Vor einiger Zeit Zeit erschien in der FAZ ein Beitrag
Lisa Herzogs, in welchem sie die Gelegenheit ergriff, einige Gedanken
aus ihrem Buch "Die Freiheit gehört nicht nur den Reichen" in Form einer
Replik auf Karen Horns Rezension zu präzisieren. Ihren Darlegungen möchte ich widersprechen.
Als ich Lisa Herzogs Text zum ersten Mal gelesen hatte, blieb ich zunächst ratlos über den Kern ihrer Botschaft zurück. Zugleich beunruhigte mich ihr Text, ohne daß ich genau verstehen konnte, warum. Ich dachte nach und versuchte, mich dem Verstehen zu nähern. Im Verlauf konnte ich im Wesentlichen an zwei Aussagen festmachen, warum mir ihre Sicht nicht behagt.
Als ich Lisa Herzogs Text zum ersten Mal gelesen hatte, blieb ich zunächst ratlos über den Kern ihrer Botschaft zurück. Zugleich beunruhigte mich ihr Text, ohne daß ich genau verstehen konnte, warum. Ich dachte nach und versuchte, mich dem Verstehen zu nähern. Im Verlauf konnte ich im Wesentlichen an zwei Aussagen festmachen, warum mir ihre Sicht nicht behagt.
Ich beginne mit ihrem letzten Satz:
In diesem Zusammenhang erscheint mir folgender implizit enthaltener Gedanke bemerkenswert: Die Bedrohung der Freiheit ginge von Einzelnen aus und nur das Kollektiv ist imstande, die Freiheit zu schützen. Es ist zwar richtig, daß historisch betrachtet brutale Unterdrückung der Freiheit oft von Diktatoren ausging, daraus aber abzuleiten, die große Gefahr für die Freiheit ginge von Einzelnen aus, ist ein fataler Fehlschluß. Grundlegende Angriffe auf das Wesen der (persönlichen) Freiheit erfolg(t)en (fast) immer durch das Kollektiv. Den Gründungsvätern unseres Grundgesetzes war dieser Umstand, davon bin ich überzeugt, noch lebhaft vor Augen und sie traten ihm mit der überzeugenden Formulierung der Grundrechte im Grundgesetz entgegen.
Ich glaube, dies ist das Dilemma unseres Zeitgeistes bei der Definition von Freiheit, dem sich die Wenigsten entziehen können: Der unbedingte Glaube an das Kollektiv. Das Nichtverstehen dessen, was "Schutz von Minderheiten" wirklich heißt, warum er so eminent wichtig ist und seine zentrale Bedeutung für eine freiheitliche Gesellschaft. In diesem Sinne muß man auch das Individuum als die kleinste mögliche Minderheit einer Gesellschaft verstehen. Und damit ist klar: Freiheit kann nur die persönliche Freiheit sein. Keine andere. Betrachtet man dabei unter diesem Gesichtspunkt den Gedanken, daß die Bedrohung der Freiheit von Einzelnen ausgeht und nur durch das Kollektiv zu schützen ist, wird einem die Perversion dieses Gedankens erst vollends bewußt: Man gibt dem Schlächter den Auftrag, über das Leben des Schlachtviehs zu wachen.
Der zweite Gedankengang Frau Herzogs, dem ich nicht zustimmen kann, entsteht an der Stelle, wo sie von der Moral spricht, die der Liberale angeblich dem Markt zuschreibt. Aus meiner Sicht hat der Markt keine Moral. Er kann keine haben. Moral ist kein Wesenszug an und für sich, den Dinge besitzen oder nicht. Moral kann erst durch Bewußtsein entstehen. Der Markt als Zustandsbeschreibung eines Ergebnisses, welches durch das Wirken von "freien Kräften" zustande kommt, kann keine Moral besitzen. Er kann nur unter den Maßstäben einer durch Menschen empfundenen Moral betrachtet werden. Was Moral dabei ist, beschreibt Frau Herzog in meinen Augen selbst aufs trefflichste:
Natürlich funktionieren auch Gesellschaften, die mehr kulturelle Beschränkungen der persönlichen Freiheit kennen als der Liberalismus. Zum einen ist das dann aber nicht mehr "liberal" zu nennen (im Sinne des "kleinsten gemeinsamen Nenners"), zum anderen wird es, läßt man solche kulturellen Beschränkungen der Freiheit als Freiheit selbst gelten, unmöglich, den Freiheitsbegriff gegen denjenigen von "repressiven Gesellschaftssystemen" abzugrenzen. Wo genau enden zulässige Eingriffe des Kollektivs gegen das Individuum? Mir zumindest ist keine einleuchtende Abgrenzung bekannt. Daher ist in meinen Augen ein anderer Freiheitsbegriff als der persönliche (liberale) immer eine Gratwanderung und in letzter Konsequenz beliebig.
