9. Juli 2012

Der sozial denkende Obama, der sozial kalte Mitt Romney? Etwas aus dem Leben der beiden Kandidaten, das Sie vermutlich nicht wissen

Vor vier Wochen hatte der "Spiegel" eine Titelgeschichte, die einen Tiefpunkt in der Geschichte des Blatts markierte. Das Thema war der Wahlkampf von Barack Obama gegen Mitt Romney; geschildert vor dem Hintergrund von Obamas Bilanz in seiner zu Ende gehenden Amtszeit.

Die Autoren dieses Artikels - Ullrich Fichtner, Marc Hujer und Gregor Peter Schmitz - versuchten gar nicht erst den Eindruck einer fairen Berichterstattung zu erwecken.

Der Artikel hätte vom Wahlkampfteam Obamas erstellt worden sein können; mit der Botschaft: Ohne die Obstruktion durch die Republikaner hätte Obama eine erfolgreiche Präsidentschaft hingelegt. Weil diese und vor allem die Tea Party ihm, wo sie nur konnten, Knüppel zwischen die Beine warfen, konnte er leider nicht alle seine für die USA doch so wichtigen Ziele erreichen.

Ich habe damals diesen Artikel und den publizistischen Niedergang des "Spiegel", der in dieser parteilichen, nachgerade agitatorischen Berichterstattung zum Ausdruck kommt, ausführlich kommentiert (Zettels Meckerecke: Schäm dich, "Spiegel"!; ZR vom 12. 6. 2012). Jetzt möchte ich an das Fazit der drei Autoren anküpfen:
Was hat Obama unternommen, um die vielen gravierenden Probleme seines großen Landes anzugehen? Nicht genug. Hätte er mehr leisten können, auch im Rest der Welt? Wahrscheinlich. Haben ihn die Republikaner verhungern lassen? Zweifellos. Wäre aber ihr Kandidat, Mitt Romney, der rätselhafte, steinreiche Mormone, der bessere Präsident? Ganz sicher nicht.
Hier der gute Mensch, der sozial denkende Idealist Obama, dort der steinreiche Mann, der undurchschaubar bleibt, der Mann der sozialen Kälte - das sind die Klischees über die beiden Kandidaten, die in Deutschland nicht nur vom "Spiegel" gepflegt werden.

Wie sehr denken aber tatsächlich die beiden Kandidaten sozial; wie haben sie sich in Situationen verhalten, die ihr persönliches soziales Engagement verlangten? Dazu ist heute im konservativen Internet-Magazin American Thinker ein interessanter Artikel von Karin McQuillan erschienen.

McQuillian ist von Beruf Psychotherapeutin und arbeitet jetzt als politische Kolumnistin und Romanautorin. Sie kennt Afrika aus ihrer Zeit im Peace Corps in Senegal und läßt ihre Romane in Kenya spielen. Das zu wissen ist wichtig für das, was sie in dem Artikel über Barack Obama schreibt; nämlich über die Art, wie er seine Verwandten in Kenya behandelt. McQuillian kontrastiert das mit einer Episode aus dem Leben von Mitt Romney.



Barack Obama, Sohn einer weißen Mutter und eines Vaters aus Kenya, aufgewachsen im multiethnischen Honolulu und in Indonesien, hat, wie zum Beispiel in der Biographie von David Maraniss nachzulesen ist, sehr bewußt seine Entscheidung für eine Identität als Schwarzer getroffen; und zwar in seiner Studentenzeit in New York. Er kenne niemanden, der sich so bewußt für eine schwarze Identität entschieden habe, erinnert sich ein Studienkollege.

In seinem Buch "Dreams from My Father" (deutsch "Ein amerikanischer Traum") schildert Obama, wie wichtig ihm die afrikanische Herkunft seines Vaters und seine Verwandt­schaft in Kenya sei. Er hat sie mehrfach besucht; beispielsweise seine Stief-Großmutter (sein Großvater hatte mehrere Frauen) Sarah Obama, die in dem kleinen Dorf Kogelo lebt.

Sie gehört dort zu den Wohlhabenderen, denn ihre Hütte hat ein Blechdach, keines aus Stroh; aber weder Strom noch fließendes Wasser. In dem Dorf gibt es viele Verwandte Obamas - seinen Vetter Nicholas Rajula zum Beispiel. Andere leben in dem Dorf Kobama ("Obama-Dorf"), das in der Nähe liegt, oder sind in eine Stadt gezogen.

