20. März 2023

Vom großen Wind - Kurt Kusenberg, "Der große Wind" (1948)



Die Insel mitten im Fluß, samt dem stattlichen Haus, das man in der Gegend „das Schloß“ nannte, und den reichen Gärten war mein Erbe. Ich hatte lediglich eine Familie hinzugebracht, die Frau und drei Kinder. Mehrten oder verzehrten wir den Besitz? Ich glaube, wir erhielten ihn – falls er sich nicht selbst erhielt, denn er war gleichermaßen schön und nützlich angelegt, ein rechtes Mustergut, das sich nur mit Gewalt herunterwirtschaften ließ.

An den steilen Hängen des Flußtales wuchsen Reben. Was dort je besonders wohlgeraten war hatten meine Vorväter in die Weinkeller eingelagert, die sich unter der ganzen Insel hinzogen. Selbst wenn ich gesoffen hätte wie ein Bürstenbinder, wäre ich des ungeheuren Bestandes zeitlebens niemals Herr geworden. Das gab mir Rückhalt, denn ich trinke gern, der Reichste konnte sich nicht sicherer dünken als ich.

Um die Zeit, die alles so äh veränderte, sprach und schrieb man viel über einen neuen, furchtbaren Wind. Von anderen Winden weiß man, wie sie entstehen, wessen sie fähig sind und wohin ungefähr sie sich wenden; von diesem wußte man es nicht. Viele nannten ihn den Weltwind, um auszudrücken, wie unheimlich er ihnen sei. In Asien hieß er Kadharta, in Amerika Sizzon, in Afrika Turdusi. Wir Europäer gaben ihm so viele Namen, wie wir Sprachen haben. Es verlautete, er sei eisig und von tödlicher Gewalt, nichts widerstehe ihm, alles zerstöre er oder reiße es mit sich fort, nur Trümmer lasse er zurück. Das Arge war, daß man ihn immer und überall fürchten mußte. Er kam auf, er sprang um, wie es ihm beliebte. Hatte er gestern in Korea gewütet, so fegte er heute durch Spanien; er reiste geschwinder als jeder andere Wind. Manche meldeten, er verdunkle das Firmament und dröhne tief wie eine Orgel; andere behaupteten, ihn begleite ein hoher, pfeifender Ton. Nun, ich sollte ihn gründlich kennenlernen.

An einem freundlichen Maitag war ich in die Kellereien hinabgestiegen, um nach dem Rechten zu sehen. Als ich eben ergründen wollte, welchem von zwei trefflichen Weinen der Vorzug gebühre, vernahm ich ein Sirren, das schrill anschwoll und in den Ohren schmerzte; zugleich fiel die Kellertür zu. Obwohl die Gewölbe tief unter der Erde lagen, zitterten sie, als schreite ein Her von Riesen darüber hin. Wo immer ein Schacht oder Spalt aus dem Keller nach oben führte, ward Luft hineingepreßt, in kurzen, bösen Stößen. Da wußte ich, daß der Große Wind in unser Flußtal gekommen war. ­

Ich versuchte, hinauszugelangen, doch der Wind litt es nicht; fest hielt er die Tür verschlossen. Ich schickte mich ins Warten und stellte mir unter Qualen vor, welcher Anblick auf mich harre, sobald der Orkan vorüber sei.

Mit dem Schlimmsten glaubte ich gerechnet zu haben. Ach wie weit blieb es hinter dem Schlimmeren zurück! Man glaube mir: von allem, was mein Leben, meine Freude und Besitz ausgemacht hatte, bestand nichts mehr – nichts. Das Haus mit der Frau und den Kindern, die Gärten, die Bäume, die Reben an den den Berghängen waren verschwunden. Die Gegend sah aus, als habe man ihr die Haut abgezogen. Mußte ich nicht wahnsinnig werden?

Vermutlich wurde ich es deshalb nicht, weil ich das Ausmaß meines Unglücks nicht zu erfassen vermochte. „Seltsame Gegend!“ murmelte ich vor mich hin. „Hier bin ich noch nie gewesen,“ und das war so töricht nicht, denn ich stand unverändert inmitten einer veränderten Welt. Kopfschüttelnd, mit blödem Blick, tappte ich in den Keller zurück, zur einzigen Zuflucht, die mir geblieben war, und trank solange, bis ich zu Boden sank.

