5. November 2020

Pfeif auf deine Freiheit. Ein Gedankensplitter zum Lockdown.

Der Gedanke war mir schon früher gekommen (und dann wieder gegangen), aber erst unser geschätzter Zimmermann Gorgasal brachte mich auf eine genauere Version, als er bemerkte, dass unter den Kunden des von ihm frequentierten Fitness-Studios sich wohl auch vermehrt viele Lockdown-Gegner befinden würden. Dies kann ich, ausgehend von dem von mir frequentierten Studio, genauso wie auch von meinem Sportverein, genau so bestätigen. Die "Freunde des Lockdowns", die es ja laut Medien und einschlägigen Umfragen zu großen Teilen geben soll, sind dort eher nicht zu finden. Allerdings muss ich auch zugeben, ich kenne generell sehr wenige echte Lockdown-Freunde. Dies mag zu einem guten Teil daran liegen, dass mein Umfeld vielleicht doch zu den aktiveren zählen mag.

Dennoch: Die Beobachtung habe ich auch beim ersten Lockdown schon machen können. 


Unter den Eltern von Schülern und Kindergartenkindern habe ich niemanden gefunden, der es besonders dolle fand jetzt ein paar Wochen bis Monate Homeschooling betreiben zu dürfen. Wenn auch damals die Bereitschaft dazu sicher höher war, da die Verunsicherung eine andere gewesen ist. Heute ist sie jedenfalls nicht mehr da. 

Das Selbstständige, Kleingewerbler, Restaurantbetreiber und Kneipenwirte nicht gerade Freunde des Lockdowns sind, dürfte selbst Merkel bewusst sein (und das ist dieser Tage schon was besonderes).

Bleibt die Frage: Wer ist denn nun für den Lockdown? Wer sind die Heerscharen, die in Umfragen und Interviews gar nicht genug Lockdown haben können, die jede noch so absurde Maßnahme begrüssen, so lange sie von oben verkündet wird? Nun, man (zumindest ich) kommt zu der Vermutung: In erster Linie Leute, die es nicht betrifft. 

Zu Anfang des ersten fast weltweiten Lockdowns der westlichen Welt, kamen zunächst jede Menge Hollywood-Stars auf die Idee auf der Corona-Welle zu surfen und das zu tun, was sie am besten können: Virtue signaling betreiben. Viele konnten gar nicht schnell genug ihre Instagramm-Accounts mit Maskenbildern befüllen, twitterten um die Wette und betonten an jeder Stelle: "We are all in this together". Nur waren wir das nie. Ein einfacher Arbeiter in einer kleinen Wohnung mit seinen zwei Kindern, ist nicht im selben Boot wie ein Hollywood-Star in seinem 800 qm Anwesen samt zugehöriger Parkanlage und Swimmingpool. Es lässt sich leicht über Einschränkungen reden, wenn man diese selber am allerwenigsten spürt, bzw. gar nicht das Problem hat. Irgendwann haben es dann auch die Hollywood-Stars begriffen und seitdem liest man dergleichen weniger.

Das Prinzip ist universell: Lockdown ist vor allem dann gut, wenn er die anderen betrifft. Ein Fitness-Studio zu schliessen, macht demjenigen, der nicht trainieren geht, nichts aus. Ein Schwimmbad zu schliessen, ist kein Problem für einen Nichtschwimmer, bzw. für jemanden, der ohnehin vielleicht maximal dreimal im Jahr schwimmen geht. Die Schulen zu schliessen ist für Nichteltern nicht wirklich das Problem und eine Kneipe oder selbst eine Disco zu schliessen, ist ja nicht das Drama, wenn man selber das letzte mal vor 20 Jahren da war. 

Was sich dahinter am Ende verbirgt, habe ich in einem ganz anderen Kontext bereits 2013 in Zettels Raum beschrieben (einer meiner besseren Artikel). Es ist die Freiheit den anderen zu ertragen, nicht nur die eigene Freiheit zu verlangen sondern auch Rücksicht auf die Freiheit des anderen zu nehmen, selbst wenn man sie selber nicht wahrnimmt. Die Fähigkeit dazu ist extrem übersichtlich verteilt. Gerade in Deutschland. Man redet von denen, die jetzt "halt nicht mehr Party machen" können und zuckt mit den Achseln. Aber ist es zuviel verlangt an der Stelle mal darüber zu sinnieren, dass es Menschen gibt, deren zentraler Lebensinhalt um die jeweils 6 Stunden am Freitag-,bzw. Samstagsabend kreist, die eigentlich ihre Woche vor allem deshalb rumbringen, um zu diesen 6 Stunden zu kommen? 

