11. November 2013

Vom Aufstand der Alten. Ein Gedankensplitter zu Rente, Umverteilung und Demokratie.

Im Jahr 2007 lief im ZDF ein dreiteiliger Film mit dem Titel „Aufstand der Alten“, der Film wurde mehrfach ausgezeichnet. Unabhängig von der Handlung basiert er auf einem Szenario, dass dem geneigten ZDF Zuschauer offensichtlich gut zupass kommt: Im Jahr 2030 lebt ein Drittel aller Rentner unterhalb der Armutsgrenze, eine Vision, die offensichtlich viele Leute für realistisch halten. In dieselbe Kerbe schlagen mehrere Artikel, die ich in den letzten Wochen im Boulevard (Bild, Express) gesehen habe.  Tenor der Artikel: Immer mehr Rentner von Altersarmut bedroht! Einige hunderttausend sollen es sein, wobei die Zahlen unterschiedlich sind, das mag an den etwas absurden Definitionen von Armut in Deutschland liegen. Wie man aber es auch dreht und wendet, die Zahl bewegt sich so um die halbe Million. 

­Eine halbe Million klingt erst mal viel. Ist es aber unterm Strich nicht, wenn man bedenkt, dass es über 20 Millionen Rentner gibt. Wie oben bereits gesagt wird Armut oder Armutsgefährdung unterschiedlich definiert (inzwischen gibt es schon lächerliche Definitionen, die Armut ab 70% (!) des Durchschnittseinkommen definieren), jedoch geht man in Deutschland von ungefähr 10-15% relativer Armut aus, je nach Definition. Daraus ergibt sich etwas Erstaunliches: Wenn es eine Gruppe gibt, die gerade nicht armutsgefährdet ist, dann sind das Rentner. Erstaunlich erst einmal, oder ? Nein, eigentlich nicht. Wenn man drüber nachdenkt, dann ist es so erstaunlich überhaupt nicht. Zum einen haben Rentner vielfach ein Leben lang Zeit gehabt Ersparnisse wie Häuser und Eigentumswohnungen zu bilden, zum anderen sind ihre Ausgaben im Schnitt deutlich geringer als beispielsweise bei einer Familie mit kleinen Kindern. Anders als das Zerrbild des ZDF es gerne darstellen möchte ist der durchschnittliche (!) Rentner ganz gut aufgestellt, er ist nicht arm, auch nicht von Armut bedroht und die Lebensrisiken, die die arbeitende oder junge Bevölkerung so mitmacht, beispielsweise Arbeitslosigkeit, treffen für ihn nicht mehr zu. 

Warum schreibe ich dann diesen Artikel ? Weil das Pendel im tatsächlichen genau im Gegenteil dessen schwingt, was uns ZDF & Co. erzählen möchten. Tatsächlich ist die Rente in ihrer heutigen Form ein gigantischer Umverteilungsmechanismus von jung nach alt, er ist unausgewogen, unbegründet und basiert auf nicht eingehaltenen Versprechungen. Und das will ich allesamt begründen:
Fange ich mit der Ausgewogenheit an: Der „Norm-Mensch“ in unserer Gesellschaft arbeitet im Schnitt vielleicht 35-40 Jahre, wenn es hochkommt. Bei Akademikern ist es vielfach weniger, bei einigen Akademikern ist es deutlich weniger. In dieser Zeit bezahlt dieser Mensch 20 Prozent seines Einkommens als Rentenbeitrag. 20 Prozent (und das auch erst heute, früher war es weniger). Es ist einfach zu rechnen, dass in diesem Fall maximal 9-10 Jahresgehälter zusammenkommen, Inflation lassen wir mal außen vor. Wenn dieser "Norm- Mensch" aber nun mit 60-65 in Rente geht, dann bleibt ihm eine Lebenserwartung die deutlich über 10 Jahren liegt. Oops. Selbst bei einer stabilen Bevölkerung (dazu später mehr), kann das nicht funktionieren. Tut es auch heute schon nicht. Deswegen haben wir den Bundeszuschuss, wo Vater Staat nochmal 80 Milliarden hinterherwirft. Wohlgemerkt, ohne tiefere Begründung, das Geld fehlt schlicht, weil die Menschen meinen mit 60-65 nicht mehr arbeiten zu müssen. Und wo nimmt man das Geld her? Es wird gigantisch umverteilt. Und zwar von jung nach alt. Eine Ausgewogenheit ist hier nicht gegeben, hier wird ganz klar genommen, und zwar von denen, die - im Durchschnitt - weniger haben als denen, die bekommen.
Dann komme ich zur Begründung: Ich halte die Rente für unbegründet. Weil sie auf einem etwas überholten Konzept basiert, und das ist schlicht die Erbschuld. Vielfach wird die Rente damit begründet, dass der Rentner ja früher auch in die Rentenkasse eingezahlt habe. Stimmt. Nur muss man sehen, wo das Geld gelandet ist, es wurde nicht angespart, es wurde anderen, damaligen Rentnern, zur Verfügung gestellt. Bei Licht betrachtet ist das eine Sozialleistung, die von denen, die arbeiten, an die gegeben wird, die nicht mehr arbeiten. Aber sie ist ohne Gegenleistung, denn die, die arbeiten, bekommen dafür nichts und diejenigen, die nicht mehr arbeiten, geben auch dafür nichts. Es gibt aber keinen Anspruch auf Sozialleistung (mal ab von der Existenz), der ganze Anspruch ist von vorneherein fragwürdig, denn er bedeutet nichts anderes, als das man Schulden vererbt, ohne dass der Betreffende sich dagegen wehren kann. Die Rentenansprüche sind nichts weiter als Schulden, egal wie man es begrifflich verbrämt, und diese drückt man der neuen Generation auf, ohne dass diese die Chance hätte sich zu wehren. Und das ist nichts anderes als eine Erbschuld. Man kann sich das ganz bildlich vorstellen: Da ist ein Rentner, der einem jungen Menschen von 20 Jahren befiehlt für ihn zu arbeiten. Ja, warum eigentlich ? Weil er zuerst da war ? Dann kann man sich auch gleich fragen, warum man die Renten nicht verdoppelt oder vervierfacht, denn der Anspruch ist genau der selbe. 

