25. Oktober 2022

Anmerkungen zur Energiewende: Nordstream löst nicht das Problem

Ich habe in meinem Freundeskreis zwei Leute, die man bei Licht betrachtet als Verschwörungstheoretiker bezeichnen könnte, oder zumindest zwei, die das mehr oder minder offen aussprechen. Da kommt so manche eher komische Erkenntnis zur Welt, die man vermutlich besser nicht allzu laut ausspricht, aber eine kommt gerne mal, die wohl von gar nicht so wenigen "Nichtverschwörungstheoretikern" geteilt wird.

Die Aussage in ihren vollen Plattheit könnte man knackig so zusammen fassen: "Nordstream könnte morgen liefern." Die dahinter liegende Idee, bzw. das Gedankenkonstrukt, basiert darauf, dass die Amerikaner ("die Bösen") aus geopolitischen Gründen den armen Deutschen verbieten russisches Gas zu kaufen und wenn die dabei erfrieren lacht sich der böse Ami zuhause ins Fäustchen. Und dabei könnte es den Deutschen so gut und fluffig gehen, wenn sie nur wieder das gute russische Gas kaufen.

Wie jede gute Verschwörungstheorie enthält auch diese ein Fitzelchen Wahrheit: Nordstream war den Amerikanern von vorneherein im Weg, bzw. wurde von dort schon immer bekämpft. Und zwar sowohl aus ökonomischen als eben auch aus geopolitischen Gründen. Und da das so geheim dann auch nicht ist, kommen solche Theorien gut an.

Was weniger gut ankommt ist das kleine Problem, dass der Verschwörungstheoretiker an sich lieber nicht ausspricht: Das würde am Ende nicht viel ändern. Das (billige) russiche Gas ist lediglich ein Schleier, der die nackte Wahrheit der Realität Deutschlands ein Stückchen weit maskiert hat und eine Rückkehr dieses Gases würde lediglich wieder einen Schleier über eben jene Realität legen, diese aber nicht ändern. 

Die Realität ist, dass Deutschland in den letzten 24 Jahren massiv und vergleichwiese systematisch beschädigt wurde. Und zwar unter dem heute noch gebräuchlichen "Lügenlabel" Energiewende, die eigentlich passender Energieirrsinn oder Energielüge genannt werden müsste. Die "Energiewende" basierte auf drei mehr oder minder faustdicken Lügen: 
  • Dass sie notwendig ist.
  • Dass sie effektiv ist
  • Dass sie kostengünstig ist
Alle drei Lügen sind durch die letzten Jahre wieder und wieder und wieder wiederholt worden, selbst heute werden sie, trotz wirklich brüllender Belege für das Gegenteil, immernoch permanent wiederholt. Lassen wir, um ideologische Diskussionen etwas auszulassen, mal Punkt eins beiseite.

Punkt zwei ist ja, dass die Energiewende "irgendetwas" bringt. So müsste ja der CO2 Ausstoss in Folge der Energiewende ordentlich sinken. Dies ist, wenn man sich die Zahlen denn ansieht, nicht der Fall.
Deutschland hat im Jahr 1998 (also zu Beginn der Energiewende) knappe 900 Millionen Tonnen CO2 immitiert. 20 Jahre später waren es immer noch 800 Millionen Tonnen und selbst heute sind wir, nach den Wirtschaftseinbrüchen durch die Corona-Maßnahmen, bei um die 750 Millionen Tonnen. Ohne die Corona-Maßnahmen hätte Deutschland in 24 Jahren Energiewende gerade einmal 10% der Emissionen eingespart. Zeitgleich ist in diesen 24 Jahren aber etwas ganz anderes passiert: Die Produktion wurde verlagert. Ein guter Teil unserer heutigen realen Güter, gerade der energetisch aufwendigen, kommt heute aus China. D.h. das "eingesparte" CO2, dass in Deutschland nicht mehr freigesetzt wird, wird stattdessen 10.000 Kilometer weiter östlich in die Atmosphäre geblasen. Seit Beginn der Energiewende hat sich der Import von Gütern aus China nach Deutschland mehr als verdreifacht (die CO2 Emissionen aus China übrigens auch). 
Das sieht man auch daran, dass die Importe aus China sich seit der Finanzkrise 2008 deutlich konsolidiert haben, bzw. es zu einer Plateubildung gekommen ist. Das selbe Plateu sieht man auch in den CO2 Emissionen in Deutschland. Und wem das noch nicht reicht, der darf auch gerne einen Blick auf die selben Zahlen aus den USA werfen. Dort ist keine Energiewende durchgeführt worden (mal abgesehen von Kalifornien, mit den selben verheerenden Folgen wie in Deutschland) und man sieht fast identische Entwicklung. Ein minimales Absinken der CO2 Emissionen dass stark mit den zunehmenden Importen aus China korreliert. 
Mitunter hat der irre teure Kraftwerksbau in Deutschland, die x.te Auflage der ENEV und die Milliarden an Subventionen für Elektroautos und Fahrräder fast nichts gebracht im Bezug auf das eigentliche Ziel: Die Reduktion von Kohlendioxidemissionen. 

