Grund, warum bei den seit erfolgten Falcon 9-Starts keine weichen Landungen mehr erfolgten.) (Seit Februar 2018 befindet sich ein drittes Roboterschiff im Bau, das als weitere Landeplattform bei zukünftigen Starts der Falcon Heavy zum Einsatz kommen soll, unter den Namen A Shortfall of Gravitas. Wie die leicht exzentrischen Namen der Schwesterschiffe handelt es sich dabei um einem Raumschiffnamen aus Iain M. Banks SF-Roman The Player von Games (dt. unter dem Titel Das Spiel Azad erschienen) von 1988; dem zweiten des "Culture"-Zyklus).
(Wie üblich bei den Übertragungen der Starts von SpaceX ist zu erwarten, daß die Übertragung erst gut zehn Minuten vor dem Ende des Countdowns "live geschaltet" wird - bis dahin bitte ich jeden, der sich zu diesem Zweck hierhin verirren sollte, um Geduld. Nach Abschluß des Starts - und hier klopft der Prokollant hart auf Holz - wird der oben eingebundene Videofeed durch eine Aufzeichnung des Starts ersetzt werden. Nachtrag: 09:40: das obige Video ist jetzt eine neun-minütige Aufzeichnung des des Starts,)
Die letzte Statusmeldung auf der Nachrichtenseite spaceflight.now lautet momentan:
Updated: 04/18/2018 21:51 Stephen ClarkZusätzlich zum oben eingebundenen Videostream von SpaceX kann der Start über den Übertragungskanal der amerikanischen Weltraumbehörde NASA verfolgt werden oder über die Netzseite von SpaceX.
T-minus 3 hours and counting. NASA and SpaceX launch team members are gathering in preparation for final countdown activities, which will include fueling of the Falcon 9 rocket with kerosene and liquid oxygen propellants.
The launch team will oversee loading of high-pressure helium into the rocket, then give the "go" to pump RP-1 kerosene into the Falcon 9 at 5:41 p.m. EDT (2141 GMT). Super-cold liquid oxygen will begin flowing into the two-stage rocket at 6:16 p.m. EDT (2216 GMT).
Anhand dieser Grafik läßt sich verfolgen, durch welche Umlaufbahnmanöver das neue Weltraumteleskop nach 60 Tagen seinen abschließenden Orbit erreichen soll. (Bildquelle: Wikipedia). Der vierte Orbit, der am 22. Tag der Mission beginnen soll (falls heute beim Start und bei beim Einschwenken in die Umlaufbahn alles nach Plan verläuft), wird die Sonde bis in etwa doppelte Mondentfernung von der Erde wegführen; die nahe Begegnung mit dem Erdtrabanten wird ihr dann den entsprechenden Impuls für die finale Bahn verleihen (dies ist auch der Grund, warum die für diese Mission zur Verfügung stehenden Startfenster so knapp bemessen sind statt der für andere Missionen üblichen ein bis zwei Stunden): eine Bahn, deren Perigäum, also der erdnächste Punkt, 108.000 Kilometer entfernt liegt und deren Apogäum, die größte Entfernung, der des Monds entspricht. Für jeden Umlauf wird die Sonde 13,7 Tage benötigen (frühere Raumfahrtexperten nannten solch stark elliptische Bahnen "Molniya"-Orbit; sie fanden für Spionagesatelliten Anwendung, besonders auf russischer Seite: die gegnerische Erdhalbkugel des kapitalistischen Mausimperiums wurde in geringer Höhe überquert, während dem in halber Mondentfernung erheblich langsamer kreisende Begleiter - russisch Спутник - über dem Heimatbereich der Weltrevolution genügend Zeit blieb, bei den geringen Datenübertragungsraten das gewonnene Bildmaterial zu den Bodenstationen zu beamen.) Die Bahnparameter sind so ausgelegt, daß die Sonde mit einer sogenannten "Resonanz" von 1:2 mit dem Mond die Erde umkreisen wird: beim Erreichen der Mondbahn wird sie abwechselnd um 90° "vor" oder "hinter" ihm laufen. Dadurch soll sichergestellt werden, daß diese Umlaufbahn dadurch, daß sich die unterschiedlichen Schwerkrafteinflüsse der Erde und des Mondes die Waage halten, auf mindestens zwanzig Jahre hindurch stabil sein wird. Der Minimalabstand von mehr als 100.000 Kilometern sorgt dafür, daß sich das Raumteleskop während des gesamten Einsatzes außerhalb des strahlungsintensiven Van-Allen-Gürtels bewegt, deren Strahlung so weder die Elektronik schädigen noch die Meßergebnisse der CCD-Chips beinflussen können.
