Ein simples
Bekenntnis: Vater werden lohnt sich. Es ist die heftigste, einschneidenste,
aufwühlendste und schönste Erfahrung, die ich in meinem vielleicht nicht mehr
ganz so jungen Leben machen durfte. Über das, was man schon in den ersten
Wochen oder auch in den Wochen vor der Geburt erlebt könnte man ganze Bücher
schreiben (netterweise haben das auch nicht wenige Leute getan. :) ). Dennoch habe ich auch einige
kuriose oder zumindest seltsame Erfahrungen mit staatlicher und halbstaatlicher
Meinung gemacht und ein paar wenige davon sind Basis für meinen heutigen
Gedankensplitter.
Zunächst
muss man vorrausschicken: Die Planung von Nachwuchs war in meinem Haushalt nie
an staatliche Überlegungen gebunden, weder war öffentliche Förderung,
Kindergeld, Erziehungsgeld, Elterngeld, Kindergärten, Kinderkrippen, Renten-
oder Pflegeförderung je bei uns ein Thema. Klar nimmt man das je nachdem mit,
aber es war nie ein Grund für die Entscheidung für Kinder. Ich stamme aus einer
Familie wo es vollkommen selbstverständlich war, dass man irgendwann Nachwuchs
anstrebt und ich denke ich werde meinen Nachwuchs ganz ähnlich erziehen. Das
Leben muss weitergehen, daran hat für mich nie ein Zweifel bestanden und der
Mensch mit dem ich mein Leben teile hat das glücklicherweise auch immer so
gesehen.
Dennoch
habe ich erlebt das der Staat und auch andere Organisationen, die sich irgendwo
mit Kindern auseinandersetzen ein ganz bestimmtes Gesellschaftsmodell
propagieren und das macht mir so manche Gedanken. Angefangen hat das Ganze
damit, dass ich mit meiner Partnerin darin übereinstimmte, dass Eltern zunächst
für ihre Kinder da sein sollten. Als ich aufwuchs war es völlig
selbstverständlich, dass man Kinder die ersten Jahre zuhause betreut und
vielleicht mit drei Jahren in den Kindergarten schickt. Und Kindergarten
bedeutete in diesem Zusammenhang, dass man morgens dahingelaufen ist und zum
Mittagessen zuhause war. Ich kann es nicht mehr genau sagen, aber das werden so
in der Größenordnung von maximal 20 Stunden die Woche gewesen sein.
Nun ist
unser erstes Kind in dem Alter, wo es langsam in den Kindergarten gehen sollte,
wir sind noch nicht ganz da, aber es wird Zeit sich darum zu kümmern. Dabei gab
es eine ganze Reihe von interessanten Erfahrungen:
Erfahrung
Nummer eins war die, dass ein Kind von drei Jahren heute spät dran ist, wenn es
einen Kindergartenplatz haben soll. Heute gibt es nahezu keine Kindergärten
mehr im klassischen Sinne, die allermeisten sind Kombinationen aus Kita und
Kindergarten (für die Nichteltern unter uns: Kitas sind Kindertagesstätten und
das sind Tagesstätten wo Kinder unter drei Jahren unterkommen). Kinder gehen
heute viel früher. Im Extremfall mit einem halben Jahr. Nein, das ist kein
Witz. Leider nicht. Auch die Zeiten sind heute anders als früher. Wo ich noch
20 Stunden gegangen bin, gibt es heute sowas gar nicht mehr. Schon 25 Stunden
Plätze sind kaum zu bekommen, 35 sind deutlich häufiger und nicht wenige
Kindergärten legen auf 45 Stunden wert. Und das wird auch gerne kombiniert: Ich
kenne inzwischen Eltern, die ihr Kind mit einem halben Jahr bis zu 45 Stunden
pro Woche in die Kita geben. Die Kinder können teilweise kaum robben,
geschweige denn laufen. Das wird auch, und hier wird’s zumindest für mich
kurios, nicht als negativ gesehen. Aus Not könnte ich mir viel vorstellen, aber
der Hintergrund ist oftmals der, dass man sich so an zwei Gehälter gewöhnt hat,
dass man davon nicht ab will. In der Konsequenz werden kleine Kinder
vorgezogen, mit drei Jahren ist es deutlich schwieriger „noch rein zu kommen“.
