6. Juni 2011

Marginalie: Die Niederlage des portugiesischen Sozialisten José Sócrates und der Euro-Sozialismus

In Portugal hat die bisherige Regierung gestern eine vernichtende Wahlniederlage erlitten. Warum? Das liegt doch auf der Hand, werden Sie vielleicht sagen - weil es Portugal wirtschaftlich schlecht geht. Das schreiben die Wähler nun einmal der jeweiligen Regierung zu.

Gewiß. Aber es ist kein Zufall, daß dies eine sozialistische Regierung ist; demnächst gewesen sein wird. Auch im Krisenland Spanien regieren die Sozialisten; dort seit 2004, in Portugal seit 2005.

Bevor in Spanien Zapateros PSOE bei den Wahlen 2004 überraschend siegte, hatte acht Jahre lang der Liberalkonservative José María Aznar sehr erfolgreich regiert. Damals ereignete sich so etwas wie ein spanisches Wirtschaftswunder; für das Jahr 2003 war nicht nur keine Neuverschuldung, sondern sogar ein Überschuß im Staatshaushalt erwartet worden. Das Land hatte damals das zweithöchste Wirtschaftswachstum Europas.

Aznar war sich des Erfolgs seiner Partei so sicher, daß er 2004 auf eine dritte Amtszeit verzichtete und einen Nachfolger, Mariano Rajoy, ins Rennen schickte. Alle Umfragen sagten diesem den Sieg vorher; aber die Anschläge von Madrid brachten die PSOE an die Macht.

Zapatero gab die solide Haushaltspolitik Aznars schnell auf; ebenso wie in Portugal der Sozialist José Sócrates diejenige seiner konservativen Amtsvorgänger Durão Barroso und Pedro Santana Lopes. In beiden Ländern ist das einer der Gründe für die jetzige Schuldenkrise.



Wohlgemerkt einer der Gründe. Natürlich spielen die immer wieder genannten anderen Gründe eine wichtige Rolle; der Euro, der keine Anpassung mehr durch Abwertung der Landeswährung erlaubt, natürlich die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre. Faktoren, die auch im bis 2009 konservativ regierten Griechenland wirkten. Aber sozialistische Mißwirtschaft ist eben auch ein Faktor, und ein oft übersehener.

Die Mechanismen sind fast stets dieselben; man kann sie im Frankreich der ersten Jahre Mitterands studieren, in Deutschland an den beiden Epochen sozialdemokratisch geführter Regierungen. Das jüngste Beispiel ist der Schuldenhaushalt, den in NRW die rotgrüne Regierung Kraft vorgelegt hat. Diese Mechanismen sind wohlbekannt:

Zum einen sind Sozialisten nun einmal Etatisten. Sie wollen den staatlich kontrollierten Bereich ausweiten, also die Ausgaben des Staats erhöhen. Zum zweiten erwartet ihre Klientel staatliche Wohltaten von ihnen. Andererseits ist ihre Politik in der Regel nicht wirtschaftsfreundlich; so daß bei steigenden staatlichen Ausgaben die Steuereinnahmen sinken.

Hinzu kommt, daß die Politik sozialistisch oder sozialdemokratisch geführter Regierungen selten von diesen allein bestimmt wird. Sie regieren meist in Koalitionen mit noch weiter links stehenden Parteien (in Frankreich und Italien zum Beispiel in den jeweiligen Epochen mit den Kommunisten), denen noch weniger ein solider Staatshaushalt am Herzen liegt.

Und sie stehen zusätzlich oft unter dem Druck der mit ihnen verbündeten Gewerkschaften, die höhere Bezüge im öffentlichen Dienst verlangen und diese auch gegen ihre regierenden Genossen meist durchsetzen. Es finden ja in der Regel Tarifverhandlung statt, bei denen auf der einen Seite des Verhandlungstischs ein Gewerkschafter sitzt, der auch sozialistischer Genosse ist - und auf der anderen ein regierender sozialistischer Genosse, der auch Gewerkschafter ist.

Eines der extremsten Beispiele dafür, wozu das führen kann, stammt übrigens nicht aus Spanien, Portugal oder Frankreich, sondern aus Deutschland. Als die sozialliberale Koalition regierte, wurden 1974 nach einem von dem SPD-Genossen und Vorsitzenden der der damaligen Gewerkschaft ÖTV, Heinz Kluncker, geführten Streik die Gehälter im öffentlichen Dienst um nicht weniger als 11 Prozent erhöht; ein wesentlicher, wenn auch nicht der einzige Faktor für die massiv steigende Staatsverschuldung der siebziger Jahre.
Zettel



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