25. März 2018

得不到的愛情 (1948) - Dé bù dào de àiqíng

Torch song!

Zu den Darreichungsarten des "klassischen Jazz" - wobei man im Hinterkopf behalten sollte, daß es bei der populären Musik zwischen sagen wir 1930 und dem Beginn des Rock'n'Roll und seiner Vorläufer zwischen Rhythm 'n' Blues und "Western Swing" ab Anfang der 1950er Jahre oft nicht um Jazz im puristischen Sinn handelt, sondern um das, was man schlicht als Schlager bezeichnen sollte (man vergißt auch, wieviele Klassiker etwa des "Great American Songbook" ihren Usrsrung in den zahllosen, heute längst verschollenen Broadway-Musicals der Zeit haben. "As Time Goes By", ist für Generationen zum akustischen Signum von Casablanca - "you must remember this / a kiss is still a kiss / a sigh is still a sigh / the fundamental things apply / as time goes by" - geworden, seit der Film vor 75 Jahren, am 23. Januar 1943, in den Kinos der Vereinigten Staaten landesweit anlief. Kaum jemanden, außer einigen auf die Zeit spezialisierten Nerds, vulgo "Enthusiasten" dürfte das Musical Everybody's Welcome aus dem Jahr 1931 von Herman Hupfeld geläufig sein, dem der Song entstammt. Auch die beiden Vokaleinspielungen aus jenem Jahr, von Rudy Vallee und Billie Hale aufgenommen, dürften Zuhörern, die nur Sam Dooleys im Film gespielte Version kennen, so verfremdet erscheinen wie deutschen Zuschauern die vom schweizer Fernsehen alljährlich ausgestrahlte Variante eines gewissen neunzigsten Geburtstags einer alten Dame.)



   
Zu dem signifikantesten Liederspielarten jener Bigband/Swing-orchestrierten Epoche zählt der torch song, zu dem uns Wikipedia hilfreich wissen läßt, es handele sich "um eine sentimentale Form des Liebesliedes" (ein Oxymoron, wenn es je eines gab), dessen Bezeichung auf die englische Wendung to carry a torch for someone zurückgehe: für ein Gegenüber entflammt sein. Kenner dieser Musik wissen auch, daß diese Definition viel zu kurz greift: ein torch song ist vielmehr ein Lied, bei dem es raucht: jene Balladen und Sehnsuchtslieder, die denen in finstren Nachtclubs eine Diva die Stufen hinabsteigt, ach was: -gleitet, in einer Insel aus Licht aus der Schwärze der trostlosen Nacht gehoben, und den männlichen Zuhörern die Schweißperlen auf die Stirn treten.

Vor fast genau 70 Jahren - genauer: am 18. März 1948 - wurde einer der unverbrüchlichen Klassiker dieses Metiers aufgenommen (und der Protokollant hätte schon vor einer Woche paßgenau auf dieses Jubiläum verwiesen, wenn ihm dieses kleine Detail nicht erst in der vergangenen Woche untergekommen wäre), im Schanghaier Aufnahmestudio der Plattenfirma EMI-Pathé in der ehemaligen Französischen Konzession der Stadt, zu Beginn jenes letzten halbwegs erträglichen und verhalten optimistischen Jahres unter der Herrschaft der nationalchinesischen Regierung des Generalissimus Tschiang Kai-chek. Im Januar hatte die Phase der letzten Hyperinflation eingesetzt, die Preise explodierten, weil die Kosten der Kriegsführung der letzten vollen zwei Jahre gegen die Rote Armee Mao Tse-tungs durchschlugen (im Februar 1948 waren die Preise im Durchschnitt gegenüber dem Mai 1947 auf das 7,8-Fache gestiegen; und im Juli 1948 beliefen sie sich auf das 111-Fache); und das Jahr endete am 1. Dezember mit der Plünderung der chinesischen Goldreserven der Nationalbank am Bund durch bewaffnete Truppen der KMT, um sie nach Taiwan zu verschiffen (bei jener ersten Aktion nahm die KMT 2,6 Millionen der insgesamt 4,6 Millionen Tael mit; 1 Tael entspricht 37,2 Gramm). Bei Musik, die in den beiden Schanghaier Musikstudios zu jener Zeit, Pathé (seit 1948 EMI-Pathé, 百代唱片), und RCA-Victor, in den beiden ehemaligen Konzessionen, der Französischen im ersten und der Internationalen im zweiten Fall, aufgenommen wurde, spiegelt dies in keiner Weise: nie waren die Orchester professioneller, die Aufnahmetechniken in jeder Weise denen der Stammhäuser im Okzident ebenbürtig und die Liedermacher, kompositorisch wie textlich auf dem Quivive als in jener letzten Phase des Shidaiqu, jenes Amalgams westlicher und chinesischer Populärmusikstile.