Erfahrung
Nummer zwei war dann zumindest auch für mich wieder kurios: Kindergärten sind
Umverteilungsanstalten. Kostet ein Kitaplatz für eine Familie mit einem
Familieneinkommen von 20.000 Euro im Jahr nichts, so kostet er für eine Familie
mit einem höheren Einkommen gerne mal 400 Euro im Monat. Ich habe prinzipiell
nichts dagegen, dass auch Kinderbetreuung Geld kostet, meinen Babysitter muss
ich ja auch bezahlen, aber eine solche Umverteilungskomponente fand ich doch
irgendwo erstaunlich. Bei einer durchschnittlichen Familie in Deutschland wird
das Kind da zum massiven Kostentreiber, da ist schnell ein erheblicher Teil vom
Monatseinkommen weg. „Arme“ Familien können dagegen ihre Kinder problemlos
kostenfrei unterbringen, der Staat bezahlt.
Erfahrung
Nummer drei war dann schon nicht mehr kurios sondern ärgerlich: Kindergärten
sind Sozialingenieure. Glauben Sie nicht, lieber Leser? Ist aber so: Wenn man
einen Kindergartenplatz sucht, dann muss man sich darum bewerben. Bei nicht
wenigen Kindergärten werden dabei richtige Fragebögen verschickt. Jetzt sollte
man meinen der Kindergarten würde vielleicht mehr über die Kinder erfahren
wollen. Das ist aber nicht der Fall: Man möchte gerne wissen, ob die Eltern
alleinerziehend sind, wer Teil- oder Vollzeit arbeitet und was für Berufen die
Familie nachgeht. Der Hintergrund erschließt sich einem zunächst nicht, aber es
handelt sich um eine Sozialauswahl. Eltern die beide berufstätig sind, werden
bevorzugt. Eltern bei denen einer (oder gar beide) Elternteile sich um das Kind
kümmern, werden nach hinten geschoben. Das ist auch keine Verschwörungstheorie,
dass ist mir so ganz offen erklärt worden.
Nun kann
man all diese Erfahrungen für sich begründen, ich weiß warum die Kindergärten
das tun. Aber ich stelle auch mal die Frage welche Wirkung das auf unsere
Gesellschaft hat und ob dieses Idealbild wirklich so hilfreich ist.
Erfahrung
Nummer eins führt dazu, dass Kinder immer früher in den Kindergarten kommen.
Werden die Kinder zunächst lange zuhause betreut haben sie ein deutliches
Risiko keinen Platz zu bekommen. Erfahrung Nummer zwei geht schon wieder
Richtung Sarrazin, man darf sich nicht wundern, dass irgendwann nur noch
diejenigen Kinder bekommen, bei denen der Staat die Kosten trägt. Für eine
Mittelklasse Familie sind Kinder ein massives Kostenrisiko, bei
Unterschichtfamilien existiert ein solches Risiko deutlich geringer. Erfahrung
Nummer drei hat besonders perfide Wirkung: Wer seine Kinder einige Jahre
zuhause betreuen will, wird noch zusätzlich bestraft. Frauen (oder in Ausnahmefällen
auch Männer), die eine mehrjährige Pause nehmen, um ihre Kinder ins Leben zu
führen, werden noch einmal deutlich gegenüber solchen benachteiligt, die ihre
Kinder, sorry des fiesen Wortes wegen, möglichst früh verklappen.
Wie schon
oben angedeutet, nichts von diesen Erfahrungen hätte etwas daran geändert, dass
ich Vater werden wollte und wurde. Ich habe meinen Nachwuchs nicht für den
Staat bekommen und wenn wir einen höheren Preis dafür zahlen, ihn individuell
zu fördern, dann ist das so. Dennoch frage ich mich, ob das die Richtung ist,
in die wir unsere Gesellschaft bewegen wollen. Wollen wir wirklich unsere
Kinder mit einem Jahr in der Kita abgeben? Ist nicht die DDR mit genau diesem
Erziehungsideal angetreten und ist grandios gescheitert? Ist das wirklich die
familienfreundliche Politik von der so gerne geredet wird? Freundlich für wen?
Erziehen wir hier ein Heer von Kollektivwesen? Ich habe nicht unbedingt auf
jede dieser Fragen eine Antwort. Bis zu einem gewissen Grad muss die auch jeder
für sich finden. Ich finde es jedenfalls wichtiger, dass mein Kind das Laufen
und Sprechen von mir lernt, bzw. gelernt hat, wichtiger als den zweiten Urlaub
im Jahr unbedingt zu haben. Aber das ist meine Meinung. Mancher mag auch die
kurios finden.
Wenn ich mir
heute bestimmte Stimmen in der Politik ansehe, habe ich den Eindruck in Zukunft
wird man sich dafür rechtfertigen müssen, dass man sein Kind noch selber
erziehen will. Als wäre das Kind schon nach seiner Geburt im halben
Staatsbesitz. Das finde ich wiederum kurios. Und eigentlich auch gefährlich.
Llarian
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