Weiter schreibt Frau Herzog in ihrem Artikel:
Gerade das bedeutet es nicht, "frei" zu sein. Was Sie beschreiben bedeutet, die kulturelle Prägung und die daraus entstehende Moral einer Gesellschaft zu akzeptieren und mit ihr zu leben. Das ist keine Freiheit, sondern die Unterwerfung der persönlichen Freiheit durch das Kollektiv. Das ist der gefährliche Fehlschluß, welcher entsteht, wenn man die Moral (und damit die kulturelle Prägung!) nicht aufgeben möchte als das Maß der Dinge.
An dieser Stelle wird auch klar, wo der argumentative Schwachpunkt derer zu liegen scheint, welche die persönliche Freiheit als grundsätzlichen Wert nicht akzeptieren können: Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen einem Axiom (die persönliche Freiheit) und einer These (die Moral), in welcher es eingebettet ist bzw. sie verdrehen der beiden Bedeutung. Dies ist bei Frau Herzog umso erstaunlicher, als sie den Sachverhalt eigentlich präzise seziert. Sie beschreibt die kulturelle Prägung als Moral und den Versuch der Gesellschaft, darüber eine zulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit zu finden. Trotzdem erkennt Frau Herzog nicht, daß sie damit lediglich versucht, zulässige Angriffe auf die Freiheit zu rechtfertigen und nicht etwa den Begriff der Freiheit (neu) zu definieren.
Das ist die Crux der "deutschen Intellektuellen", der bedingungslose Glaube an die Moral (bzw. das, was sie für "das Gute" halten) als einen absoluten Wert. Trotz der "Beliebigkeit" der Moral wollen sie daher mit ihr als Axiom die Freiheit herleiten. Sie sind diesem Gedanken so verhaftet, daß sie ihn umgekehrt nicht mehr denken können. Sie erweitern stattdessen Begriffe, um darin ihre Widersprüche zu verstecken, weil das Erweitern von Begriffen immer einen Verlust von Klarheit bedeutet. Begriffe müssen exakt definiert sein, will man Erkenntnis gewinnen. Ansonsten ist zu viel begriffliche Unschärfe im Spiel, um einen Sachverhalt exakt beschreiben zu können. So etwas wie eine "Heisenbergsche Unschärferelation der Philosophie": Der beschriebene Zustand kann nicht exakter sein als die verwendeten Begriffe. In diesem Sinne entspricht die Erweiterung des Freiheitsbegriffs zur Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustandes, bildlich gesprochen, einem Herzchirurgen, der das Skalpell durch eine Holzfälleraxt ersetzt, in der Hoffnung, damit ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Hierin liegt letztendlich auch der Grund für das ganze „Aneinander-vorbei-Reden“ bei allen Feuilletondebatten. Es entsteht dadurch, daß jeder die Begriffe des Gegenübers in seiner eigenen, zu weit gefaßten Definition versteht. Es entsteht eine Unschärfe, innerhalb derer jeder verstehen kann, was er möchte. Das Ausbleiben von Erkenntnisgewinn ist garantiert.
Dabei ist die Begriffsdefinition der Freiheit so einfach wie fundamental: Die Freiheit des Menschen kann nur eine persönliche sein. Ist sie es nicht, muß Zwang im Spiel sein. Wer die Freiheit anders denn als persönliche Freiheit definiert, definiert nur eingeschränkte Formen der Freiheit, die er persönlich noch für Freiheit hält. Damit definiert er eine Beliebigkeit, die alles bedeuten kann und nichts und die damit keinen Wert mehr hat.