Wir Menschen sind Ameisen. Was uns zerstört wird, richten wir sogleich wieder auf; das Aufrichten richtet uns auf. Nachdem die ersten schlimmen Tage vergangen waren, Tage der Lähmung, der Trauer und des Hungers, erwies es sich, daß gleich mir ein junges Mädchen mit dem Leben davongekommen war. Die Jungfer stammte aus einem nahen Winzerdorf und hatte sich, als das Unglück hereinbrach, ebenfalls in einem unterirdischen Weinkeller befunden. Da das Tal verödet war und kein Mann sie mir streitig machte, wurde sie meine Frau – meine zweite Frau. Wir plagten uns redlich, ein Häuschen zu bauen, und zogen aus der mißhandelten Erde ein wenig Gemüse. Ins Bescheidene zurückgeworfen, hatten wir viel Freude an kleinen Erfolgen; ich fürchte fast, daß der erste Salat uns mehr erregte als die Flitterwochen.

Unser Beispiel zog andere nach sich. Zwei Jahre später sah es ringsum schon ganz leidlich aus. Häuser und Hütten streuten sich in das Tal,und den Boden überzog allenthalben grüner Wuchs, sogar Rebstöcke wurden wieder gepflanzt.

Als man eben Hoffnung schöpfte, fiel der Große Wind aufs neue bei uns ein und riß alles Gedeihende mit sich fort. Abermals bewahrte mich der Weinkeller vor dem Schicksal, das alle Übrigen traf; abermals war ich zum Witwer geworden.

Doch gefiel es dem Winde, sich bei seinem zweiten Besuch von einer neuen Seite zu zeigen: er nahm nicht nur, er gab auch. Als ich – nach einem gehörigen Trauertrunk, der drei Tage währte – auf meiner Insel Umschau hielt, fand ich in all der Verwüstung einiges Zugebrachte: sechs N*g*rinnen, zwei australische Schafe, ein Ruderboot und einen Schrank mit hübschen Frauenkleidern. „Immerhin!“ dachte ich bei mir. „Besser als nichts und kein übler Anfang.“

Freilich waren die Gaben des Großen Windes von zufälliger, fast unsinniger Natur – hingestreute Almosen, die man aufgriff, weil einem keine Wahl blieb. Hätte ich sie verachten sollen? Ach, Freunde, wer zweimal eine sinnvolle Umwelt eingebüßt hat, fragt nicht mehr danach, ob die dritte sinnvoll ist oder nicht. Er nimmt, was er findet, und richtet sich ein, so gut es geht; stärker als das Verlangen nach Sinn ist die Lust am Leben. So kam es, daß ich hinfort australische Schafe züchtet, Fischerei betrieb und sechs schwarze Frauen mein eigen nannte. Nackt waren sie aus der Luft gefallen, doch ich vermochte sie – je nach meiner Gunst – prächtig zu kleiden. Das war gut und war schlecht zugleich, denn ich kam nie dahinter, wen sie eigentlich begehrten: mich oder die schönen Gewänder.

Von nun an brauste der Große Wind alljährlich, meist im Herbst, durch unser Tal; die Gegend hatte es ihm wohl angetan. Von allen, die zeitweilig mit mir auf der Insel lebten, witterte ich allein die nahende Gefahr, jedoch erst im letzten Augenblick, so daß ich niemanden rechtzeitig warnen oder gar retten konnte. Immer langte ich mit knapper Not im Weinkeller an – falls ich mich nicht schon ohnehin dort befand.

Man wird mich fragen, warum ich damals das Tal nicht verließ. Nun, es war meine Heimat, ich liebte die Insel, den Fluß und die Berghänge, auch als ihre Schönheit zergangen war; nicht ihre Schönheit hatte ich geliebt, ich liebte sie selbst. Zudem war es dahin gekommen, daß ich an meinem unbeständigen Dasein eine Art von Lust empfand. Die erste Vernichtung hatte meinen Augen alle Tränen abgepreßt und in meinem Kopfe das Wort Besitz gelöscht; um meine zweite Frau vermochte ich nicht mehr zu weinen. Sie und alle, die nach ihr kamen, sah ich für Durchreisende an, für flüchtige Gefährten, ja, für Gespenster. Obwohl ich selber unbeweglich blieb und die Andren an mir vorüberzogen, kam es mir vor, als befinde ich mich auf Reisen. Meine Lust war Reiselust und Neugeir darauf, was der nächste Wechsel bringen werde.

