3. Juli 2015

Sieben griechische Wahrheiten

Die Krise eskaliert wieder einmal, die üblichen Verdächtigen in Politik und Medien geben ihren Senf dazu und alle haben schon immer gewußt, wie man es hätte besser machen können.
Und es werden - wie seit Jahren - diverse Falschaussagen wiederholt.

Deswegen einige Klarstellungen:

1.) Die Milliardenkredite sind den Griechen zugute gekommen, nicht den Banken.

2.) Die griechische Regierung will etwas von der EU, nicht umgekehrt.

3.) Die Sparmaßnahmen seit 2010 haben nicht zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung geführt.

4.) Die Sparmaßnahmen seit 2010 sind nicht schuld an sozialen Problemen in Griechenland.

5.) Die EU respektiert die demokratischen Entscheidungen in Griechenland.

6.) Die Syriza-Regierung ist verantwortlich für die griechische Überschuldung.

7.) Eine Rückkehr zur Drachme würde Griechenland nichts bringen.

Im Detail:
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1.) Natürlich wurde und wird ein Teil der neuen Kredite dazu verwendet, alte Kredite abzulösen. Aber auch diese alten Kredite sind ja nicht vom Himmel gefallen, sondern sie wurden seinerzeit von einer griechischen Regierung dafür verwendet, zusätzliche Staatsausgaben zu finanzieren. Gehälter für zusätzliche Beamte, höhere Renten, mehr Militär - was halt gerade gewünscht war. Und auch ein großer Teil der neuen Kredite seit 2010 wurde für die Finanzierung solcher Ausgaben verwendet.
Generell ist Ablösung alter durch neue Kredite für die Gesamtschuldensumme irrelevant. "An die Banken" (genauer: an die Gläubiger) gingen letztlich nur die Zinszahlungen. Da hat sich über die Jahre hinweg natürlich einiges addiert - aber umgekehrt hat Griechenland ja auch eine ganz erhebliche Schuldenstreichung bekommen.
Unterm Strich sind also die ausstehenden 300 Milliarden alle über die letzten 15 Jahre "den Griechen" zugute gekommen. Natürlich nicht gleich verteilt: Einige haben davon sehr viel abgegriffen (z. B. Leute mit einem guten Freund in der jeweiligen Regierungspartei), andere gar nichts.
Aber das sind innergriechische Verteilungsfragen und die ändern nichts daran, daß das Geld letztlich in Griechenland und von Griechen konsumiert wurde.

2.) Man könnte aus diversen Darstellungen den Eindruck bekommen, die Troika oder Merkel/Schäuble wären in Griechenland eingefallen um plötzlich irgendwelche Vorstellungen durchzudrücken.
Dem war nicht so.
Vielmehr ist die griechische Regierung in Brüssel aufgetaucht und hat um Hilfe gebeten. Und diese auch bekommen - mit gemeinsam verhandelten Auflagen.
Und auch wenn Varoufakis immer wieder laut erklärt, die Schuldenaufnahme wäre damals ein Fehler gewesen und man wolle auch heute keine Kredite - de facto tauchen er und seine Kollegen regelmäßig wieder auf und wollen neue, zusätzliche Milliarden.
Die ganzen Verhandlungsrunden seit Syriza-Regierungsübernahme waren letztlich nur nötig, weil Griechenland neue Wünsche aufbrachte.

3.) Seit Euro-Einführung ist das griechische Bruttosozialprodukt um 48% gestiegen.
Das hatte aber wenig mit einer wirklich gesteigerten Wirtschaftsleistung zu tun, sondern war eine schuldenfinanzierte Konsumblase. Mit der Reduzierung der Kreditzufuhr nach 2010 ist der entsprechende BSP-Anteil auch wieder weggefallen. Das ist also eine Normalisierung, kein echter Rückgang von Wirtschaftsleistung.
Leider sind das nur Durchschnittswerte. Die Profiteure des Anstiegs sind nicht unbedingt immer dieselben, bei denen jetzt gekürzt wird. Aber auch das sind rein innergriechische Verteilungsfragen.