Wer seinen Tag auf der Arbeit zubringt (oder vielleicht auch gar nicht arbeitet) und den darauf folgenden Abend am liebsten vor dem Fernseher oder dem Rechner verbringt, dem mag es nichts ausmachen, dass die "blöde Muckibude" zu ist. Diejenigen, die aber fünfmal die Woche trainieren gehen und nicht die Möglichkeit haben im Keller einen Fitnessraum einzurichten, sind dagegen ziemlich gekniffen. Wer gar einen Kampfsport betreibt ist oftmals darauf angewiesen mindestens dreimal die Woche zu trainieren und gerade bei Kontaktsportarten ist selbst ein im Keller eingerichteter Platz kaum geeignet. Wer seinen Gehaltsscheck am Ende jeden Monats vom Staat bekommt, dem macht es wenig aus, wenn die Wirtschaft schrumpft wie seit 100 Jahren nicht. Aber diejenigen, die darauf angewiesen sind, dass sie jeden Monat Aufträge bekommen, um irgendwie die Gehälter der kleinen Menge an Angestellten noch zu bezahlen, sehen das etwas anders. Oder ganz simpel: Wer einen großen Garten hat, am besten noch mit Klettergerüst, Gartenpavillion, Sauna und Pool, der wird im Frühjahr seine Kinder schon irgendwie beschäftigt bekommen haben, und dem hat es nicht viel ausgemacht, dass nicht einmal mehr Spielplätze betreten werden durften. Wer dagegen in einer kleinen Wohnung sitzt, wird das wohl anders sehen. 
 
Und deswegen ist es mir am Ende VÖLLIG SCHNURZ wie toll ein Drittel der Bevölkerung alle den Lockdown findet. Es rechtfertigt genau gar nichts. Es ist das Herabschauen auf die Freiheit des anderen, weil es einen selber nicht betrifft. Hinter diesem Argument verbirgt sich nichts weiter als der durch und durch totalitäre Gedanke, dass Mehrheiten Dinge legitimieren, bzw. rechtfertigen. Das tun sie in der Form aber nicht. Wenn wir morgen darüber abstimmen ließen Björn Höcke in ein tiefes Verlies bei Wasser und Brot zu sperren, einfach weil er einem nicht passt, dann mache ich die Wette, dass wir mindestens(!) ein Drittel der Bevölkerung dazu in Zustimmung bekommen. Vermutlich mehr. Aber das macht es nicht richtig.

Deutschland war mal stolz darauf, ein demokratischer und freiheitlicher Rechtsstaat zu sein. Wir entfernen uns davon mehr und mehr. Aber nicht nur deswegen, weil inzwischen der überwiegende Teil von Regierung und Parlament aus Leuten besteht, die den Rechtsstaat verachten, sondern auch deswegen weil wir selber immer weniger Wert darauf leben ein freiheitlicher Staat sein zu wollen. Ein Staat, in dem jeder nur für seine eigene Freiheit eintritt, ist nicht frei. Kann es nicht sein. Und DA kann sich wirklich mal jeder an die Nase fassen: Ich bin seit mindestens 10 Jahren nicht mehr in einer Disse gewesen. Und die letzte Party auf der ich war, ist vermutlich sogar noch länger her. Aber ich bin nicht der Meinung, dass wir Partys verbieten sollten, weil mich das nicht interessiert. 

Wir können über die Corona-Maßnahmen diskutieren. Und wir können zu dem Ergebnis kommen, dass diese oder jene Maßnahme aus sich selbst heraus notwendig ist. Ich bin beispielsweise kein Fan von den Gesichtstüchern, aber ich kann damit leben. Und wenn man feststellen würde, dass Fitness-Studios gewaltig Corona verbreiten, dann würde ich, schweren Herzens, auch damit umgehen wollen, dass die erst einmal schliessen müssen. Womit ich nicht leben möchte ist eine sich selber so nobel wähnende "Mehrheit" die alles schliessen will, was sie selber nicht braucht, nach dem Motto: "Sicher ist sicher und wo ist mein Problem damit?". Ich habe eine Problem damit. Und ich habe auch ein Problem mit Dingen, die mich selber nicht die Bohne interessieren.

Llarian

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