Am Ende meiner Gedanken möchte ich noch eine Anleihe aus den Naturwissenschaften nehmen. In der Mathematik wie der Physik ist die "Einfachheit" einer Gleichung ein grundlegendes Element der Ästhetik, welches Ausdruck der "Manifestation ihrer Wahrheiten" ist. Man denke nur an Einsteins E=mc2 und die Tiefe der Erkenntnis in dieser simplen Gleichung. Genauso ist die Symmetrie ein fundamentales Prinzip. Aus reinen Symmetrieüberlegungen heraus ergaben sich oft neue, grundsätzliche Einsichten und leistungsstarke Theorien, wie zum Beispiel die spezielle Relativitätstheorie, das Quark-Modell oder auch die Erhaltungssätze der Physik.
Das gegensätzliche Paar von persönlicher Freiheit und Moral (kultureller Prägung) und die überzeugende Relation der beiden im Liberalismus, welcher ihren "kleinsten gemeinsamen Nenner" findet, besitzt eine solche Ästhetik in ihrer Schlichtheit und eine solch perfekte innere Symmetrie, daß ich fest von der tieferen, innewohnenden Wahrheit überzeugt bin: "Die Freiheit des einen Individuums endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt."
Deswegen ergreife ich Partei für den Liberalismus, für die persönliche Freiheit. Deswegen widerspreche ich, wenn man die Einschränkung der persönlichen Freiheit als die wahre, neue Freiheit verkaufen will.
Deswegen widerspreche ich, wenn man das Wesen der Freiheit zu ihrer eigenen Beschränkung umdeuten will.
Ich beginne mit ihrem letzten Satz:
Für diese Debatte wollte ich in meinem Buch Denkanstöße geben, ohne konkrete Politikvorschläge zu machen […], weil es in einer liberalen Gesellschaft nicht die Aufgabe von Philosophen (oder Ökonomen!), sondern die aller Individuen ist, diese Fragen zu stellen und konkrete Lösungen zu finden.Für mich klingt dies wie eine Flucht vor den Konsequenzen ihrer eigenen Gedanken. Frau Herzog verwehrt sich selbst einen Vorschlag mit der Begründung, einen solchen zu unterbreiten sei die Aufgabe aller. Wie sollen alle aber dieser Aufgabe gerecht werden, wenn nicht jeder einzelne, also auch sie, seine Vorschläge zur Diskussion stellt? Es scheint fast so, als sähe sie die Gefahr der Beschränkung von persönlicher Freiheit im Handeln einzelner, mit irgendeiner Art von Macht ausgestatteter Menschen, die fehlgeleitet sein könnten. Sie versucht daher, diese Gefahr zu eliminieren, indem sie die Beschränkungen der Freiheit allen Individuen überläßt: Dem Kollektiv also, welches demnach wohl zur Beschränkung der Freiheit in gewissem Sinne taugt.
In diesem Zusammenhang erscheint mir folgender implizit enthaltener Gedanke bemerkenswert: Die Bedrohung der Freiheit ginge von Einzelnen aus und nur das Kollektiv ist imstande, die Freiheit zu schützen. Es ist zwar richtig, daß historisch betrachtet brutale Unterdrückung der Freiheit oft von Diktatoren ausging, daraus aber abzuleiten, die große Gefahr für die Freiheit ginge von Einzelnen aus, ist ein fataler Fehlschluß. Grundlegende Angriffe auf das Wesen der (persönlichen) Freiheit erfolg(t)en (fast) immer durch das Kollektiv. Den Gründungsvätern unseres Grundgesetzes war dieser Umstand, davon bin ich überzeugt, noch lebhaft vor Augen und sie traten ihm mit der überzeugenden Formulierung der Grundrechte im Grundgesetz entgegen.
Ich glaube, dies ist das Dilemma unseres Zeitgeistes bei der Definition von Freiheit, dem sich die Wenigsten entziehen können: Der unbedingte Glaube an das Kollektiv. Das Nichtverstehen dessen, was "Schutz von Minderheiten" wirklich heißt, warum er so eminent wichtig ist und seine zentrale Bedeutung für eine freiheitliche Gesellschaft. In diesem Sinne muß man auch das Individuum als die kleinste mögliche Minderheit einer Gesellschaft verstehen. Und damit ist klar: Freiheit kann nur die persönliche Freiheit sein. Keine andere. Betrachtet man dabei unter diesem Gesichtspunkt den Gedanken, daß die Bedrohung der Freiheit von Einzelnen ausgeht und nur durch das Kollektiv zu schützen ist, wird einem die Perversion dieses Gedankens erst vollends bewußt: Man gibt dem Schlächter den Auftrag, über das Leben des Schlachtviehs zu wachen.
