8. Februar 2015

Ein Blick hinter die Theke: Warum wir moderieren, warum wir nicht darüber reden und was wir nicht sind.



Dies ist kein politischer Artikel. Es ist auch kein technischer Artikel. Es ist auch, anders als sonst, keine Aufforderung zum Gedankenaustausch. Es sind meine persönlichen Gedanken zu Moderation, Metadiskussion und Höflichkeit in Diskussionsforen im Allgemeinen. Doch auch wenn es meine Gedanken sind, so spreche ich an dieser Stelle ebenso für meine Mitautoren (auch wenn sie meinen gleich kommenden Vergleich vielleicht nicht ganz so kitschig sehen mögen). Es sind meine Gedanken und entsprechend sind sie gefärbt. 


Kommen wir zum ersten Teil: Warum wir moderieren. Wir moderieren, weil Zettels kleines Zimmer etwas ganz Besonderes ist. Das ist vielen gar nicht so bewusst, aber ich darf, als inzwischen mehr als 20-jähriger Nutzer von Netzforen eines klar sagen: Niveau, Ton und Umgang sind in Zettels kleinem Zimmer, soweit mir bekannt, im deutschen Internet einmalig. Es gibt, zumindest im technischen Bereich, teilweise fachlich hervorragende Foren und es gibt ebenso kleinere Foren, in denen eine gute Stimmung herrscht, was sich vielfach daraus speist, dass sich Leute auch im realen Leben kennen. Aber ich kenne kein offenes Forum, insbesondere kein politisches, wo ein derart höflicher Umgang stattfindet und gelebt wird. Das ist die besondere Leistung des Gründers und ist seinem nicht nachlassenden Furor geschuldet eine Diskussion nur auf dem von ihm geforderten und erwarteten Niveau führen zu wollen. Das ist für uns Autoren sowohl ein Vermächtnis, dass Zettel uns hinterlassen hat, als auch der Grund, warum wir nahezu jeden Tag hier sind.

Wenn ich erklären möchte, was das für mich bedeutet, so möchte ich Sie, lieber Leser, auffordern sich auf meinen folgenden, etwas blumigen, respektive kitschigen, Vergleich einzulassen. Denn ich stelle mir gerne eine wirklich gemütliche, kleine Kneipe vor:

Ich stelle mir den Kollegen vor, der hinter der Bar steht, der andere Kollege in der Küche (ich nenne jetzt keinen Namen, wen ich wo assoziiere), ich stelle mir den einen vor, der immer vor den anderen Gästen da ist, ebenso wie den, der die Tische abräumt. Ich kann mir so diverse Stereotypen vorstellen, und welche Rolle gut zu wem passt (so eine Mischung aus dem Cheers und dem Lite-N-Easy). Und über der Bar hängt irgendwo ein ganz bestimmtes Portrait von Zettel das die meisten wohl noch vor Augen haben. Und ebenso irgendwo sehe ich mich da auch selber drin. Und ich komme gerne her. Wenn ich kann, jeden Abend. Es ist ein Ort wo ein freundlicher Ton herrscht, wo nicht rumgepöbelt wird, wo nicht geschrien wird, wo Menschen unterschiedlicher Meinung sind und dennoch miteinander anstoßen. Das heißt nicht, dass jeder miteinander redet und es heißt auch nicht, dass sich jeder mag. Aber es bedeutet, dass einer nicht dem anderen ins Gesicht spuckt oder sich über seine Aussprache lustig macht. Es bedeutet, dass niemand mit seinem Titel oder seiner Stellung kokettiert oder über des Anderen Bildung oder Aussehen lacht. Ich mag diesen Ort und ich möchte, dass er genau so erhalten bleibt. Damit ich morgen auch gerne wiederkomme.

Dazu braucht es aber ein paar Voraussetzungen: Es braucht Respekt vor dem anderen, auch wenn ich ihn nicht mag. Es braucht Respekt vor denjenigen, die dort arbeiten. Es braucht die Bereitschaft sich auch mal zurückzunehmen. Es braucht die Einsicht auch mal zurückzustecken, wenn man zu Recht gewiesen wird. Es braucht die Notwendigkeit zu unterscheiden zwischen Gefühl und Argument. Und es braucht auch ein gewisses Verständnis für gemeinsame Werte. Wer unsere Grundwerte in Frage stellt (den demokratischen Rechtsstaat), der ist so weit von uns entfernt, dass dieser mit der Atmosphäre, die bei uns herrscht, nicht zusammenpasst. Wer gerne in einer Diskussion mal die Fäuste auspackt und „auf die Straße“ möchte, kann das gerne tun, aber nicht bei uns.

