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17. Mai 2009

Marginalie: Das "Prinzip Gier"? Stammtischgerede! Über die Ursachen des Anstiegs von Managergehältern

"DAS PRINZIP GIER" prangt auf dem Titel des "Spiegel" der zu Ende gehenden Woche; das Wort "Gier" natürlich in goldenen Lettern, damit wir die richtigen Assoziationen kriegen.

Daß der ständige Anstieg der Manager- Gehälter an der Gier der Manager liege, gilt sozusagen als Bestandteil des Allgemeinwissens. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, von wo dieses Wort, das es auch mal zu Unwort des Jahres bringen sollte, zu uns geschwappt ist ("Greed").

Nur, wie das mit solchen "Erklärungen" auf Stammtisch- Niveau zu sein pflegt - stimmen tun sie selten.

Was es mit dem Anstieg der Vorstandsbezüge tatsächlich auf sich hat, das analysierte vergangene Woche im Internet- Magazin Slate Ray Fisman, Professor für Unternehmensführung an der Columbia University und Mitautor eines Buchs über Korruption in der Wirtschaft. Gestützt auf empirische Untersuchungen kommt er zu einem ernüchternden Ergebnis.



Die Gehälter von Mitarbeitern werden vom Vorstand eines Unternehmens ausgehandelt. Wie aber werden eigentlich die Bezüge des Vorstands selbst festgesetzt? In den USA geht das so:

Der Aufsichtsrat hat dafür einen Ausschuß (compensation committee), der die Gehaltsverhandlungen führt. Woran orientiert er sich? Er versucht sich natürlich ein Bild von der Leistung des jeweiligen Vorstandsmitglieds zu machen, um zu entscheiden, wieviel er dem Unternehmen wert ist; ob es also im Interesse des Unternehmens liegt, auf seine Gehaltsforderungen einzugehen, um ihn zu halten. Wenn ja, in welchem Umfang.

Will man ihn halten, dann muß man in der Regel mehr zahlen, als die Konkurrenz- Unternehmen einem vergleichbaren Vorständler zahlen. Woher weiß man das aber? Dafür stellt das compensation committee Gehaltslisten mit den Bezügen von Managern anderer Firmen (peer lists) zusammen. (In den USA müssen, wie inzwischen teilweise auch in Deutschland, die Bezüge der Vorstandsmitglieder offengelegt werden).

Kritisch ist nun die Zusammensetzung dieser Listen. Das compensation committee folgt dabei seinem Ermessen; es soll Leute finden, die mit der Position, um die es geht, vergleichbar sind (also vergleichbare Aufgaben, Berufserfahrung, Ausbildung usw. haben). Wie verfährt es dabei? Eine umfangreiche empirische Untersuchung, die Fisman zitiert, hat folgendes ergeben:
  • Insgesamt sind diese Listen fair; d.h. es werden Manager vergleichbar großer, vergleichbar profitabler Firmen auf sie gesetzt.

  • Es gibt aber eine Tendenz, weniger erfolgreiche und damit auch schlechter bezahlte Manager nicht auf eine solche Liste zu setzen. Fisman sieht dafür zwei Gründe: Zum einen geht das compensation committee davon aus, daß man selbst gute Leute hat. Und zweitens sind die Mitglieder des compensation committee an einem positiven Verhältnis zum Vorstand interessiert und setzen schon deshalb gute Leute auf die peer lists.

  • Nach dieser Untersuchung wird nun dem Vorstandsmitglied, um dessen Bezüge es geht, ein Angebot gemacht, das ein Anreiz sein soll, die Firma nicht zu verlassen. Dazu werden insbesondere die Gehaltserhöhungen der vergleichbaren Manager anderer Firmen herangezogen; und auf diese wird im Schnitt 50 Prozent aufgeschlagen.

  • Damit ist bereits ein Anstieg der Bezüge vorprogrammiert. Entscheidend ist aber nun der Rückkopplungseffekt über die Jahre: Die Erhöhung der Vergütung für den Direktor in der Firma X kommt ja wieder auf die Liste, mit der das compensation committee in der Firma Y arbeitet, und so fort. Das System tendiert also zwangsläufig zu einem exponentiellen Wachstum der Bezüge.
  • Nicht wahr, das klingt plausibel? Aber irgendwie auch enttäuschend gegenüber dem schönen Gedanken, daß da lauter Gierige sitzen, die den Hals nicht voll genug kriegen können. Fisman bezweifelt denn auch, daß diese wissenschaftliche Analyse die Medien beeindrucken wird:
    This explanation for runaway salaries in the corner office isn't going to sell a lot of papers—there aren't any insidious backroom conspiracies to spin into a story of intrigue. Yet for the very same reasons, it comes across as a more likely account for the rise in CEO pay—compensation committee members are normal people, not conscienceless scoundrels, who are for the most part doing their best to attract and retain leaders.

    Diese Erklärung für ausufernde Gehälter in den Vorstandsetagen wird nicht viele Zeitungs- Exemplare verkaufen - es fehlt an heimtückischen Verschwörungen in Hinterzimmern, aus denen sich eine Intrigengeschichte aufbauschen läßt. Aber gerade deswegen ist sie eine plausiblere Interpretation für den Anstieg der Bezahlung von Vorstandsmitgliedern - die Mitglieder der compensation committees sind normale Menschen, keine gewissenlosen Schurken. In der Regel tun sie ihr Bestes, um Führungspersonal zu gewinnen und zu halten.
    Kommentar: Warum war das Phänomen der steigenden Bezüge früher nicht in dem jetzigen Ausmaß zu beobachten? Entscheidend könnte der Zwang zur Offenlegung der Managerbezüge sein. Erst seither können peer lists erstellt werden. Und erst seither ist es für einen Manager eine Frage seines Ansehens, wieviel er verdient.