Der zweite Gedankengang Frau Herzogs, dem ich nicht zustimmen kann, entsteht an der Stelle, wo sie von der Moral spricht, die der Liberale angeblich dem Markt zuschreibt. Aus meiner Sicht hat der Markt keine Moral. Er kann keine haben. Moral ist kein Wesenszug an und für sich, den Dinge besitzen oder nicht. Moral kann erst durch Bewußtsein entstehen. Der Markt als Zustandsbeschreibung eines Ergebnisses, welches durch das Wirken von "freien Kräften" zustande kommt, kann keine Moral besitzen. Er kann nur unter den Maßstäben einer durch Menschen empfundenen Moral betrachtet werden. Was Moral dabei ist, beschreibt Frau Herzog in meinen Augen selbst aufs trefflichste:
Reale Menschen dagegen leben in sozialen Gemeinschaft [sic!]. Sie werden in bestimmte Kulturen hineinsozialisiert, und internalisieren die in ihnen vorherrschenden Normen. […] Aber das heißt nicht, dass ein selbstbestimmtes Leben nicht weiterhin ein Wert, vielleicht sogar der höchste Wert einer modernen Gesellschaft sein könnte. Nur ist es ein Wert, den wir uns sozusagen erarbeiten müssen, der der “natürlichen” – im Sinne von historisch dominanten – Form menschlichen Zusammenlebens geradezu abgerungen werden muss.Eine hervorragende Analyse in meinen Augen, die mir selbst etwas klar machte: "Moral ist die für einen Menschen durch seine kulturelle Prägung entstandene, zulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit." Um es auf die Spitze zu treiben: Moral und persönliche Freiheit sind Antipoden. Sie vertragen sich nicht, weil sich persönliche Freiheit und "begrenzende Regeln" nun einmal nicht vertragen können. Das Besondere am Liberalismus erscheint mir unter diesem Aspekt die Tatsache, daß er sich mit einer in der persönlichen Freiheit inhärenten Beschränkung zufrieden gibt, nämlich eben jenen "begrenzenden Regeln", welche die persönliche Freiheit des Individuums gegen die der anderen Individuen des Kollektivs schützen. Somit ist der Liberalismus der "kleinste gemeinsame Nenner" von kultureller Prägung und persönlicher Freiheit.
Natürlich funktionieren auch Gesellschaften, die mehr kulturelle Beschränkungen der persönlichen Freiheit kennen als der Liberalismus. Zum einen ist das dann aber nicht mehr "liberal" zu nennen (im Sinne des "kleinsten gemeinsamen Nenners"), zum anderen wird es, läßt man solche kulturellen Beschränkungen der Freiheit als Freiheit selbst gelten, unmöglich, den Freiheitsbegriff gegen denjenigen von "repressiven Gesellschaftssystemen" abzugrenzen. Wo genau enden zulässige Eingriffe des Kollektivs gegen das Individuum? Mir zumindest ist keine einleuchtende Abgrenzung bekannt. Daher ist in meinen Augen ein anderer Freiheitsbegriff als der persönliche (liberale) immer eine Gratwanderung und in letzter Konsequenz beliebig.
Weiter schreibt Frau Herzog in ihrem Artikel:
Frei zu sein, bedeutet, sich dieser Einflüsse bewusst zu werden, und eine gewisse Distanz zu erreichen – und sich gegenseitig als freie Menschen ernst zu nehmen, als Individuen, die moralische Verantwortung übernehmen können, trotz all unserer menschlicher Schwächen, die wir durchaus aneinander und an uns selbst wahrnehmen können.Nein, Frau Herzog!
Gerade das bedeutet es nicht, "frei" zu sein. Was Sie beschreiben bedeutet, die kulturelle Prägung und die daraus entstehende Moral einer Gesellschaft zu akzeptieren und mit ihr zu leben. Das ist keine Freiheit, sondern die Unterwerfung der persönlichen Freiheit durch das Kollektiv. Das ist der gefährliche Fehlschluß, welcher entsteht, wenn man die Moral (und damit die kulturelle Prägung!) nicht aufgeben möchte als das Maß der Dinge.