Wenn wir moderieren, dann tun wir das, um genau das zu erreichen. Wir müssen dazwischen gehen, wenn jemand die Regeln verletzt, die unseren Raum erhalten und wir müssen auch schon einmal den einen oder anderen Gast vor die Tür setzen. Letzteres ist besonders traurig, aber es hat nicht jeder Platz in Zettels Raum, so lange Zettels Raum der Ort sein soll, den wir uns vorstellen. Es darf ein jeder einmal das „Experiment“ machen und sich andere Foren ansehen, da schaudert es einen teilweise in welchem Ton sich die Leute angiften. Würden wir nur moderieren was wirklich strafbar ist, dann wäre unser Zimmer ein gänzlich anderes und vermutlich eines, in das ich nicht jeden Tage gerne wiederkomme.

Kommen wir zum zweiten Teil: Warum wir nicht darüber reden. Das ist etwas, was erst recht von vielen nicht verstanden wird, aber auch das lässt sich erklären. Wir reden nicht darüber, weil alle Erfahrung lehrt, dass Metadiskussionen die Atmosphäre noch weit mehr vergiften als der eigentliche Konflikt es schon getan hat. Warum das im Einzelnen so ist, kann man lange diskutieren, es ist ein Erfahrungswert, den man sich ebenso zulegen kann, wenn man Netzforen lange begleitet. Mir erscheint es ein Effekt zu sein, der viel mit dem zu tun hat, was man auch im Fußball beobachten kann. Pfeift der Schiri ein Foul, so stürmen vollkommen unabhängig von der Korrektheit der Entscheidung, mehrere Spieler beider Mannschaften herbei und reden auf den Schiri ein. Auch der Foulspieler selber hebt gewohnheitsmäßig die Hand: „Ich war das nicht“. Natürlich weiß er, dass er kein Recht bekommt, aber die Hoffnung geht dahin den Schiri wenigstens zukünftig für sich einzunehmen. Wenn wir jedes mal, wenn wir etwas moderieren müssen (was wir nicht gerne tun), dann eine solche Sinnlosdiskussion führen müssten, hätten wir ebenso jedes Mal das darunter liegende Thema verdorben. Das wollen wir nicht und das bringt auch nichts. Deswegen unterbinden wir die Diskussion. Nicht weil wir uns für unfehlbar halten, wir machen mit Sicherheit genug Fehler, sondern weil die Diskussion in aller Regel noch mehr Schaden anrichtet. Es ist naheliegend, dass das oftmals einen gewissen Grad an Willkür aufweist. Damit muss man, auch wenn es einem schwer fällt, leben. Das ist der Preis dafür, dass wir Themen besprechen und nicht permanent um den eigene Bauchnabel kreisen.

Ich habe selbst oft genug auf der anderen Seite gesessen. Und ich habe Metadiskussionen angefangen. Es hat nie eine einzige das betreffende Forum besser gemacht. Foren werden gut durch niveauvolle Diskussion, nicht durch Metadiskussion. Ein Moderator wird viel mehr Rücksicht auf jemanden nehmen, der etwas interessantes beizutragen weiß, als auf jemanden, der motzt, weil er sich nicht ausdrücken darf, wie er gerne möchte.

Erlauben Sie mir zum letzten Teil zu kommen, und zu beschreiben, was wir nicht sind, lieber Leser. Wir sind nicht das Wahrheitsministerium, wir sind nicht das Amt für freie Meinungsäußerung, wir sind nicht die Abteilung für Verschwörungen und wir sind auch nicht die Telefonseelsorge. Die Fakten, die wir präsentieren entstammen in aller Regel frei zugänglichen Quellen und die Meinungen, die wir äußern, sind unsere persönlichen Gedanken. Und die sind zwangsnotwendig subjektiv, zweifelnd und am Ende eben genau das, Meinungen. Wir haben keine endgültigen Wahrheiten anzubieten und wir suchen auch keine endgültige Wahrheit.

Was wir dagegen sind ist eine ziemlich bunte Truppe von Leuten, die Informationen aufbereiten, ihre Meinungen zur Diskussion stellen und einen regen Austausch mit anderen darüber suchen. Wer sich unseren Regeln (und das sind nicht viele) unterwirft ist gerne willkommen sich mit uns auszutauschen. Darüber freuen wir uns, dafür machen wir uns die Mühe. Und wenn Sie doch einmal gerüffelt werden, hilft es vielleicht, sich einfach die Theke vorzustellen, an der wir stehen. Da nimmt man es auch mal hin, wenn das Glas runtergefallen ist und man wird sich auch den Schlüssel abnehmen lassen, auch wenn das natürlich ein Eingriff in die persönliche Freiheit ist.

In dem Sinne.

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Llarian


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