4. Juli 2007

Zum Fourth of July: Erst ein liberales Manifest, dann eine liberale Musterverfassung

Am vierten Juli 1776 veröffentlichten dreizehn amerikanische Staaten eine Erklärung, die "Unabhängigkeits- Erklärung" heißt. Sie war aber viel mehr.

Sie war, verfaßt von dem genialen Thomas Jefferson, ein Liberales Manifest. In seiner Wirkung dem Kommunistischen Manifest von Marx vergleichbar. Nur - anders als dieser Aufruf zum Haß mit seiner verqueren Geschichtsphilosophie - in der Tradition der Aufklärung und des Humanismus stehend. Beeinflußt vor allem von Montesquieu und Locke. Mit diesen unsterblichen Sätzen:
We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.

That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed,

That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute new Government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form, as to them shall seem most likely to effect their Safety and Happiness.

Wir erachten diese Wahrheiten als aus sich selbst heraus evident, daß alle Menschen gleich geschaffen sind, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unabdingbaren Rechten ausgestattet sind, daß dazu das Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.

Daß zur Sicherstellung dieser Rechte unter den Menschen Regierungen eingerichtet sind, die ihre gerechte Macht von der Zustimmung der Regierten herleiten,

Daß immer dann, wenn irgendeine Regierungsform diesen Zielen abträglich ist, es das Recht des Volks ist, sie abzuschaffen und eine neue Regierung einzurichten, die sich auf solchen Prinzipien gründet und die ihre Macht in einer solchen Weise gestaltet, wie es ihm am besten geeignet erscheint für seine Sicherheit und sein Glück.
Das war 16 Jahre vor der Französischen Revolution, die freilich nicht von Gelehrten wie Jefferson, sondern von jungen Extremisten wie Robespierre, Danton und Marat angeführt wurde und die statt Demokratie und Rechtsstaat Terror und Despotie brachte.



Die Unabhängigkeitserklärung war ein in seiner Klarheit, in der historischen Bedeutung unerreichter Höhepunkt der politischen Philosophie des Liberalismus, in Realität umgesetzt. Aber die noch viel wirkmächtigere Leistung kam erst rund ein Jahrzehnt später: Die Amerikanische Verfassung, die im Sommer 1787 in Philadelphia beraten und verabschiedet wurde.

Das für den unglaublichen, den einmaligen Erfolg des amerikanischen politischen Systems maßgebliche Datum war nicht der 4. Juli 1776, sondern der 17. September 1787, an dem diese Verfassung unterzeichnet wurde.

Sie war das Ergebnis monatelanger Diskussionen und, wie könnte es anders sein, ein Kompromiß. Zwei Männer haben sie aber in besonderem Maß geprägt: Alexander Hamilton und James Madison. Beide nicht nur Politiker, sondern philosophisch gebildet. Damals so sehr einer Meinung, daß es immer noch philologischen Streit darüber gibt, wer welchen Artikel geschrieben hat. Später standen sie politisch auf verschiedenen Seiten.

Nach der Verabschiedung der Verfassung und bis ins Jahr 1788 hinein publizierten die beiden mit einem weiteren, aber nur am Rand beteiligten Autor die berühmten "Federalist Papers", eine Serie von 85 Artikeln in drei Zeitungen, deren unmittelbares Ziel es war, für die Ratifizierung der Verfassung in den einzelnen Staaten, vor allem in New York zu werben. ("To the people of New York" waren die Beiträge überschrieben).

Aber sie waren viel mehr, diese "Federalist Papers". Eine eingehende Diskussion nämlich der Prinzipien der Verfassung vor dem Hintergrund der politischen Theorie, bis zurück zu Platon und Aristoteles. Vor allem aber waren sie eine Grundlegung, eine ausführliche Rechtfertigung und Begründung des politischen Liberalismus.

Sie sind auch heute noch eine wunderbare Lektüre für jeden Liberalen (und vielleicht nicht nur für Liberale), diese Artikel, die man hier lesen und über die man sich hier informieren kann. Lesenswert übrigens auch im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über das, was eigentlich eine europäische Verfassung hatte werden sollen.

Ein ausgezeichnetes Buch zum Thema ist Dietmar Herz, Die wohlerwogene Republik. Das konstitutionelle Denken des politisch-philosophischen Liberalismus. Paderborn etc.: Ferdinand Schöningh, 1999.

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