9. Oktober 2021

Netzfund. Ein Blick in die Zukunft im Zeichen der Corona-Diktatur – am Beispiel Litauen





(Ich habe geschwankt, ob ich diesen Beitrag als „Netzfund“ deklarieren sollte, da er über den Rahmen der dort üblichen kurzen Wortmeldungen, Bilder und kurzen Medienmeldungen hinausgeht – oder als „Gastbeitrag.“ Ich habe mich dann gegen die zweite Wahl entschieden, weil dies kein ein für ein solches Netztagebuch wie dieses verfaßter Beitrag ist, sondern nur eine Reihe von Impressionen, die vorgestern auf dem Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Nutzenamen "Gluboco Liiuteva" (offenkundig legt der User Wert auf seine Anonymität) gepostet worden sind. „Netzfunde“ sind gewöhnlich solche, denen der Weiterverbreiter zu größerer Aufmerksamkeit verhelfen möchte und die bezeichnend für die Gegenwart sind. Da es sich bei Twitter um ein öffentliches, von jedermann einsehbares Medium handelt, gehe ich davon aus, daß diese Weitergabe auch im Sinn des Verfassers ist.

Mein Beitrag beschränkt sich lediglich darauf, den auf Englisch verfaßten Kurzmeldungen eine deutsche Übersetzung voranzustellen und auf meine abschließende Anmerkung. Die im Strang zitierten Regierungsanordnungen und der Leitartikel am Schluß finden sich in dort mit einem Link auf das jeweilige litauisch-sprachige Original. U.E.)

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Gluboco Liiuteva @gluboco
5:23 PM – 7. Oktober 2021

1/ Ohne einen COVID-Paß sind meine Frau und ich aus der Gesellschaft ausgestoßen worden.
Wir haben kein Einkommen mehr. Wir dürfen das meiste nicht mehr einkaufen. Wir können uns kaum am Leben erhalten.

Aber wir werden den Autoritarismus nicht hinnehmen.

So sieht das Leben nach einem Monat in Litauen unter der ersten flächendeckenden Verpflichtung zum Führen eines COVID-Impfnachweises in Europa aus.

2/ Meine Frau und ich sind seit vier Wochen ohne Arbeit, ohne Lohnfortzahlung.

Wir dürfen nicht an unsere Arbeitsplätze zurückkehren.

Ich weiß auch nicht, ob unsere Arbeitsgeber uns das erlauben würden.

Selbst wenn sie es würden, würden uns unsere Arbeitskollegen meiden und uns in den sozialen Medien den Tod wünschen. Das läßt sich nie mehr rückgängig machen. Wir können hier nicht mehr arbeiten.

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3/ Wir können keine neuen Arbeitsplätze finden, um in unseren Berufen zu arbeiten.

Meine Frau und ich arbeiten in unterschiedlichen Berufen, auf ganz verschiedenen Berufsfelder. Aber für alle Stellen dafür wird ein Impfnachweis verlangt.

Kein Nachweis, keine Stelle.

4/ Uns ist nicht erlaubt, uns im hiesigen Supermarkt Lebensmittel zu kaufen.

Wir dürfen nur in kleinen Einzelhandelsgeschäften in Ladenlokalen einkaufen, die hauptsächlich Lebensmittel, Medikamente, Brillen oder Landwirtsschafts- und Haustierbedarf verkaufen.

In unserem Wohnumfeld bleibt und nur noch ein kleiner Gemischtwarenladen, der hohe Preise verlangt.

5/ Der Impfpaß hat verheerende Auswirkungen auf die freie Marktwirtschaft gehabt.

Supermärkte, die den Paß verlangen, berichten von Umsatzeinbußen von 25 Prozent, seit der Paß vor einem Monat eingeführt wurde.

Aber im Einzelhandel, wo der Paß nicht vorgeschrieben ist, ist der Umsatz nur um 0,7 Prozent gestiegen.

Wo sind die Kunden geblieben?

6/ Wir kaufen unsere Lebensmittel jetzt auf Märkten wie damals in der Sowjetzeit: im Freien, auf Parkplätzen, an Ständen im Straßenbild, oder vom Kofferraum aus. Landwirtschaftliche Produkte, Eier, Käse, Fleisch, Fisch. Nur gegen Bargeld. Ohne Paß.

Nicht so einfach wie in einem Supermarkt. Aber zurzeit funktioniert es. Das Leben geht weiter.

7/ Bei uns im Haus sind einige Reparaturen fällig. Aber ohne Paß werde ich in keinen Baumarkt eingelassen, um die nötigen Teile zu besorgen.

Ich kann keinen Handwerker bestellen, weil sie keine Reparaturen aus Personen ohne Impfpaß ausführen dürfen. Und ich habe jetzt kein Einkommen mehr, mit dem ich Hilfe von außen bezahlen könnte.