Punkt drei dagegen ist eher etwas, wo sich etwas bewegt hat. Laut den Energiewendern sollte die Energiewende ja sehr billig werden. Jürgen Trittin, seines Zeichens nicht nur alter Kommunist, sondern als Grüner immerhin in das Amt eines Bundesministers aufgestiegen, verstieg sich noch 2004 zu der Aussage, die Energiewende werde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten (die er bei einem Euro verortete). Schon im Jahr 2013 lag diese Kugel Eis bei 355 Euro im Jahr und damit bei etwa dem dreißigfachen von dem, was Trittin versprach. Und das nur bei direkten Subventionen über die EEG Umlage. Die Mehrkosten für die Kraftwerksbetreiber für den "Vorrang Ökostrom", die über die Netzentgelte umgelegt werden, ist da nicht einmal enthalten. Anfang des Jahres, also noch vor der Gaskrise, lag dieser Faktor bereits über 50. Und nach derzeitigem Stand liegt die Kugel Eis bei mehr als dem hundertfachen dessen, was Trittin erzählte. Und, das ist zentral wichtig, wir sind kaum vom Start weg. Schon jetzt, bei gerade einmal 10% des Zielwertes, liegen wir bei Kosten, die Millionen Familien nicht mehr tragen können. Man muss schon Ministerruhegelder bekommen, um den Eiswagen bezahlen zu können.

Was hat das aber nun alles mit Russland und Nordstream zu tun? Den Schleier habe ich bereits oben erwähnt: Was in Deutschland passiert ist, ist, dass die bis dahin sichere und vor allem günstige Energieversorgung im Namen der Energiewende torpediert wurde. Die Kosten dafür sind eigentlich(!) astronomisch, weil der Strom, der durch "erneuerbare" Energien beigesteuert wird, für sich praktisch unbrauchbar ist. Aber hier kommt das russische Gas ins Spiel. Denn das russiche Gas konnte die eigentliche Zappelproblematik der Energiewende etwas ausgleichen. Und damit die tatsächliche Nutzlosigkeit des Windstroms (ohne Speicher) erst einmal maskieren. 
Mit dem Wegfall des russischen Gases blieben Kraftwerke zurück, die zu praktisch nichts gut sind, außer Vögel zu schreddern, weil die notwendigen Speicher nie gebaut wurden (und bis dato nicht einmal geplant sind). Das heißt wir haben nicht nur einen Verlust der Gaskraftwerke, weil die keinen Strom mehr produzieren können, wir "verlieren" gleichzeitig auch den Ökostrom, weil der zu nichts mehr zu gebrauchen ist. 

Die Abhängigkeit von russischem Gas wird durch jedes neu gebaute Windkraftwerk größer, mithin würde ein Öffnen von Nordstream lediglich diese Maskierung wieder instand setzen. Das mag für einen Winter gut sein, aber das Ganze gleicht einem Junkie, der mehr und mehr von dem Stoff braucht, um überhaupt noch am Leben zu bleiben. Die eigentliche Problematik wird nicht nur dadurch nicht gelöst, sie wird sogar noch deutlich verstärkt. Wir wären wieder bei dem Junkie, der, durch die Spritze, erst einmal wieder durchatmen kann, aber morgen umso mehr davon braucht. 

