17. Juli 2012

Kurioses, kurz kommentiert: "Man fragt sich schon, was die zu verbergen haben". Intransparente Piraten. Nebst einem Schuß Psychoanalyse

Man fragt sich schon, was die zu verbergen haben.
Frank Rieger, Erster Vorsitzender des Deutsche Journalisten-Verbands (DJV) Niedersachsen, über eine Regelung, die von der "Piratenpartei Deutschland" für ihren niedersächsischen Parteitag am kommenden Wochenende vorgesehen ist: Journalisten sollen von dem Parteitag keine Video-Aufnahmen machen dürfen, außer in einer abgegrenzten "Mixed Zone".

Kommentar: Wollte man mit psychoanalytischen Kriterien an diese Partei herangehen, dann wäre hier das zu diagnostizieren, was Freud einen "Ambivalenzkonflikt" nannte.

Diese Partei will Transparenz bis in den letzten Winkel, und sie will zugleich extremsten Schutz vor Transparenz. Sie ähnelt darin - um noch einmal die Psychopathologie zum Vergleich (nur zum Vergleich!) heranzuziehen - dem Voyeur, der sich selbst ängstlich verbirgt.

Alles soll allen bekannt werden. Nichts soll allen bekannt werden. Die Trennlinie zwischen den beiden Seiten dieses Ambivalenzkonflikts versuchen die Piraten mit der künstlichen Trennung zwischen "öffentlich" und "privat" zu ziehen. So, als ob nicht heute das Privatleben jedes politisch Tätigen Teil seines Auftretens in der Öffentlichkeit wäre; und als ob nicht im Zeitalter von Facebook und Twitter die Trennung zwischen privat und öffentlich überhaupt immer mehr verschwimmt.

Zu welchen kuriosen Folgen bei der Piratenpartei dieses Nebeneinander von strikter Transparenz- und strikter Privatheitsforderung führt, habe ich in früheren Artikeln an zwei Beispielen gezeigt:
  • Den nachgerade paranoiden Verschlüsselungs-Klimmzügen, mit denen erreicht werde soll, daß bei Abstimmungen mittels liquid feedback niemand von niemandem etwas weiß - wohl aber der Bundesvorstand von allen (Die Paranoia der Piratenpartei. Sie fordern totale Transparenz, aber bitteschön unter strengster Anonymität; ZR vom 8. 11. 2011).

  • Dem Versuch des Berliner Landesvorstands der "Piraten", dem Transparenzgebot dadurch zu entkommen, daß er seine Sitzung im Schutz einer Privatwohnung abhielt (Wie die Basisdemokratie und wie die Transparenz bei der Piratenpartei funktioniert. In Berlin jedenfalls; ZR vom 17. 5. 2012).
  • Und warum soll jetzt am Wochenende beim Parteitag in Wolfenbüttel die filmende Presse außen vor bleiben? "Spiegel-Online":
    Hintergrund des Verbots ist, dass die Partei die Privatsphäre der Parteimitglieder schützen will. (...) In der Tat entzünden sich auf Parteitagen der Piraten immer wieder Streitigkeiten über die Aufnahmen von Kamerateams. Eine Gruppe der Parteimitglieder fühlt sich in ihrer Privatsphäre verletzt, wenn ihre Computerbildschirme abgefilmt werden.
    Was mögen die wohl während eines Parteitags auf dem Schirm haben, das man im Video eines Kamerateams erkennen kann? Honi soit qui mal y pense.­
    Zettel



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