Also unterbleiben die Reparaturen.

8/ Wir haben den Zahnarzt, der uns seit Jahren betreut, aufgesucht, um einen Behandlungstermin für eins meiner Kinder wahrzunehmen, aber wir wurden abgewiesen, weil ich keinen COVID-Paß habe.

Kein anderer Zahnarzt in unserer Gegend gibt uns einen Termin. Es soll Zahnärzte geben, die auch Patienten ohne Impfpaß behandeln, aber nicht in unserer Nähe. Somit gibt keine Zahnärzte mehr für uns.

9/ Ich habe versucht, für unsere Kinder Farben und Zeichenmaterial zu besorgen. Ohne Paß ist kein solcher Einkauf erlaubt.

Wir haben versucht, in einer Spielzeughandlung Lehrspielzeug für unsere Kinder zu kaufen. Man hat uns nicht eingelassen.

Wir können keinen Küchenbedarf mehr kaufen. Banal, aber frustrierend.

10/ Wir wollten ein paar Seiten in einem Kopierladen ausdrucken lassen. Das Personal hat sich geweigert, uns ohne Paß zu bedienen.

Wir können nicht mehr in die Stadtbücherei, um mit unseren Kindern in Büchern zu stöbern. Das war einmal eins der schönsten Familienerlebnisse. Aber für uns ist das jetzt verboten, weil wir keinen COVID-Impfnachweis besitzen.

11/ Unsere Kinder sind aus der Winterkleidung vom letzten Jahr herausgewachsen oder sie sind zerschlissen.

Wir wollten neue kaufen. Aber ohne Nachweis haben uns viele Läden abgewiesen.

Am Schluß hat ein Geschäftsführer in einem Zweithand-Laden nachgegeben, als ihn meine schwangere Frau mit Tränen in den Augen darum angefleht hat: „Aber nur dieses eine Mal, verstanden? Ein zweites Mal kommen Sie hier nicht herein.“

12/ Der Druck, nachzugeben, ist allgegenwärtig.

Und er ist überwältigend. Unsere Überlebensfähigkeit ist vernichtet worden.

Aber egal, was man uns auferlegt und was wir durchmachen müssen – wir werden niemals den Abstieg in den In den autoritären Zwang, den der COVID-Paß darstellt, hinnehmen.

13/ QR-Codes, um Läden betreten zu können?

COVID-Paß, um arbeiten zu dürfen?

Kauf von Essen, Spielzeug, Kleidung nur mit Erlaubnis der Regierung?

Nein. Nein. Nein.

Die Maßnahmen zur Spaltung durch die Regierung, durch Kontrolle – durch Ausschluß aus der Gesellschaft bei unerwünschtem Verhalten - das ist der Weg in die Tyrannei.

14/ Als die COVID-Impfungen anfingen, war das oberste Ziel: Aufklärung, Vertrauen, und Zustimmung nach erfolgter Information für bestimmte Gruppen.

Im Verlauf des Jahres 2021 hat sich das geändert: Wahl und Vertrauen sind durch Zwang und Bestrafung ersetzt worden.

Ihr habt das Vertrauen in den öffentlichen Gesundheitssektor auf Generationen hinaus zerstört.

(Unter diesem Tweet sind – wie erwähnt, mit Link zum Original – zwei öffentliche Erklärungen von Ingrida Šimonytė eingebettet, seit Dezember 2020 Miinsterpräsidentin Litauens.)

15. Dezember 2020: "Wir betonen, daß die Impfung auf freiwilliger Basis erfolgt ... Wir sollten und die Zeit und die Mühe nehmen, um uns mit denen zu verständigen, die noch zögern und auf ihre Meinung hören."


21. September 2021: "Wenn wir die Menschen nicht dazu überreden, sie überzeuge oder sie auf irgendeine Weise dazu bringen können, sich aus eigenem Antrieb zu schützen, dann bleibt uns nur, ihnen das als Zwang aufzuerlegen."


15/ Erlaubnis der Regierung, um innerhalb der Gesellschaft zu existieren. Der Ausschluß erfolgt nach willkürlich festgelegten Regeln. Jede Bewegung wird aufgezeichnet.

Es geht nicht um Gesundheit; es geht um Macht und Kontrolle.

(Darunter finden sich zwei öffentliche Statements des Gesundheitsministers Litauens, gleichfalls mit Link auf das Original.)

Gesundheitsminister Litauens, 23. Oktober 2021: "Wie wir wiederholt gesagt haben, wird die Impfung gegen das Coronavirus freiwillig sein."