Die mit mir auf der Insel oder im Tale lebten, waren entweder hergeweht worden oder ließen sich dort nieder, weil sie meinten, der Große Wind werde endlich von dem geschundenen Landstrich ablassen. Sie glichen dem Manne, der auf einen Sohn hoffte und darüber vierzehn Töchter bekam – buchstäblich, denn nicht weniger als vierzehnmal suchte das Verderben uns heim; schon nannte man uns das „Tal des Großen Windes.“ Mir war es recht, daß die Narren blieben, denn so hatte ich wenigstens Nachbarn, wenn auch nur für kurze Zeit.

Mit dem Umstand, daß unser Tal eng und steil ist, mag es zusammenhängen, daß der Wind dort so viel zurückließ; ins Schmale gepreßt, entleerte er seine Taschen. Ich war recht froh darüber, denn andernorts tat er das nicht, und ohne die Windgeschenke wäre mein Leben viel eintöniger verlaufen. Nicht alles, was der Große Wind brachte, war unversehrt oder brauchbar; manchen Leichnam mußte ich einscharren, manch zerfetzten Gegenstand in den Fluß werfen. Gelegentlich kehrte Verlorenes wieder. Beispielsweise fand sich nach der neunten Katastrophe meine erste frau an, ein wenig gealtert und ohne die Kinder. Ich müßte lügen, wenn ich sagte, ihre Wiederkunft habe mich erfreut. Zu sehr war ich das Unbeständige gewohnt, als aß ich einen alten Bund erneuern mochte. Auch kam die Brave ungelegen, nämlich gleichzeitig mit einer jungen Araberin, der ich durchaus den Vorzug gab. Wir verbrachten ein peinvolles Jahr, bis der Große Wind beide Frauen davonwirbelte. Gegen Ende der Zeit, von der ich berichte, setzte der Wind bisweilen junge Menschen ab, di ich als meine Kinder erkannte oder die vorgaben, meine Kinder zu sein. Sie waren mir – falls man das sagen kann ebenso lieb wie gleichgültig: Zufallskinder, die der Sender beim nächsten Besuch wieder mitnahm.

So wäre es, mir zur Abwechslung, Jahr um Jahr fortgegangen, wenn der Große Wind sich nicht plötzlich von unserem Tal abgewandt hätte. Vier Jahre ist er seither ausgeblieben, und ich weiß nun ganz gewiß, daß er nie wiederkehren wird. Konnte er nicht noch ein letztes, fünfzehntes Mal die Drehscheibe wirbeln lassen? Ich habe es nämlich schlecht getroffen. Als ich die fette Mexikanerin zu mir nahm, das Blockhaus zimmerte und Rosenkohl pflanzte, hatte ich keinerlei Dauer im Sinn; nicht einmal den Rosenkohl gedachte ich abzuernten. Doch nun ist mir das alles geblieben, für immer geblieben, und lastet schwer auf mir.

Großer Wind, warum hast du mich nicht gewarnt, bevor du mir deine Feindschaft entzogst? Was du nicht vermocht hast, wird die Flaute vollbringen: sie wird mich töten.

* * *



„Der große Wind“ erschien zuerst in der Zeitschrift „Die Neue Zeitung“ aus München am 28. Oktober 1948 und in Buchform in der Sammlung „Die Sonnenblumen und andere merkwürdige Geschichten“ 1951 im Rowohlt-Verlag, der dritten Sammlung seiner Kurzgeschichten nach „La Botella und andere seltsame Geschichten“ und „der Blaue Traum,“ die 1940 und 1942 ebenfalls bei Rowohlt erschienen waren. (Daß ich in Kusenbergs Text das "N-Wort" leicht zensiert habe, bitte ich nachzusehen; es dürfte noch genügend klar zu erkennen sein - und man muß mittlerweile damit rechnen, daß Blogbeiträge wie dieser gemeldet oder gezielt mit Algortihmen durchsucht werden können, um so etwas zum Anlaß einer Sperrung zu nehmen.)

