31. Juli 2012

Zitat des Tages: "Spiegel-Online" über Romneys Reise. Als Gegenmittel dazu eine amerikanische Stimme

Die Palästinenser werfen ihm Rassismus vor, die Briten sind sauer, Polens Solidarnosc mag ihn nicht: US-Präsident­schafts­kandidat Mitt Romney hat in Europa und Nahost eine Woche der Pannen und Patzer hingelegt.
Vorspann zu einem Artikel in "Spiegel-Online" zu Mitt Romneys Reise nach Israel und Europa.

Kommentar: Wie fast die gesamte deutsche Bericht­erstattung zu dem republikanischen Kandidaten Romney könnte auch dieser Artikel direkt im Wahlkampf-Hauptquartier Obamas gefertigt worden sein. (Für ein anderes Beispiel siehe diesen Beitrag in Zettels kleinem Zimmer).

Natürlich gibt es auch in den USA linke Kommentatoren, die ins selbe Horn stoßen. Aber man kann Romneys Reise auch ganz anders sehen; so etwa, wie das in der Washington Post gestern deren Kolumnist Marc A. Theissen getan hat.

Theissen hält sich nicht mit angeblichen "Patzern" Romneys auf, sondern analysiert die außenpolitische Substanz von Romneys Reise. Obama hat - so Theissen - fünf Fehler im Umgang mit Israel und Polen gemacht, die Romney jetzt zu reparieren versucht:
  • Er hat vergangenes Jahr Netanyahu brüskiert, als er unmittelbar vor dessen Reise nach Washington (er sollte vor dem Kongreß sprechen) erklärte, eine Friedensregelung solle auf den Grenzen von 1967 basieren, mit einem gewissen Gebietstausch in gegenseitigem Einvernehmen. Israel war entgegen dem Brauch unter befreundeten Nationen nicht zuvor von diesem Vorschlag Obamas unterrichtet worden, der für Israel unannehmbar ist.

  • Obama und Sarkozy tauschten sich rüde über Netanyahu aus (Sarkozy: "Er ist ein Lügner". Obama: "Ihnen hängt er zum Hals raus, aber ich muß täglich mit ihm arbeiten"). Das Gespräch konnte mitgehört werden.

  • Ausgerechnet am 70. Jahrestag der sowjetischen Invasion Polens teilte Obama der polnischen Regierung mit, daß er den Plan aufgeben werde, in Polen amerikanische Raketenabwehr-Raketen zu stationieren. Dies hätte Polen einen zuverlässigen Schutz gegen russische Erpressungsversuche geboten. Moskau hatte vehement protestiert, und Obama hatte diesem Druck nachgegeben.

  • Immerhin sollte es für dieses System einen Ersatz geben, irgendwann. Aber auch diese Zusage Obamas war offenbar nichts wert. In einer wiederum für andere mithörbaren Konversation mit Medwedew teilte Obama diesem mit, daß er in dieser Frage nach seiner Wiederwahl "flexibler" sein werde. Medwedew: "Ich werde das Wladimir übermitteln".

  • In einer Rede zu Ehren des polnischen Widerstandskämpfers Jan Karski sprach Obama von "polnischen Vernichtungslagern". Er entschuldigte sich später schriftlich.
  • Was von diesen Dingen beabsichtigt, was Versehen war, sei dahingestellt. Theissen nennt das, was ich mit "Fehler" übersetzt habe, gaffes. Zum Teil würde auch "Patzer" oder "Schnitzer" passen; aber beispielsweise die Brüskierung Netanyahus oder das Kuschen vor dem Druck Moskaus dürften eher kalkulierte Entscheidungen Obamas gewesen sein.

    Romney hat jetzt Polen signalisiert, daß unter seiner Präsidentschaft die alte Partnerschaft wieder hergestellt werden würde. Auch Israel würde sich auf einen Präsidenten Romney verlassen können. Dies deutlich zu machen war der Sinn der Reise; natürlich auch im Hinblick auf den Wahlkampf (siehe Romney und Obama aus Sicht der Israelis. Wie werden sich im November die jüdischen Wähler entscheiden?; ZR vom 29. 7, 2012).



    Aus dem Artikel in "Spiegel-Online":
    Plötzlich steht die Frage im Raum: Hat Romney überhaupt die Statur fürs höchste Amt?
    Weil er zu den Freunden und Allierten der USA steht, so wie das von Eisenhower bis George W. Bush ein Grundpfeiler amerikanischer Politik gewesen war; aber nicht mehr unter Barack Obama?
    Zettel



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