4.) Regelmäßig werden gerade von linken Politikern Schauermärchen über die sozialen Härten erzählt, die die "Troika" in Griechenland angeblich verursacht hätte. Da ist dann davon die Rede, daß Krebskranke nicht mehr behandelt würden, daß Rentner sich kein Essen mehr kaufen könnten, daß Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bezahlen könnten.
Die Einzelfälle mag es geben - sie wären dann aber ausschließlich Folge schlechter staatlicher Organisation und alleine von der griechischen Regierung zu verantworten. Denn keine "Troika"-Maßnahme schreibt vor, die Behandlung Krebskranker zu streichen usw... . Der griechische Staatshaushalt hat pro Einwohner immer noch höhere Ausgaben als in diversen anderen EU-Staaten. Die Verteilung dieser Ausgaben ist letztlich eine interne griechische Entscheidung. Wenn es also irgendwo soziale Härten gibt, dann ist das von der griechischen Regierung so gewollt.

5.) Selbstverständlich dürfen die Griechen mit demokratischen Wahlen und Beschlüssen ihre Angelegenheiten selber entscheiden. Aber eben nur die eigenen Angelegenheiten.
Es kann nicht Sache griechischer Beschlüsse sein, die Zuschüsse oder Kreditkonditionen auswärtiger Geber festzulegen. Und es ist auch nicht Aufgabe der EU, unrealistische Wahlversprechen zu finanzieren - auch wenn eine Regierung mit diesen Versprechen eine Mehrheit bei Wahlen bekommen hat.

6.) Richtig ist, daß die Tsipras-Regierung nur an den Fehlentwicklungen schuld ist, die seit ihrer Regierungsübernahme entstanden sind. Was ja schon reichlich Stoff für eine so kurze Zeit ist.
Aber verantwortlich ist sie natürlich auch für alles, was Vorgängerregierungen beschlossen und gemacht haben.
Deswegen heißt es "Regierungsverantwortung übernehmen". Syriza hat gewußt, wie die Lage ist und behauptet, eine Lösung liefern zu können. Sie kann sich jetzt also nicht damit herausreden, was ihre Vorgänger angeblich falsch gemacht haben.
Wäre das nicht so, dann könnte sich ja auch die deutsche Regierung hinstellen und darauf verweisen, daß sie mit diversen Maßnahmen der 1933 gewählten Vorgängerregierung nichts zu tun haben will. Und deswegen die Ostgebiete zurückfordern ...

7.) Man kann lange darüber diskutieren, ob Griechenland nicht besser bei seiner eigenen Währung geblieben wäre. Aber das ist eine müßige Diskussion - man muß heute mit der Entwicklung leben, wie sie eben gekommen ist.
Und es wäre kaum möglich, durch die (teure und aufwendige) Wiedereinführung einer eigenen Währung die nötigen Anpassungsmaßnahmen besser durchzuführen als mit dem Euro. Denn alle diese Maßnahmen liefen ja letztlich darauf hinaus, daß mit dieser Währung durch Abwertung reale Gehaltskürzungen durchgeführt würden. Die dann Firmen konkurrenzfähiger machen und den Staatshaushalt sanieren sollen.
Aber in der Wirkung sind solche indirekten Kürzungen in Drachme völlig identisch zu den direkten Kürzungen in Euro. Mit Abwertungspolitik kann man die Kürzung etwas verschleiern und damit Proteste der Betroffenen vermeiden. Aber das geht eben nur, solange der Mechanismus von den Betroffenen nicht verstanden wird.
Nach der Krise der letzten Jahre und nach einer eventuellen Währungsumstellung ist darauf nicht zu hoffen. Der Euro würde inoffizielle Zweitwährung bleiben, jeder Grieche würde seinen Lohn sofort in Euros umrechnen und feststellen, wenn die Regierung ihm etwas kürzt.

Die Zeit der Augenwischerei ist vorbei. Entweder sehen das die Griechen jetzt ein, oder die Lage wird wirklich so schlimm, wie das von den Linken bisher nur behauptet wurde.

R.A.

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