Kurt Kusenberg, 1904 in Göteborg geboren und 1983 in Hamburg gestorben, darf als das einzige deutsche Pendant zu seinen englischsprachigen Kollegen John Collier (1901-1980) und Roald Dahl (1916-1990) gelten. Sieht man einmal davon ab, daß Roald Dahls 16 Kinderbücher seinen Ruf als Kurzgeschichtenautor heute weit überstrahlen, fallen bei ihrem Werk für ein erwachsenes Lesepublikum deutliche Übereinstimmungen ins Auge – es handelt sich um sardonische, auf einen Punkt, eine Pointe hin gebaute Geschichten, oft unter Einschluß phantastischer Elemente, die keinen Anspruch auf soziale Milieuschilderungen, Zeitkommentare oder Charakterzeichnungen und innere Konflikte legen, sondern einzig der Unterhaltung des Lesers dienen – als eine zeitgemäße Form der Commedia dell’Arte. In Romanlänge hat P. G. Wodehouse diese Art der Unterhaltung zur höchsten Perfektion gebracht. Collier begann seine Laufbahn in diesem Metier 1934 mit Erzählungen für den „New Yorker,“ nachdem ihm mit seinen ersten fünf ernster angelegten Romanen, die er zwischen 1930 und 1935 veröffentlichte, kein großer Erfolg beschieden war. Die zehn Erzählungen in Dahls erster Sammlung „Over to You“ von 1946 fußen noch ganz auf seinen Erfahrungen als Pilot der RAF in Nordafrika und im Nahen Osten während des zweiten Weltkriegs; seine „neue Phase“ begann im September 1947, als „The Mildenhall Treasure“ in der „Saturday Evening Post“ erschien. Die Geschichten in Kusenbergs erster Sammlung waren zum großen Teil in der Zeitschrift „Die Dame“ erschienen, die als Publikation aus dem gleichgeschalteten Einerlei des Dritten Reichs herausragte, weil sie als Aushängeschild für Moderne, Urbanität und Politikferne dienen sollte. (Die spätere DDR leistete sich mit „Sinn und Form“ unter der Herausgeberschaft von Peter Huchel eine ähnliche Insel der Seligen.) Alexander Lernet-Holenias Roman „Mars im Widder,“ der den Überfall der Wehrmacht auf Polen zum Thema hat und deutlich machte, daß anders als von der Propaganda behauptet, keine „Provokationen“ von polnischer Seite aus vorangegangen waren, konnte in der Zeitschrift 1941 noch unter dem Titel „Die blaue Stunde“ erschienen, aber das Erscheinen des Buchausgabe wurde von der Zensur verhindert. Kusenbergs erste Erzählung, La Botella,“ erschien der Nr. 17 des Jahrgangs 1936.



Allerdings haben Dahl und Collier diese Form der kurzen Erzählung nicht geprägt. Als Pioniere dieses kleinen Genres wären hier wohl William Sydney Porter (1862-1910), für den amerikanischen Raum zu nennen, der Lesern zeitlebens nur unter seinen Pseudonym „O. Henry“ bekannt war (und ist) und für England Hector Hugh Munro (1870-1916), der ebenfalls nur als „Saki“ auftrat. Das Wort ist dem Persischen – oder Farsi – entnommen und bedeutet „Mundschenk“ und war dem Lesepublikum der viktorianischen Zeit durch Edward Fitzgeralds Nachdichtungen der Rubaiyat von Omar Khajjam geläufig:

And when like her, oh, Saki, you shall pass
Among the Guests Star-scatter'd on the Grass,
And in your joyous errand reach the spot
Where I made One - turn down an empty Glass!”

(Nr. 101 in der 5. und letzten Fassung von Fitzgeralds Nachdichtung, postum 1889 erschienen)

Zu nennen wäre hier vielleicht auch noch Damon Runyon (1880-1946), dessen Geschichten aus dem Halbweltmilieu, auf deutsch unter dem Titel „Schwere Jungs und leichte Mädchen“ übersetzt, die Vorlagen für die Episoden des Broadwaymusicals „Guys and Dolls“ (1953) lieferten. Zwei Aspekte seien noch festgehalten: zum einen ging diese spezielle Form der kleinen Unterhaltung mit einer immensen Produktivität ihrer Autoren einher. Roald Dahl bildet hier die Ausnahme mit „nur“ 64 Erzählungen, die ab Ende der 1940er Jahre erschienen sind; Collier verfaßte im Zeitraum von Mitter der 30er bis Ende der 50er Jahre 95 Erzählungen, „Saki“ brachte es vom Beginn seiner literarischen Karriere 1899 bis zu seiner Einberufung 1914 auf 165 und O. Henry zwischen 1894 und seinem Tod im Jahr 1910 auf 221 Texte. Von Kusenberg zähle ich 149 Geschichten, von denen die letzten Anfang der 70er Jahre erschienen sind. Zum anderen hat der völlige Mangel nicht an Scherz, Satire, Ironie, wohl aber von „tieferer Bedeutung“ dazu geführt, daß die Literaturkritik nie darum bemüht hat, ihnen haftete stets ein Hautgout von Kabarett, Varieté, Tingeltangel an, ähnlich wie der Gebrauchslyrik, denen die Verse von Tucholsky oder Mascha Kaleko auch immer zu halbseiden gewesen sind, um sie für mehr als virtuose Fingerfertigkeit gelten zu lassen.