Die vier Weitwinkel-CCD-Kameras an Bord des Sonde, die jeweils einen Sektor von 24° mal 96° abdecken, bevor sie zum nächsten Himmelssegment übergehen, nehmen so den gleichen Bereich im Abstand von jeweils 54, 81, 181 und 351 Tagen erneut ins Visier. Darauf beruht der Trick bei der Suche nach Planeten außerhalb des Sonnensystems: sollte im Verlauf eines solchen Intervalls ein Trabant einer fernen Sonne vor ihr daherziehen, so bedeutet daß - infolge der Abdeckung eines winzigen Bereichs der Sternscheibe - einen winzigen Lichtverlust, der sich aber, hinreichend empfindliche Meßinstruments vorausgesetzt, nachweisen läßt. Mittlerweile sind seit den ersten Nachweisen extrasolarer Planeten seit 1995 insgesamt 3700 Exoplaneten nachgewiesen worden (die meisten zunächst nicht mit der hier zur Anwendung kommenden "Transitmethode", sondern vermittelst der Radialgeschwindigkeit, also der Geschwindigkeit, mit der sich ein Stern im Verhältnis zu uns bewegt. Die winzige Beschleunigung bzw. Abbremsung, die durch einen umlaufenden Planeten - je nachdem, ob er sich "von uns fort" oder "auf uns zu" bewegt - ausgeübt wird, läßt sich anhand der Verschiebungen der Absorptionsbanden im Spektrum seines Lichts präzise nachweisen. Allerdings braucht man zu einem genauen Massenachweis noch das Wissen, in welchem Winkel seine solche Umlaufbahn zum Beobachter steht. ein verhältnismäßig "leichter" Planet verursacht bei direkter "Sichtlinie" gleiche Variationen wie ein massereicherer, dessen Umlauf aus der Sicht terrestrischer Beobachter stark gekippt ist.) Seit dem Einsatz des Kepler-Weltraumteleskops, bei dem die Transitmethode angewendet wird, ist die überwältigende Anzahl von Nachweisen darüber erfolgt. In der folgenden schematischen Übersicht (Wikipedia) zeigt blau die Resultate der Radial-, grün die der Transitnachweise.
Die Ausrichter der Mission rechnen damit, daß in den dafür vorgesehen zwei Jahren insgesamt zwanzigtausend neue Exoplaneten nachgewiesen werden können.
Nachtrag, 01:43. Nach 49 Minuten und 37 Sekunden ist, nach einem Bilderbuchstart, in rund 750 Kilometern Höhe und bei einer Geschwindigkeit von 36.900 Stundenkilometern, über dem Indischen Ozean vor der Westküste Australiens, TESS auf seiner Umlaufbahn ausgesetzt worden. Die Landung der Startstufe nach 8 Minuten Flugzeit mit einer Gipfelhöhe von 72 Kilometern, war die 24. erfolgreiche Landung, die SpaceX durchgeführt hat.