Als drittes habe ich angeführt, dass die Rente auf nicht eingehaltenen Versprechungen beruht. Das ist vielleicht nicht ganz richtig ausgedrückt, der gemeinte Zusammenhang ist der folgende: Diejenigen, die die Rente geschaffen haben, sind von einer gesunden Bevölkerungspyramide ausgegangen. Die Überlegung war, dass die eine Generation eine neue ernährt, bis diese alt genug ist, auf eigenen Beinen zu stehen und am Ende die erste Generation miternährt. Das ist sozusagen der Standard, auch gerade da, wo es keine staatliche Rente gibt. Es ist sogar gerade da der Standard, denn wird dieser gebrochen, so hat man im Alter niemanden, der sich um einen kümmert. Dummerweise ist dieses Prinzip bei der staatlichen Rente untergegangen. Denn eine ganze Generation, so ungefähr die, die in den fünfziger Jahren geboren wurde, hat es überhaupt nicht mehr eingesehen ausreichend Kinder zu bekommen. Seit mehr als 30 Jahren gibt es in Deutschland immer weniger Kinder. Man hat sozusagen für das eigene Wohl auf Kinder verzichtet (Kinder kosten Geld, Mühe und Nerven), erwartet aber von den Kindern der anderen, dass diese einem den Lebensabend finanzieren. Absurd, oder ? Aber normal in Deutschland.
Fragt sich, warum es, wenn die Rente so ein unfaires Konzept ist, dieses Konzept gibt, oder schlimmer noch, warum die Unfairness regelmäßig erweitert wird. Dies liegt in der Schwäche der Demokratie begründet: Weil es eben so viele Rentner gibt. An 20 Millionen Wählern, die im Unterschied zur jungen Generation wählen dürfen, kommt keine Partei vorbei. Und auch kein Gesetz oder ein Beschluss. 20 Millionen Rentner, das ist nahezu ein Drittel aller Wahlberechtigten, mit viel Zeit auch wählen zu gehen.
Nun ist es nicht so, dass die Missstand schon immer so geplant war. Er kam nach und nach. Was ursprünglich eine kleine, soziale Tat sein sollte, hat sich über Jahrzehnte zu einem gnadenlosen Moloch entwickelt, der die junge Generation mehr und mehr unter Druck setzt. Und es wird schlimmer.
Nun ist Schuldzuweisung ebenso billig wie langweilig, das Kind ist in den Brunnen gefallen und man muss sehen, wie man es wieder herausbekommt. Man kann nicht 20 Millionen Menschen auf die Nase fallen lassen, unabhängig davon, ob sie dafür mitverantwortlich sind. Aber einige Dinge müssen oder sollten sich dringend ändern:
  • Der fatale Mechanismus den eigenen Nachwuchs von der Altersversorgung abzukoppeln war nett gedacht, aber verheerend in der Folge. Die staatliche Rente muss weit (!) zurückgenommen werden, damit der Mechanismus wieder greifen kann. Man hört zwar immer den (ausgesprochen dummen) Spruch, dass die Welt auch mit 60 Millionen Deutschen leben kann. Das berücksichtigt aber nicht, dass das nicht funktioniert, wenn von diesen 60 Millionen 35 Millionen Rentner sind.
  • Die Rente muss wieder zu dem werden, was sie ursprünglich mal war: Eine Sozialleistung, die entstand, um diejenigen zu entlasten, die wirklich nicht mehr können. Die absurde Idee ein Mensch könne mit 65 in Rente und dann 20 Jahre ein schönes Leben haben, muss als das erkannt werden, was sie ist, absurd. Wer arbeiten kann, sollte arbeiten und zwar unabhängig von seinem Alter. Wer es sich selber leisten kann, nicht mehr zu arbeiten, nichts dagegen, aber wer es sich nicht leisten kann, hat kein Recht sich auf Kosten von Dritten, denn das sind die Kinder, einen schönen Lebensabend zu machen.
Leider sind meine Hoffnungen, dass sich wirklich etwas tut, recht gering. Eben wegen der politischen Realität und der Mentalität so vieler Menschen sich über die Zeit retten zu wollen (nach mir die Sinnflut). Ich denke es wäre wirklich mal Zeit an die Kinder zu denken (eine Floskel, die sonst immer benutzt wird, um noch den letzten Unsinn staatlicher Kontrolle zu rechtfertigen). Und das fängt damit an, dass man Kinder als das betrachtet was sie sein sollten: Frei. Auch frei von Erbschuld.
Llarian


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