14. August 2012

Zettels Meckerecke: Aktivist und Journalist. Ein Nachklapp zum "Fall" Drygalla

Zum "Fall" Drygalla hat sich inzwischen die öffentliche Meinung gedreht. Mit der Verzögerung von fast einer Woche begannen liberale Autoren vor einigen Tagen zu entdecken, daß es vielleicht doch nicht dem Geist eines freiheitlichen Rechtsstaats entspricht, eine junge Frau wegen der politischen Gesinnung des Mannes zu attackieren, in den sie sich mit 18 Jahren verliebt hatte.

Aber es gibt welche, die wollen nicht aufgeben. Zu ihnen gehört einer der Scharfmacher der ersten Stunde, der Chef vom Dienst von "Zeit-Online", Christian Bangel (siehe Hexenjagd. Noch einmal der "Fall" Nadja Drygalla. Wo bleibt die liberale Öffentlichkeit?; ZR vom 4. 8. 2012).

Gestern Abend hat Bangel in "Zeit-Online" nachgelegt:
Nach dem Einwurf von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziére – "Wo ist die Grenze?" – entstand ein diskursives Feuer, dessen Schärfe den Eindruck erweckt, hier habe dringend einmal etwas herausgemusst.

Der Tenor: Jemanden wegen eines Verdachtsmomentes nach seiner Haltung zur Demokratie zu befragen, sei Gesinnungsschnüffelei. (...)

Aufmerksamkeit schaffen für Neonazis und für arglose Aussagen, die ihnen in die Hände spielen – man könnte das vom heutigen Stand der Debatte aus als Gesinnungsschnüffelei bezeichnen.
Überschrieben ist dieser Text mit "Wir Gesinnungssschnüffler". Wenn ich Bangel richtig verstehe, ist er stolz darauf, so genannt zu werden.

Nun gut, das ist seine politische Haltung. Bangel ist ein Mann mit sehr eigenartigen politischen Ideen. Beispielsweise hat er - beim Fall der Mauer war er zehn Jahre alt - für sich eine ostdeutsche Identität konstruiert (siehe "Daß es 60 Jahre gut ging, sagt über unsere Zukunft nichts". Die Sorgen eines Ostdeutschen; ZR vom 23. 12. 2011):
Auch mein Geburtsland wirkte vollkommen stabil, bis es plötzlich und gottseidank starb. Die Ostdeutschen haben erlebt, dass ein ganzes Gesellschaftsgefüge mit all seinen Hierarchien und ordnenden Bindungen über Nacht verschwinden kann. Die meisten meiner westdeutschen Kollegen und Politiker winken hier ab.
Hat seine Verteidigung der Gesinnungsschnüffelei also hier ihre biographischen Ursachen? Vielleicht. Sein Porträt bei "Zeit-Online" liefert unter anderem diese Informationen:
Christian Bangel gründete während seines Geschichtsstudiums das Netzmagazin Zuender und das Anti-Rechtsextremismus-Blog Störungsmelder.org für ZEIT ONLINE. Später entwickelte er das Portal NETZ GEGEN NAZIS mit. Nach einem Ausflug in die Politik – er wirkte im grünen Onlinewahlkampf 2009 mit – kehrte er als Nachrichtenredakteur zu uns zurück. Seit Anfang 2012 ist er Chef vom Dienst.
Ein politischer (ich benutze das Wort jetzt einmal) Aktivist also.

Nichts gegen politische Aktivisten. Aber wie kann jemand, der sich derart persönlich engagiert, zugleich die Distanz einnehmen, die man als Nachrichtenredakteur, als Chef vom Dienst benötigt? Wie kann er in dieser beruflichen Position alle Seiten einer Sache sehen, sie ohne Vorurteile prüfen, wenn er zugleich in einer so eindeutigen Weise Partei ist? Er müßte sich zumindest Mühe geben, das eine vom anderen zu trennen. Davon ist nichts zu erkennen.

Auch "Zeit-Online" hat eine Meinungsseite. Dort mag Bangel seine Meinung sagen; und sein Hintergrund als Aktivist sollte, wie man das bei solchen Meinungsbeiträgen macht, als Information zum Kommentar erwähnt werden. Der jetzige Artikel aber erschien im Ressort "Gesellschaft". Dort hat er nichts zu suchen.­
Zettel



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