Gesundheitsminister Litauens, 4. August 2021: "Wir haben uns dazu entschieden, den Handlungsspielraum von Personen einzuschränken, die keinen Covid-Impfnachweis besitzen. Die Verordnung umfaßt Einiges ... Ohne Impfpaß wird es nicht mehr erlaubt sein, Geschäfte zu betreten, die nicht Lebenssmittel, Veterinärprodukte, Tiernahrung, Medikamente oder Brillen verkaufen. Es wird für sie keine Theater- oder Kinobesuche mehr geben. Ohne Paß gibt es keine kosmetischen Dienste mehr. Kein Zugang zu ärztlichen Diensten aus eigener Sache. Ohne Paß gibt es keinen Zugang zum öffentlichen Nahverkehr.

Handwerksreparaturen sind nicht mehr erlaubt, wenn sie mehr als 15 Minuten in Anspruch nehmen. Es wird nicht mehr möglich sein, ohne Pass an öffentlichen Veranstltungen teilzunehmen oder sie zu organisieren...

Sie möchten einen Arzt aufsuchen? Sie wollen ihre Nächsten besuchen? Haben Sie einen Covid-Paß? Nein? In den Fall dürfen Sie es nicht.

Dieser neue Kontroll-Autoritarismus kann nur wachsen, und immer mehr Verhalten zu verbieten, wenn die Verwaltung ihre Macht ausweitet."


16/ Wie so oft in der Geschichte ist unser Abgleiten in Richtung totalitärer Kontrolle im Jahr 2021 – in Europa und auf der ganzen Welt – von Haß und dem Ausschluß „Anderer“ angetrieben worden – und hat das wiederum befeuert – die von Regierung und Medien gefördert worden sind.

Und das zerreißt unsere Gesellschaft.

17/ Absonderung. Für Krankheiten verantwortlich erklärt zu werden. Der Vorwurf, ein Landesverräter wie im Krieg zu sein. Aufstachelung. Verfolgung.

Das sind keine Sätze aus einem Geschichtsbuch. Das ist Alltagsleben für meine Familie, im Jahr 2021.

Unsere Menschlichkeit ist ausgelöscht worden.

Das ist falsch.

So falsch, so absolut falsch.

(Darunter findet sich ein Facebook-Post vom 10. August 2021 von Andrius Kubilius. „Er war von 1999 bis zum Jahr 2000 und erneut von 2008 bis 2012 Premierminister von Litauen. Zurzeit ist er Abgeordneter des Europaparlaments.“)

"Es würde sich lohnen, jedem, der gegen die Impfung ist, gegen den "Gehorsamkeits-Pass," gegen die "Quarantäne der Ungeimpften", jeden Tag eine Rechnung zu präsentieren. Oder zumindest eine moralische Abrechnung. Für jeden Einzelnen, der an der Pandemie gestorben ist:

Wenn ihr euch nicht impfen laßt, grabt schon mal euer eigenes Grab.

Aber ihr habt kein Recht, andere ins Grab zu bringen"
.

18/ Der Winter bei uns ist lang, kalt und dunkel. Unsere Ersparnisse reichen nicht bis zum nächsten Frühjahr.

Aber trotz der Härten sind wir zu dem Schluß gekommen, daß der Widerstand moralisch geboten ist. Wir möchten, daß unsere Kinder eines Tages stolz auf uns empfinden, keine Verachtung.

Die Freiheit ist zerbrechlich, und wir müssen sie verteidigen. Wenn wir es nicht tun, wer dann?

19/ Ihr habt uns schon so viel Entbehrung aufgebürdet. Ihr habt vor, das im kommenden Winter noch zu verstärken.

Aber eins müßt ihr wissen:

Wir werden niemals den Zwang eures COVID-Passes hinnehmen.

Wir werden niemals die Kontrolle, die Absonderung und den Haß hinnehmen.

Wir werden niemals dieses Abgleiten in die Tyrannei hinnehmen.

20/ Wir nehmen euch nicht die Möglichkeit, euch euren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber ihr nehmt sie uns.

Wir verbieten euch nicht, Nahrung und Kleidung zu kaufen, aber ihr verbietet es uns.

Wir hassen euch nicht. Aber ihr haßt uns.

Wir verbannen euch nicht, aber ihr verbannt uns.

Wir wünschen euch nicht den Tod, aber ihr wünscht ihn uns.

Unter diesem Tweet Nr. 20 ist die englische Übersetzung eines Zitats aus einem Leitartikel mit dem Link zum litauischen Original eingebettet.