Ich bin nicht sicher ob Deutschland die nächsten Jahre so überstehen wird. Die Zeichen stehen auf Sturm und die dicke Lady steht schon am Aufgang zur Bühne. Aber vielleicht kommt man auch nochmal mit zwei blauen Augen davon und alles was wir erleben ist ein massiver Wohlstandsverlust. Vorhersagen sind bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Aber möglicherweise, nur möglicherweise, war der Zusammenbruch von Nordstream genau der Schock, den das Land gebraucht hat, um die Kurve noch einmal zu kriegen (wenn auch mit zwei Reifen in der Böschung). Inzwischen sind wohl 41% der Deutschen der Meinung, dass man Kernkraftwerke nicht nur nicht abschalten sollte, sondern dass es Zeit wird dringend(!) neue zu bauen. Das ist noch keine Mehrheit, aber immerhin deutlich mehr als die 10% der Bundesbürger, die ihr Kreuz bei den Grünen hinterlassen haben. Wenn der Winter wirklich kalt und ernst wird, dann können aus diesen 41% auch ganz schnell 80% werden. Wir haben das erste mal seit Angela Merkel ihr Zerstörungswerk begann, die Möglichkeit als Gesellschaft komplett umzusteuern. Das Grüne abzuwerfen und zur Vernunft zurück zu kehren. 

Eine persönliche Anmerkung (ja, Meinung steht auch schon oben): Genau das letztere ist meine letzte, große Hoffnung. Ich bin in den vergangenen zwei Jahren von etlichen Leuten gefragt worden, was ich hier eigentlich noch tue und warum ich nicht gehe ("....wenns Dir nicht passt."). Die Frage ist berechtigt. Denn natürlich lässt sich das Scheitern der deutschen Energiewende mit Sicherheit von außen besser beobachten, als es mitzuerleben. Ich sehne mich nicht nach Frieren und Rezession. Aber ich glaube auch, dass jeder Krise auch die Hoffnung auf Erkenntnis und Besserung inne wohnt. Was wir hier erleben ist nicht mehr als der Höhepunkt von Merkels Zerstörungswerk mit der echten Chance, dass das Land darunter zusammen bricht. Aber es muss nicht zusammen brechen. Es kann auch knirschen mit der echten Chance Dinge besser zu machen. Und wenn die Krise genug Menschen aus ihrem Koma erweckt, bzw. ihnen vor Augen führt, was sie die letzten Jahre getan haben, dann war sie zumindest zu etwas gut. Ich wünsche mir sicher keinen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung oder der deutschen Wirtschaft. Ich lebe hier, meine Kinder tun es auch. Aber ich würde mir wünschen, dass es zumindest so sehr scheppert, dass die Deutschen endlich zur Vernunft kommen. Weil: Umso später es richig scheppert, umso schlimmer wird es werden. 

Nordtream wird uns dabei nicht helfen. Was uns helfen wird sind Demonstrationen, Wahlstimmen und die Benennung davon, was passiert und weswegen. Was es braucht ist es die Verantwortlichen nicht nur zu benennen sondern auch zu verhindern, dass sie ihr perfides Werk weiter fortsetzen können. Was hilft ist es den Zug endlich zu stoppen. 
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Nachsatz: Unser Zimmermann Frank2000 hat mich aufgefordert, passend zu diesem Beitrag, noch einen Kontextlink zu setzen, der sich mit den Kosten der bis dahin nicht gebauten Speicherkraftwerke, bzw. Power2Gas Anlagen beschäftigt. Das sei hiermit erledigt, wer sich also für die Kosten interessiert, die minimal entstehen würden, wenn wir in Zukunft weiter "energiewenden" wollen, aber ohne russisches Gas, dem wird hier geholfen. Und ohne zuviel zu verrraten, wir sind im Billionen Bereich unterwegs. Bis Mitte kommenden Jahres. Oder um in der Sprache unserer Bundesregierung zu sprechen: Nicht Doppelwumms sondern Megawumms. 

Llarian

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