Mit
zunehmendem Alter begreift man immer mehr, dass das Leben zu einem großen Teil
aus Zufällen besteht. Und so war es eine wohl eher unwahrscheinliche glückliche
Fügung, dass ein liberal-konservativer Hochschullehrer einer Naturwissenschaft,
nennen wir ihn Zettel, vor circa sechzehn Jahren auf eine überwiegend von
– mutmaßlich jungen – Linken bevölkerte Diskussionsplattform namens „Schrippes
Polit-Forum“ stieß. Den Rest der Geschichte hat Zettel in einem Beitrag
aufgeschrieben und mit jenem Text sein Blog am 4. Juni 2006 aus
der Taufe gehoben.
Zettels Raum wird also heute zehn Jahre alt – und sitzt zwischen allen Stühlen. Das ist aber, um es in der Sprache der Computerprogrammierer zu formulieren, kein bug, sondern ein feature. Zwar hat Zettel sich selbst als Liberal-Konservativen bezeichnet und damit im Kosmos der politischen Strömungen der Bundesrepublik Deutschland lokalisiert. Doch im Unterschied zu anderen derartigen Komposita, bei denen der eine Bestandteil im Vergleich zum anderen keinerlei inhaltlichen Mehrwert bringt – wie zum Beispiel „rechtskonservativ“ (gibt es denn auch Linkskonservative? Kretschmann?) oder „linksliberal“ (das nur ein etwas netteres Wort für eine moderne Variante des Salonbolschewismus ist) – war bei Zettel die politische Selbstverortung wortwörtlich zu verstehen. Wenn die zwei Seelen in seiner Brust einmal nicht im selben Takt schlugen, wandte er sich an seinen liberalkonservativen Vermittlungsausschuss (bzw. Vermittlungsausschuß, wie er in seiner Abscheu gegen die neue Orthographie angemahnt hätte). Wer nicht immer mit sich selbst einer Meinung ist, kennt diese inneren Verhandlungen.
So
geht Zettels Raum in sein elftes Jahr – für ein Blog ein durchaus respektables
Alter. Und vielleicht ein guter Anlass, sich verstärkt mit dem Großen, Ganzen
und Grundsätzlichen zu beschäftigen.
Zettels Raum wird also heute zehn Jahre alt – und sitzt zwischen allen Stühlen. Das ist aber, um es in der Sprache der Computerprogrammierer zu formulieren, kein bug, sondern ein feature. Zwar hat Zettel sich selbst als Liberal-Konservativen bezeichnet und damit im Kosmos der politischen Strömungen der Bundesrepublik Deutschland lokalisiert. Doch im Unterschied zu anderen derartigen Komposita, bei denen der eine Bestandteil im Vergleich zum anderen keinerlei inhaltlichen Mehrwert bringt – wie zum Beispiel „rechtskonservativ“ (gibt es denn auch Linkskonservative? Kretschmann?) oder „linksliberal“ (das nur ein etwas netteres Wort für eine moderne Variante des Salonbolschewismus ist) – war bei Zettel die politische Selbstverortung wortwörtlich zu verstehen. Wenn die zwei Seelen in seiner Brust einmal nicht im selben Takt schlugen, wandte er sich an seinen liberalkonservativen Vermittlungsausschuss (bzw. Vermittlungsausschuß, wie er in seiner Abscheu gegen die neue Orthographie angemahnt hätte). Wer nicht immer mit sich selbst einer Meinung ist, kennt diese inneren Verhandlungen.
Zettels Raum
war nie ein Ort, an dem fertige Antworten geliefert wurden. Auch deshalb
empfand Zettel das kleine Zimmer stets als ein integrierendes Element des
Forums, wie er die Gesamtheit aus Blog und Diskussionsplattform nannte. Es
ergänzte seine Artikel und verhalf ihm selbst zu neuen Erkenntnissen. Und genau
darauf kam es ihm an: Denn Zettel war nicht nur in
technisch-naturwissenschaftlicher, sondern auch in politisch-gesellschaftlicher
Hinsicht ein ausgesprochener Fortschrittsoptimist. Als Aufklärer im besten
Sinne vertraute er auf die Kraft der vernünftigen Gedanken, die er nicht ohne
Grund zum Motto seines Blogs kürte. An der irrationalen Reaktion Deutschlands
auf die Katastrophe von Fukushima wäre er dann auch beinahe verzweifelt. Die „kollektive Besoffenheit“, die er nach dem 11. März 2011 zwischen Berchtesgaden und
Buxtehude ausmachte, drohte seinen Glauben an die Einsichtsfähigkeit seiner
Mitbürger zu zerstören. Aber Zettel wäre nicht Zettel gewesen, wenn er die
Hoffnung auf Veränderung aufgegeben hätte.
Was hat sich
seit Zettels viel zu frühem Tod geändert? Das Blog ist nunmehr ein veritables Gemeinschaftsprojekt
mit der entsprechenden Polyphonie geworden. Zettels enorme Beitragsfrequenz können
die im realen Leben berufstätigen Autoren nicht erreichen. Aber vieles ist auch gleich geblieben: Sich unanfechtbar gebende Welterklärungstheorien wird man
hier nach wie vor vergeblich suchen, und Zettels Raum ist immer noch ein Ort des Fortschrittsoptimismus, freilich nicht im Sinne eines naiven „Alles wird
gut“, sondern vielmehr eines „Es kann besser werden“ (Zyniker dürfen in der
Satzmitte gern ein „nur noch“ hinzufügen).
Noricus
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