An dieser Stelle wird auch klar, wo der argumentative Schwachpunkt derer zu liegen scheint, welche die persönliche Freiheit als grundsätzlichen Wert nicht akzeptieren können: Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen einem Axiom (die persönliche Freiheit) und einer These (die Moral), in welcher es eingebettet ist bzw. sie verdrehen der beiden Bedeutung. Dies ist bei Frau Herzog umso erstaunlicher, als sie den Sachverhalt eigentlich präzise seziert. Sie beschreibt die kulturelle Prägung als Moral und den Versuch der Gesellschaft, darüber eine zulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit zu finden. Trotzdem erkennt Frau Herzog nicht, daß sie damit lediglich versucht, zulässige Angriffe auf die Freiheit zu rechtfertigen und nicht etwa den Begriff der Freiheit (neu) zu definieren.
Das ist die Crux der "deutschen Intellektuellen", der bedingungslose Glaube an die Moral (bzw. das, was sie für "das Gute" halten) als einen absoluten Wert. Trotz der "Beliebigkeit" der Moral wollen sie daher mit ihr als Axiom die Freiheit herleiten. Sie sind diesem Gedanken so verhaftet, daß sie ihn umgekehrt nicht mehr denken können. Sie erweitern stattdessen Begriffe, um darin ihre Widersprüche zu verstecken, weil das Erweitern von Begriffen immer einen Verlust von Klarheit bedeutet. Begriffe müssen exakt definiert sein, will man Erkenntnis gewinnen. Ansonsten ist zu viel begriffliche Unschärfe im Spiel, um einen Sachverhalt exakt beschreiben zu können. So etwas wie eine "Heisenbergsche Unschärferelation der Philosophie": Der beschriebene Zustand kann nicht exakter sein als die verwendeten Begriffe. In diesem Sinne entspricht die Erweiterung des Freiheitsbegriffs zur Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustandes, bildlich gesprochen, einem Herzchirurgen, der das Skalpell durch eine Holzfälleraxt ersetzt, in der Hoffnung, damit ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Hierin liegt letztendlich auch der Grund für das ganze „Aneinander-vorbei-Reden“ bei allen Feuilletondebatten. Es entsteht dadurch, daß jeder die Begriffe des Gegenübers in seiner eigenen, zu weit gefaßten Definition versteht. Es entsteht eine Unschärfe, innerhalb derer jeder verstehen kann, was er möchte. Das Ausbleiben von Erkenntnisgewinn ist garantiert.
Dabei ist die Begriffsdefinition der Freiheit so einfach wie fundamental: Die Freiheit des Menschen kann nur eine persönliche sein. Ist sie es nicht, muß Zwang im Spiel sein. Wer die Freiheit anders denn als persönliche Freiheit definiert, definiert nur eingeschränkte Formen der Freiheit, die er persönlich noch für Freiheit hält. Damit definiert er eine Beliebigkeit, die alles bedeuten kann und nichts und die damit keinen Wert mehr hat.
Am Ende meiner Gedanken möchte ich noch eine Anleihe aus den Naturwissenschaften nehmen. In der Mathematik wie der Physik ist die "Einfachheit" einer Gleichung ein grundlegendes Element der Ästhetik, welches Ausdruck der "Manifestation ihrer Wahrheiten" ist. Man denke nur an Einsteins E=mc2 und die Tiefe der Erkenntnis in dieser simplen Gleichung. Genauso ist die Symmetrie ein fundamentales Prinzip. Aus reinen Symmetrieüberlegungen heraus ergaben sich oft neue, grundsätzliche Einsichten und leistungsstarke Theorien, wie zum Beispiel die spezielle Relativitätstheorie, das Quark-Modell oder auch die Erhaltungssätze der Physik.
Das gegensätzliche Paar von persönlicher Freiheit und Moral (kultureller Prägung) und die überzeugende Relation der beiden im Liberalismus, welcher ihren "kleinsten gemeinsamen Nenner" findet, besitzt eine solche Ästhetik in ihrer Schlichtheit und eine solch perfekte innere Symmetrie, daß ich fest von der tieferen, innewohnenden Wahrheit überzeugt bin: "Die Freiheit des einen Individuums endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt."
Deswegen ergreife ich Partei für den Liberalismus, für die persönliche Freiheit. Deswegen widerspreche ich, wenn man die Einschränkung der persönlichen Freiheit als die wahre, neue Freiheit verkaufen will.
Deswegen widerspreche ich, wenn man das Wesen der Freiheit zu ihrer eigenen Beschränkung umdeuten will.
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