7. Juli 2007

Das Berliner Stadtschloß. Nebst Anmerkungen zur Ästhetik im Sozialismus

Was ist das allgemeinste Kennzeichen des Sozialismus?

Häßlichkeit.

Überall dort, wo der Sozialismus herrscht, ist alles häßlich. So einfach ist das.

Ich habe das das erste Mal gemerkt, als ich Mitte der sechziger Jahre in Moskau war.

Diese fürchterliche Architektur!

Diese riesigen, leeren Straßen, offenbar hauptsächlich dafür gebaut, daß die Herrschenden sie in ihren ZILs entlangbrausen konnten.

Alles war häßlich, was die Kommunisten gebaut hatten. Diese unsäglich pompöse U-Bahn; die Nazis haben so etwas Monströses nicht fertiggebracht.

Die Lomonossow- Universität, in deren Studenten- Wohnheim wir logierten, mit ihren bedrückenden Gängen, mit den winzigen Zimmern, Gefängniszellen gleichend.

Alles kalt, leer, abstoßend. Belebt nur durch die netten Frauen, die auf jeder Etage auf ihren Stühlchen saßen und nichts zu tun hatten, außer vermutlich alles überwachen.

Selbst das Kaufhaus GUM, das uns damals als Errungenschaft vorgeführt wurde, war entsetzlich.

Ein Kaufhaus, in dem man zum Beispiel eine Wurst- und Fleischtheke fand, die schlicht leer war, bis auf eine schaukelnde Galerie immer derselben Würste. (Ich habe eine gekauft, sie war ungenießbar).



Denselben Eindruck hatte ich, als ich das erste Mal in Ostberlin war.

Man mußte durch den Bahnhof Friedrichstraße hindurch, das heißt seine Unterwelt.

Gekachelte, von Lampen schwach erleuchtete Gänge, in denen die Schritte hallten.

Dann Schlangen vor einem Schalter. Die Atmosphäre wie unter den Nazis, ich habe daran vage Kindheits- Erinnerungen.

Staatsmacht, die sich produzierte.

Ich glaube inzwischen, daß die Häßlichkeit gezielt war. Sie signalisierte ja: Wir können, wie wir wollen. Was ihr fühlt, was ihr empfindet, das ist uns wurscht. Wir haben die Machtfrage zu unseren Gunsten entschieden.



Einmal wurde - ich habe daran eine lebhafte Erinnerung - an diesem Schalter in der Katakombe des Bahnhofs Friedrichstraße einer, der ein paar Positionen vor uns war, zurückgewiesen. Er durfte also nicht "in die DDR einreisen".

Einer der Wartenden beanstandete das. Daraufhin der Wachhabende, der genauso aussah, wie ein Nazi- Offizier immer aussieht: "Der Mann hat eben beschlossen, nicht einzureisen. Wollen Sie das bezweifeln?"

Nein, das wollte niemand, der dieser häßlichen, dieser abstoßenden Staatsmacht ausgeliefert war. Man kuschte also. Man wollte ja nicht auch selbst zurückgewiesen werden.

Meine Frau hat einmal, als sie am Übergang Heinrich- Heine- Straße eintragen sollte, was wir im Auto alles dabeihatten, "Nüsse" geschrieben. Und in die Spalte "Anzahl" hat sie "87" geschrieben, oder sowas.

Das ist uns nicht gut bekommen.



Sozialismus ist häßlich. Er kann vermutlich nicht anders. Alles, was in Prag, in Budapest, in Riga Schönes existiert, stammt aus der Zeit vor dem Sozialismus oder danach.

Wenn man den Bahnhof Friedrichstraße hinter sich hatte, dann konnte man eine breite, leere Straße entlanggehen, mit Bauten im - so hieß das damals - "Zuckerbäckerstil". Die Stalin- Allee also, die dann später umbenannt wurde.

Ich bin sie entlang gegangen. Schaufenster, in denen das ausgestellt war, was niemand sich kaufen konnte. Also leere Geschäfte, eine gespenstisch leere Straße. Der Sozialismus, wie er leibte und lebte.

Davon ist nicht viel geblieben. Heute ist es eine Freude, durch die Friedrichstraße zu gehen. Der Sozialismus ist glücklicherweise vorbei, hoffentlich für immer.



Aber es gibt ein Thema, das meines Erachtens zentral dafür ist, daß der Sozialismus wirklich in den Orkus der Geschichte verfrachtet wird, in den er gehört wie der Nazismus: Der "Palast der Republik".

Das Berliner Schloß also. Von den Kommunisten 1950 gesprengt. Und dann haben sie dorthin ihren "Palast der Republik" gestellt.

Als nach der Wiedervereinigung darüber diskutiert wurde, was nun mit diesem Bauwerk werden soll, war ich unentschieden. Es wurde immer wieder gesagt, viele DDR- Bürger würden damit positive Erinnerungen verbinden - an einen "Besuch in der Hauptstadt", vielleicht gar eine Familienfeier.

Es leuchtete mir ein, daß man ihnen das nicht nehmen sollte. Daß es ihnen wie ein Akt von Besatzern vorkommen würde, wenn man diesen Bau beseitigte.



Bis ich ihn gesehen habe, diesen Palast. Egal, wo man sich im Zentrum von Berlin befindet - immer sieht man dieses Monstrum. Es verschandelt die wunderbare Architektur von Schlüter. Es verbaut den Blick von der Museumsinsel.

Es ist gebaut ohne den geringsten Versuch, es einzufügen in die umgebende Stadt- Architektur. Es ist eindeutig als eine Herausforderung gebaut: Wir haben die Macht! Wir brauchen uns nicht um das zu kümmern, was vor uns, den Kommunisten, gewesen ist.

Dieses Bauwerk - ich habe es mir ziemlich eingehend angeguckt - ist dermaßen häßlich, daß man es nur als ein übriggebliebenes Symbol der Häßlichkeit, der Inhumanität des Sozialismus sehen kann.

Diese Unterdrücker, diese Inhumanen, die sich auf den Humanismus beriefen, haben sich da selbst ein ihnen sehr adäquates Denkmal gesetzt.

Also weg damit! Endlich scheint der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gesichert zu sein.

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