    In einem Beruf, der geprägt ist durch die ständige härteste Auseinandersetzung mit Konkurrenten, ist das eigentlich Belohnende nicht Geld, sondern Ansehen und Macht. Das Machtmotiv, das Emporsteigen in der Rangordnung, dürfte für einen Manager in der Regel viel wichtiger sein als das Motiv, Geld zu scheffeln. Seit der Pflicht zur Offenlegung der Bezüge drücken sich Ansehen, Rang, Macht aber in der Höhe der Bezüge aus.



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    10. Oktober 2008

    Zitat des Tages: "Exzesse gab es schon, bevor es die Wall Street gab"

    John McCain and Barack Obama talk as if it was all down to the greed of modern bankers. But financial excesses existed centuries before a brick had been laid on Wall Street.

    ... today’s bust — and the bubble that preceded it — had several causes besides dodgy lending, including a tide of cheap money from emerging economies, outdated regulation, government distortions and poor supervision.


    (John McCain und Barack Obama reden so, als läge alles an der Gier der heutigen Banker. Finanzielle Exzesse gab es allerdings schon Jahrhunderte bevor in der Wall Street ein einziger Stein vermauert wurde.

    ... die heutige Krise - und die Blase, die ihr vorausging - hatten eine Reihe von Ursachen, neben der Vergabe fragwürdiger Kredite. Dazu gehört eine Flut billigen Gelds aus den aufstrebenden Volkswirtschaften, eine überholte Regulierung, staatliche Verzerrungen und schlechte Überwachung.)

    Der Economist im Leitartikel seiner aktuellen Ausgabe über die Finanzkrise.

    Kommentar: In "The Outside of the Asylum" hat Califax trefflich beschrieben, wie alle jene, die von Volkswirtschaft so viel verstehen wie ich - also wenig oder nichts - gleichwohl fest davon überzeugt sind, sie wüßten, wie das alles gekommen ist:
    Es geht fröhlich hin und her, wobei streng auf die Einhaltung der ideologischen Grenzen geachtet wird. Die Gier ist schuld, der Staat ist schuld, zuviel Regulierung hat die Krise verursacht, zuwenig Regulierung hat sie ermöglicht, bla, bla, bla…
    Bei diesem Blabla hat im Augenblick die Juso- Vorsitzende Franziska Drohsel den Vogel abgeschossen, die in einem heute in der FAZ veröffentlichten Interview sagte:
    Die Finanzkrise bestätigt uns darin, dass unsere Kritik am Kapitalismus richtig war und ist. Man kann sagen: Dieses System fährt vor die Wand. Das sieht man jetzt sehr deutlich. (...) Oskar Lafontaine war nicht der einzige Linke, der vor den Auswüchsen des ungebändigten Kapitalismus gewarnt hat. ... All diejenigen, die das getan haben, können sich heute bestätigt fühlen. Vergangenen Sommer mussten diese sich noch in Heiligendamm von Wasserwerfern wegräumen lassen.
    Nun sind damals ja die Demonstranten nicht von Wasserwerfern weggeräumt worden, weil sie vor Auswüchsen des ungebändigten Kapitalismus gewarnt haben, sondern weil sie auf eine ungebändigte Art, weil sie in Gestalt von Auswüchsen gegen den Kapitalismus demonstriert haben.

    Aber ob nun zu wenig Bändigung oder vielleicht doch gerade zu viel Bändigung: Wie immer das Geflecht von Ursachen beschaffen ist, das die jetzige schwere Krise bewirkt hat - vorerst geht es darum, sie in den Griff zu bekommen.

    Der Leitartikel des Economist hält dafür Maßnahmen mit drei Zielrichtungen für erforderlich:

    Erstens den blockierten Kreditmarkt wieder flottbekommen, indem die Zentralbanken vorübergehend den kurzfristigen Bedarf an Bargeld befriedigen.

    Zweitens die Banken mit Liquidität versorgen, damit sie nicht arbeitsunfähig werden.

    Drittens muß die Auswirkung der Krise auf die Realwirtschaft gedämpft werden, die in eine Deflationskrise zu geraten droht. Ein Mittel zur Gegensteuerung sind die jetzt beschlossenen Senkungen der Zinssätze.

    Wenn man diesen Zielen näherkommt - und weltweit arbeiten die Regierungen ja daran -, dann, so die Autoren des Leitartikels, wird es immer noch schwer genug werden, aber es besteht Aussicht auf Erfolg:
    Even in the best of circumstances, the consequences of the biggest asset and credit bubble in history will linger. But if the panic is stemmed, it could be a manageable problem, cushioned by the economic strength in the emerging world.

    Selbst unter günstigsten Umständen werden die Folgen der größten Anlagen- und Kreditblase in der Geschichte fortdauern. Aber wenn die Panik eingedämmt werden kann, dann könnte es ein beherrschbares Problem sein, abgefedert durch die ökonomische Stärke in der aufstrebenden Welt.


    Wer verstehen will, wo eigentlich die 700 Milliarden geblieben sind, die jetzt den US-Banken fehlen, dem empfehle ich in "Zettels kleinem Zimmer" diesen Thread, in dem Kundige diese Frage diskutieren.

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