Die vier Weitwinkel-CCD-Kameras an Bord des Sonde, die jeweils einen Sektor von 24° mal 96° abdecken, bevor sie zum nächsten Himmelssegment übergehen, nehmen so den gleichen Bereich im Abstand von jeweils 54, 81, 181 und 351 Tagen erneut ins Visier. Darauf beruht der Trick bei der Suche nach Planeten außerhalb des Sonnensystems: sollte im Verlauf eines solchen Intervalls ein Trabant einer fernen Sonne vor ihr daherziehen, so bedeutet daß - infolge der Abdeckung eines winzigen Bereichs der Sternscheibe - einen winzigen Lichtverlust, der sich aber, hinreichend empfindliche Meßinstruments vorausgesetzt, nachweisen läßt. Mittlerweile sind seit den ersten Nachweisen extrasolarer Planeten seit 1995 insgesamt 3700 Exoplaneten nachgewiesen worden (die meisten zunächst nicht mit der hier zur Anwendung kommenden "Transitmethode", sondern vermittelst der Radialgeschwindigkeit, also der Geschwindigkeit, mit der sich ein Stern im Verhältnis zu uns bewegt. Die winzige Beschleunigung bzw. Abbremsung, die durch einen umlaufenden Planeten - je nachdem, ob er sich "von uns fort" oder "auf uns zu" bewegt - ausgeübt wird, läßt sich anhand der Verschiebungen der Absorptionsbanden im Spektrum seines Lichts präzise nachweisen. Allerdings braucht man zu einem genauen Massenachweis noch das Wissen, in welchem Winkel seine solche Umlaufbahn zum Beobachter steht. ein verhältnismäßig "leichter" Planet verursacht bei direkter "Sichtlinie" gleiche Variationen wie ein massereicherer, dessen Umlauf aus der Sicht terrestrischer Beobachter stark gekippt ist.) Seit dem Einsatz des Kepler-Weltraumteleskops, bei dem die Transitmethode angewendet wird, ist die überwältigende Anzahl von Nachweisen darüber erfolgt. In der folgenden schematischen Übersicht (Wikipedia) zeigt blau die Resultate der Radial-, grün die der Transitnachweise.
Die Ausrichter der Mission rechnen damit, daß in den dafür vorgesehen zwei Jahren insgesamt zwanzigtausend neue Exoplaneten nachgewiesen werden können.
* * *
Zur Frage, die sich vielleicht der eine oder andere Leser, der sich hierher verirrt, stellen mag: ist dergleichen ein Thema für ein solches Netztagebuch, das ja doch eher der Reflexion, der Perspektive gewidmet sein sollte: nicht dem unmittelbaren Durchreichen von Stehplätzen im "globalen Dorf" (ein Ausdruck den Marshall McLuhan vor 56 Jahren in seinem Buch The Gutenberg Galaxy prägte und damit passenderweise im gleichen Jahr, als bei uns Jürgen Habermas den Strukturwandel der Öffentlichkeit zum Bestandteil des medialen Vokabulars machte)? Die Interessierte doch genausogut auf Seiten wie spaceflightnow oder Futurezone oder der NASA verfolgen können? Abgesehen von der selbstherrlichen Entscheidung des Protokollanten, daß, ja doch, dergleichen Aufmerksamkeit und Zeit verdient, möchte ich auf einen anderen Aspekt verweisen. Der Gang der Wissenschaften, ihre Kontroversen, die Erschließung neuer Gebiete, ihre, wie man seit Thomas Kuhn sagt, "Paradigmenwechsel" (geprägt wurde dieses Konzept in seinem Buch The Structure of Scientific Revolutions, das ebenfalls 1962 zuerst erschienen ist): all das, auf der ganzen Breite des, was man unter dem breiten Schirm der Wissenschaft fassen kann, soweit es sich um Empirie, Messung, um harte naturwissenschaftliche Segmente handelte, all das war, nicht erst seit den öffentlich ausgetragenen Kontroversen um die Evolutionstheorie im Kielwasser von Charles Darwins The