姚莉 (Yao Li) - 得不到的愛情, Dé bù dào de àiqíng ("Unerreichbare Liebe")

我得不到你的愛情
像冬夜裡沒有光明
你不給我一顆痴心
像黑夜裡頭找不到那踪影

我得不到你的愛情
像春花沒有雨淋
你不給我一顆痴心
像夢裡春花留下一點幻影
我要你的愛情
我要你的痴心
你不給我溫馨何處有熱情去找尋

我得不到你的愛情
像春花沒有雨淋
你不給我一顆痴心
像夢裡春花留下一點幻影

Ich kann deine Liebe nicht erreichen,
Wie in einer Winternacht, in der kein Licht scheint,
gibst du mir nicht dein Herz
ich kann es in der Dunkelheit nicht finden.

Ich kann deine Liebe nicht bekommen
wie eine Frühlingsblume, die ohne Wasser welkt,
Du verschließt dein Herz vor mir
Du bist wie ein Traum, der leere Sehnsüchte hinterläßt
Ich will deine Liebe,
ich will deine Hingabe,
Und es gibt keine Wärme für mich an deiner Seite.

Ich kann deine Liebe nicht erringen.
Ich bin wie eine Blume im Frühling ohne Regen.
Du verschließt dein Herz vor mir.
Es ist bloß ein Traum, von dem nur Sehnsüchte bleiben.

Komponiert hat die Melodie Yao Lis Bruder Yao Min, 姚敏 (1917-1967), komponiert wurde das Lied von 严折西, Yan Zhezi (1909-1993). Yao Li, im September 1922 in Shanghai geboren, der "silbernen Stimme" und letzter noch lebender Star aus jener Musikära wurde nachgesagt, daß sie, wie Billie Holiday, egal mit welchem Liedtext sie es zu tun hatte, auch den banalsten Schlagern das Timbre des Besonderen verliehen konnte. Die Aufnahme wurde am 1. Oktober 1948 als A-Seite einer 78er Shellackplatte mit der Nummer 35779 auf den Markt gebracht. In den Jahrzehnten seitdem ist der Titel immer wieder aufgenommen worden, und die Arrangements haben sich des Öfteren dem oben erwähnten Ideal des Rauchig-Verlockenden angenähert - oder sind, auch das gibt es im Chinesischen, als Disko-Nummer inszeniert worden.

Die erste Neuaufnahme scheint von Teresa Teng zu stammen; sie stammt von ihrer dritten LP, im Dezember 1967 erschienen, und atmet ganz den musikalischen Stil jener Ära der Nachtklubmusik, wie sie aus den Titelliedern der James-Bond-Ära geläufig ist.


Zwanzig Jahre später hat Sammi Kao die Disko-Spielart gesungen:


Ende der 60er Jahre haben es die Stylers aus Singapur als Instrumentalversion im Stil der Shadows oder Apaches eingespielt, als wollten sie sich für den Soundtrack eines Sergio-Leone-Western bewerben (die Stylers waren seit ihrer Formierung 1962 die begehrteste und beschäftigste Combo des Stadtstaates und haben als eigenständige Gruppe oder als Begleitband zahlloser Sänger und Sängerinnen aus Singapur und dem malaiischen Umland bis Emde der achtziger Jahre tausende von Aufnahmen eingespielt).



In der Vielzahl überwiegen aber die rauchigen Nachtbar-Varianten, wie etwa bei Sharon Wong


 Tasi Chin:



oder Veronica Yip:



Vielen Kinogängern der letzten fünfzehn Jahre  - zumindest in der Sinosphäre - ist das Lied durch seine Verwendung in Lou Yes film 紫蝴蝶, Zǐ húdié (Der purpurne Schmetterling) aus dem Jahr ein Begriff, wo es, anachronistischerweise, aber symbolisch überaus stimmig, zur Zeit der japanischen Besatzung die unmögliche Beziehung zwischen Zhang Ziyi und dem japanischen Studenten Itami (gespielt von Toru Nakamura) einleitet.





U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.