Für Leser, deren literarische Sozialisation in die Zeit nach dem Erscheinen von Kusenbergs neun Erzählungsbänden von „Die Sonnenblumen“ (1951) und „Zwischen unten und oben“ (1964) fällt, ist er eher als Begründer und langjähriger Herausgeber der Reihe der „Rowohlts Monographien“ im Gedächtnis geblieben, deren erster Band über Heinrich von Kleist, von Curt Hohoff verfaßt, im März 1958 erschien. Kusenberg hat die Reihe bis 1982 betreut. Das Vorbild für das Format für die schmalen Bände von gut 100 Seiten mit 70 bis 90 Abbildungen lieferte die Reihe „Écrivains de toujours“ der Editions du Seuil, wobei der Fokus der Reihe schnell auf große Namen aus allen Bereichen von Kultur und Geschichte ausgeweitet wurde. Über Jahrzehnte war die Reihe DAS biographische Referenzwerk über Leben und Werk, wenn es über die knappen Einträge in Standardnachschlagewerken wie der Neuen Deutschen Biographie (DNB) hinausgehen sollte. Als die Serie 2015 eingestellt wurde, nahm allerdings kaum ein Medium davon Notiz. Mittlerweile sind von den gut 750 Bänden nur noch zehn als E-Book lieferbar und nur der Band über Ernst Rowohlt himself noch in Druckform.

Ich bin nie in meinem Leben eine systematischer Käufer oder Sammler von Buchreihen gewesen – auch wenn immer wieder solche auf den Markt kommen, bei denen mich eine durchaus nicht kleine Versuchung dazu anwandelt: etwa mit der „Anderen Bibliothek,“ die 1985 bei Franz Greno ihren Anfang nahm oder zuletzt den seit 2013 von Judith Schalansky bei Matthes & Seitz edierten Bänden der „Naturkunden“ oder den „Handheld Classics“ der englischen Handheld Press, die es seit 2018 gibt. Aber selbst so sind von „rowohlts monographien“ oder „romono“ (die kleinschreibung war über jahrzehnte kennzeichen von fortschrittlichkeit) sind im Lauf der Jahre auf meinen Regalen mehr als 80 Bände zusammengekommen, von John Stuart Mill bis Ingeborg Bachmann und von Spinoza bis Clausewitz.

Natürlich ist eine solche Reihe heute ein Relikt aus vergangenen Zeiten, ein Fossil aus der Ära der Gutenberg-Galaxis. Und wahrscheinlich könnten man sämtliche wesentlichen Informationen, die diese Bändchen so dicht bündeln, durchaus in kurzer Zeit in den Winkeln und Speichern des Weltnetzes auftreiben – aber man muß um ihr Vorhandensein wissen und gezielt danach suchen, während man in den handfest-physischen Ausgaben, auch beim Durchblättern oder dem Studium von Literaturverzeichnis und Namensregister, gewissermaßen „von selber“ darauf stößt. Als ein handfester Nachteil solcher „Holzeditionen“ hat sich in den gut fünfzehn Jahren, in denen ich jetzt beide Versionen zur Recherche nutze – in elektronischen Archiven wie Archive.org, ECCO, EEBO oder Gallica, hingegen die fehlende Möglichkeit erwiesen, gezielt nach Textstellen oder einzelnen Begriffen im Text suchen zu können. Unterm Strich bleibt, daß auch im Zeitalter der E-Books und des Weltnetzes solche Dinosaurier einen Nutzwert aufweisen, der über ihren nostalgischen Aspekt hinausgeht.





U.E

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