21. Juni 2014

Serien in Zettels Raum: Umweltschutz reloaded. Und wenn er nicht gestorben ist, dann stirbt er auch noch heute.


Wer in den 80er Jahren in Deutschland gelebt hat und sich die Mühe gemacht hat auch mal eine Zeitung zu lesen oder die Glotze einzuschalten, der ist einem Begriff ganz sicher nicht entkommen: Dem Waldsterben.
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Dieses geradezu mythische Phänomen hat zu Beginn der 80er Jahre die deutsche Umweltbewegung zentral konstituiert, es hat den deutschen Zeitgeist nachhaltig geprägt und ist in seiner Wirkung und Ausprägung so stark gewesen, dass er es geschafft hat in andere Sprachen übernommen zu werden. So sprechen die Franzosen von „le Waldsterben“ und selbst die Amerikaner benutzen diesen Begriff, wenn sie bestimmte Baumschäden beschreiben wollen. Daher bietet es sich an, nicht nur darüber zu reflektieren was das Waldsterben gewesen ist (oder immer noch ist), sondern auch darüber wie man die damaligen Prognosen und Aussagen heute bewerten kann.
Beginnen wir in den 80er Jahren: In Deutschland, aber auch in einigen Gebieten im Ausland, stellt man eine neue Art von Waldschäden fest, bei dem sich Kronen zunehmend verlichten und im Extremfall ganze Baumbestände absterben. Solche Dinge sind auch aus früheren Zeiten bekannt, jedoch ist die Intensität, die man Ende der 70er, Anfang der 80er feststellt, erstmal ziemlich auffällig. Die noch junge Umweltschutzbewegung greift das Thema auf: Das Waldsterben ist geboren. Und wie. Es werden Vereine gegründet, Komitees gebildet, Experten befragt und am Ende wird alles in einer bunten Melange über die Presse verbreitet: Die Apokalypse steht quasi bevor. Der deutsche Wald ist nicht zu retten, er stirbt. Ergriffene Schutzmaßnahmen sind viel zu wenige und nutzlos, der Spiegel schreibt vom ökologischen Hiroshima oder gleich vom ökologischen Holocaust (darunter macht es der Spiegel ja nicht). Das Ender der Menschheit steht bevor („Erst stirbt der Wald, dann der Mensch.“)
Die Ursache ist ebenso schnell ausgemacht: Luftverschmutzung. Allen voran der saure Regen, die Stickoxide durchs Autofahren, das Blei im Benzin und die nicht verbrannten Kohlenwasserstoffe vor Verwendung der Katalysatoren. Unabhängig davon was genau schuld ist, so ist eines aber klar: Die Katastrophe kommt, die Frage ist nur wie schlimm sie sein wird oder eher noch wie schnell sie ablaufen wird.
Daraus resultiert die interessante Frage, wie schlimm ist es tatsächlich geworden ? Was hat gestimmt ? Was nicht ? Wer hatte Recht ? Und wie ist das heute ?
Zunächst ist festzustellen, dass der sterbende Wald sich in seiner Disziplin (dem Sterben) als ausgesprochen unfähig herausstellt. Er stirbt nicht so wie er soll. War der Wald Anfang der 80er Jahre immer noch im Wachstum begriffen (das durch sein Sterben natürlich eingedämmt werden sollte), so hat er einfach nicht damit aufgehört und ist den letzten 30 Jahren (also seit er stirbt) um etwa 10% gewachsen. Natürlich kann das Ausweisen von Flächen alleine noch keinen Zustand beschreiben, aber auch die Menge an Holz in diesen Flächen ist deutlich gewachsen. Klappt nicht so recht. Auch der Zustand der Bäume hat sich im Wesentlichen nicht verändert, was doppelt interessant ist: Denn weder ist es dazu gekommen, dass die Katastrophe eingetreten ist, vor der uns alle von links bis rechts gewarnt haben, nein, auch die so gelobten Maßnahmen wie die Rauchgasentschwefelung, die Katalysatoren, das Bleiverbot haben nicht dazu beigetragen, dass sich im Wesentlichen etwas verändert hat. Der Wald hat sowohl seine Vernichtung durch den Menschen als auch seine Rettung durch die Umweltpolitiker einfach ignoriert (vielleicht sollte man dem Wald mal mitteilen, was man von ihm denkt). Guckt man sich die Quoten an geschädigten Bäumen an, so entsprechen diese Quoten im Wesentlichen denen vor 30 Jahren. Der Wald zuckt halt mit den Schultern.
Ebenso kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, dass die Hauptursache für die Waldschäden nicht in der Luftverschmutzung zu suchen ist. Vermuten deshalb, weil das so genau bis heute niemand weiß. Forstwissenschaftler gehen inzwischen von einer komplexen Wechselwirkung verschiedenster Ursachen, von Luftzusammensetzung über Trockenheit bis  Schädlingsbefall aus. Die einzelnen Ursachen wie beispielsweise saurer Regen oder Kohlenwasserstoffe oder Blei halten einer Überprüfung als Hauptursache nicht stand, denn nichts davon kann die gleichbleibenden Schäden am Wald erklären (sauren Regen gibt es seit mehr als 25 Jahren nicht mehr, freie Alkane in großen Mengen auch nicht und Blei ist allenfalls noch lokal im Boden enthalten).  
Nun muss man zur Ehrenrettung der Umweltschützer (so dort eine solche ist) zwei Dinge einwerfen: Zum einen war die Luftqualität in den 80er Jahren (und davor) wirklich nicht die beste. Die Ursache anzunehmen war nicht unbedingt fernliegend. Auch waren die plötzlich auftretenden Schäden tatsächlich da und ihr Anstieg war eine Zeit lang recht alarmierend.
Und dennoch bleibt zu sagen, dass nahezu nichts, was die Umweltbewegung in diesem Zusammenhang ausgeführt und angekündigt hat, gestimmt hat. Der Wald ist nicht gestorben, er ist gewachsen. Die Luftverschmutzung war mit aller Wahrscheinlichkeit nicht die Hauptursache für die Waldschäden. International war das Thema deutlich unbedeutender als in Deutschland. In anderen Ländern, wo man die Maßnahme erst Jahre später durchführte ist der Wald auch nicht gestorben. Zusammenfassend kann man sagen, dass man im Wesentlichen wohl einer Ente aufgesessen ist, selbst wenn ein Anteil von Wahrheit drunter stecken kann (so genau weiß man das nicht), so war die Panik vollkommen deplatziert. Und man sollte nicht vergessen, dass diese Panik eine ganze Generation geprägt hat und bis heute prägt.
Zwei Randbemerkungen noch: Wenn man das Thema recherchiert fallen einem zwei Dinge auf. Es gibt bis heute noch Alarmisten, die immer noch das Waldsterben verkünden. Robin Wood ist nach wie vor am Start und auch NABU und wie sie nicht alle heißen, geißeln regelmäßig die deutsche Politik dafür, dass sie inzwischen einen Waldzustandsbericht und keinen Schadensbericht mehr erstellen lassen (obschon das selbe darin steht). Zum anderen fallen massive Parallelen zur Diskussion des Klimawandels auf. Das Mantra des sterbenden Waldes war 1985 nicht ein bisschen weniger gesetzt als das heutige Mantra des menschengemachten Klimawandels. Die apokalyptischen Szenarien waren nicht ein bisschen kleiner, die Begriffe nicht weniger aufgeladen. Und witziger weise waren auch damals schon die Rezepte zur Lösung des Problems nahezu dieselben wie heute.
Llarian


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