Origin of Species von 1859, immer auch mehr als nur ein innerhalb der einzelnen Disziplinen, im Elfenbeiturm der Gelehrsamkeit, stattfindender Prozeß. Ob nun der Streit und das Ringen um die Klassifikation der Bausteine der Materie (die chemischen Elemente im Periodensystem, die Struktur der Atome und ihrer subatomaren Bereiche), das Für und Wider um die Herkunft des Menschen, die Erschließung der fernsten Bereiche von Raum und Zeit:, der "Code des Lebens", all das war auch immer Teil der Öffentlichkeit. Man konnte, seit sich die modernen Medien im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts herauszubilden begannen, mit den illustrierten Zeitungen als ersten Vorläufern, immer daran teilnehmen. Der Fortschritt auf diesen Gebieten war seitdem unauslöschlicher Teil; man konnte sich darauf verlassen, daß die meisten Leute - zumindest im Westen, deren Interesse und Horizont über die unmittelbare Tagesaktualität hinausgingen, die man, es sei mal im alten Terminus des 19. Jahrhunderts gesagt, "gebildet" nennen konnte, zumindest eine vage und in ihrer Vagheit zutreffende Vorstellung über den Gang und den Stand der Welterkenntnis verfügten. Darwin und Einstein lassen sich auch, ohne am Kern der Sache vorbeizugehen, als Popstars definieren, deren Metier freilich nicht die flüchtige Mode, sondern die zutreffende Welterkenntnis war, aus deren Theorien und deren Abprüfung am Empirischen nach und nach im Lauf der letzten 150 Jahre jenes Bild des Universums von seinen äußersten Bereichen bis hinunter zur Planck'schen Länge entstanden ist, das als gesichert gelten darf und das auch hinfort, bis zum Ende der menschlichen Erkenntnis, Bestand haben wird und nicht durch grundstürzend andere Vorstellungen ersetzt werden wird. Und ein Kernbereich dieser Symbiose aus Öffentlichkeit und Erkenntnisgewinn war immer die Raumfahrt, bemannt wie unbemannt. Die bemannten Mondlandungen des Apolloprogramms vor mittlerweile einem halben Jahrhundert haben sich nicht umsonst ins kollektive Gedächtnis der Menschheit eingegraben. Seit der Jahrtausendwende, seit dem Jahr 2000, scheint hier aber eine grundlegende Änderung eingetreten. Nicht nur hat sich ein Desinteresse an den Minutiae der Starts und Landungen, der Sondenergebnisse, selbst den Bildern des Weltraumteleskops Hubble breitgemacht. Die halbjährlichen Staffelwechsel auf der Internationalen Raumstation ISS werden nicht einmal mehr in winzigen Fußnoten medial vermerkt (das gleiche gilt, nota bene, auch für die Besatzungen der Forschungsstationen auf dem fünften Kontinent, der Antarktis). "Wissenschaft" in dem Sinn, wie sie anderthalb Jahrhunderte das Rückgrad der industriellen Moderne und ihres Wissenzuwachses gebildet hat, scheint nur noch in Form eines unverifizierbaren und nicht mehr zu hinterfragenden Klimaalarmismus stattzufinden. Es scheint geboten, in welch kleiner Form auch immer, diesem fatalen Trend etwas entgegenzusetzen.
* * *
Nachtrag, 01:43. Nach 49 Minuten und 37 Sekunden ist, nach einem Bilderbuchstart, in rund 750 Kilometern Höhe und bei einer Geschwindigkeit von 36.900 Stundenkilometern, über dem Indischen Ozean vor der Westküste Australiens, TESS auf seiner Umlaufbahn ausgesetzt worden. Die Landung der Startstufe nach 8 Minuten Flugzeit mit einer Gipfelhöhe von 72 Kilometern, war die 24. erfolgreiche Landung, die SpaceX durchgeführt hat.
U.E.
© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.