„Leitartikel von Aranas Valinskas, von 17. September 2021, aus „15min.lt,“ eine litauischen Nachrichtenseite. Der Verfasser hat vier Jahre als Abgeordneter im Parlament gesessen, davon ein Jahr als Parlamentssprecher. Heute hat er eine Fernsehsendung und ist ein in der Öffentlichkeit bekannter Intellektueller.“

„Wir befinden uns in einem totalen Krieg mit einem Feind, der uns überrannt hat. Der Feind ist unsichtbar, aber deshalb ist er umso gefährlicher. Und in dieser Lage gibt es Menschen, die mit Vorsatz mit diesem Feind zusammenarbeiten, und die entsprechend behandelt werden müssen.

„In Kriegszeiten wurden solche Leute erschossen.

„Ich hoffe, daß es nicht nötig sein wird, die Impfgegner zu erschießen, weil sie vorher von selbst sterben werden.“


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Gerade deutschen Lesern muß nicht erst erklärt werden, an welche Zustände aus der dunkelsten Zeit dieses Landes die in diesem Tweet-Strang geschilderten Verhältnisse erinnern. Man könnte einwerfen, daß es sich hier um Übertreibung, Hysterie, Selbstdarstellungssucht handelt – und in den Reaktionen auf Twitter unter dieser Serie finden sich auf etliche, die in diese Richtung zielen, nicht wenige mit dem Inhalt: „In Notzeiten muß eben das Gemeinwohl mehr zählen als der Egoismus Einzelner.“ Aber angesichts der Einschränkungen, des fast totalen Ausschlusses nicht nur vom gesellschaftlichen Leben, sondern von allem Einkommen, von der Möglichkeit, elementare Bedürfnisse zu befriedigen, weniger zu sein als ein Pariah im Kastensystem Indiens, ist es angezeigt, wenn hier alle Alarmsignale aufleuchten. Daß hier, im Europa des 21. Jahrhunderts, nach den Erfahrungen mit den beiden totalitären Weltordnungen, deren Natur solche Ausgrenzung und Existenzvernichtung war, nach nur einem Monat nach der Einführung solcher Maßnahmen ein derartiger Dammbruch möglich ist.

Und das ist das wirklich Erschreckende daran: daß dergleichen in einem der baltischen Staaten vorfällt, in denen die Erinnerung daran noch lebendig sein sollte, wo die Führungsschicht nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zur grausamsten Zeit der Sowjetdiktatur, zu Hundertausenden in die Lager Sibiriens verschleppt wurde, um dort den Tod zu finden. Wenn dort ein öffentlicher Wortführer meint, Impfgegner zu Landesverrätern zu erklären, die man damals kurzerhand erschossen hätte, dann kann man ermessen, wie dünn die Tünche der Zivilisation ist – und wie wenig Geschichtsaufklärung über Vergangenes und die Memorialkultur mit ihrer rituellen Beschwörung dazu beitragen, einen Rückfall in die Muster, die das damals ermöglicht haben, zu verhindern – nämlich nichts.

Das ist eine bittere Lehre – aber die bekannten Experimente von Milgram oder das Gefangenen-Experiment von Stanford haben schon vor einem halben Jahrhundert nahegelegt, daß solche Verhaltensmuster in der Gruppe ganz tief in der menschlichen Natur angelegt sind.

Es ist auch nicht zu übersehen, daß auch bei uns die Kurve von „Schutz der Risikogruppen“ und „Erreichen einer Herdenimmunität von zwei Dritteln“ auf die Ausgrenzung von Impfgegnern als „Sozialschädlinge“ in vollem Gang ist. Die Rhetorik so mancher unserer Politiker und die Tatsache, daß die in Aussicht gestellten Aufhebungen der Maßnahmen nach dem Erreichen immer wieder geänderter Werte und Richtmaße mittlerweile völlig vom Tisch zu sein scheinen, gibt mir wenig Hoffnung, uns könnte der Rückfall in solche Zustände erspart bleiben.

Zu den Relationen: Litauen hat bis heute, bei einer Gesamtbevölkerung von 2,7 Millionen, insgesamt 350,000 Coronafälle registriert; davon sind 5209 an der Krankheit gestorben. Zurzeit sind 28.200 Personen als „positiv getestet“ gemeldet und in Quarantäne; 206 Personen befinden sich in kritischem Zustand.

Coda:

Heute nachmittag hat der Verfasser folgendes zu seinem Strang hinzugefügt:

Aktualisierung:

Viele Menschen haben mir geschrieben und mir ihre Hilfe angeboten.

Ich bin von dieser Güte und Freigiebigkeit tief gerührt. Aber ich möchte kein Geld und keine Spenden, und ich werde sie niemals annehmen. Und ich möchte keine öffentliche Bekanntschaft und Lob.

Das Einzige, worum es mir geht, ist die Verbreitung meiner Botschaft: daß die Freiheit gegen die Tyrannei verteidigt werden muß.












































U.E.

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