Sein Halbbruder George beispielsweise lebt jetzt in einer Slumhütte in Nairobi, nachdem er lange obdachlos gewesen war. Obama hat sich mit ihm zweimal getroffen und beschreibt ihn in seinem Buch als einen "hübschen Jungen mit einem Rundkopf".

Um keinen dieser oft notleidenden Verwandten hat sich Obama jemals gekümmert; auch nicht, nachdem er sie teilweise mehrfach getroffen hatte. In den beiden Dörfern, in denen seine Familie lebt, gibt es einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung, weil Touristen dorthin kommen, seit ihr Verwandter US-Präsident ist. Aber der Multimillionär Barack Obama (geschätztes Vermögen: 7,3 Millionen Dollar Minimum) hat durch eigene finanzielle Hilfe dazu nichts beigetragen.

Der im Slum lebende George Obama schämt sich seines Bruders. Einem Reporter des Magazins Vanity Fair sagte er:
If anyone says something about my surname, I say we are not related. I am ashamed. No-one knows who I am. I live here on less than a dollar a month. I live like a recluse, no-one knows I exist.

Wenn jemand etwas über meinen Familiennamen sagt, dann sage ich, daß wir nicht verwandt sind. Ich schäme mich. Niemand weiß, wer ich bin. Ich lebe hier von weniger als einem Dollar im Monat. Ich lebe hier wie ein Einsiedler, niemand weiß, daß es mich gibt.
Karin McQuillian weist dazu auf eine Stimme aus einem afrikanischen Forum hin:
President Obama has ignored his African family line. President Obama doesn't help any of his relatives in Kenya. This poor grandmother of 90 years still lives in absolute poverty in a small village in Kenya and she gets no help at all from Obama. Obama's half brother George Obama still lives in the slums in Kenya and gets no help at all from his elder brother Barack Obama the president of the richest country on earth which is very sad. The American presidency can never buy you a new family line so if you ignore your family line just because of your position then you are not being a good person at all.

Präsident Obama ignoriert den afrikanischen Zweig seiner Familie. Präsident Obama hilft keinem seiner Verwandten in Kenya. Diese arme Großmutter von 90 Jahren lebt noch immer in vollständiger Armut in einem Dorf in Kenya, und sie bekommt keinerlei Hilfe von Obama. Obamas Halbbruder George Obama lebt noch immer in den Slums von Kenya und erhält keinerlei Hilfe von seinem älteren Bruder Barack Obama, Präsident des reichsten Landes der Welt. Das ist sehr traurig. Damit, daß man amerikanischer Präsident ist, kann man sich keine neue Verwandtschaft kaufen. Wenn jemand nur wegen seiner Position seine Verwandtschaft ignoriert, dann ist er bestimmt kein guter Mensch.
Die Psychotherapeutin McQuillian beschreibt Barack Obama als einen narzißstischen Menschen, dessen Denken zwar um Ideen wie Ungerechtigtkeit und Unterdrückung kreist, den aber konkrete Menschen mit ihrem Leid kalt lassen. Das kontrastiert sie mit der Persönlichkeit Mitt Romneys, den sie als einen Menschen mit echtem Interesse am Schicksal seiner Mitmenschen charakterisiert.



Dazu schildert McQuillian eine Episode aus Romneys Leben; aus dem Jahr 1996:

Romney war damals Präsident des Unternehmens Bain Capital. Einer seiner Angestellten kam verstört zu ihm: Seine 14jährige Tochter war verschwunden. Sie war heimlich zu einem Raver-Festival nach New York gefahren und nicht zurückgekehrt. Eine Freund sagte, sie hätte Ecstasy genommen und sei zuletzt beim Feiern unter einer Brücke gesehen worden.

Die meisten Arbeitgeber, meint McQuillian, hätten ihrem Angestellten Hilfe angeboten - bei der Einschaltung der Polizei; vielleicht, indem sie ihm einen Privatdetektiv bezahlten.

Romney aber tat folgendes: Er schloß seine Firma vorübergehend und flog mit seinen damals 30 Angestellten nach New York. 48 Stunden lang durchkämmten sie die Straßen der Gegend, in der die Tochter zuletzt gesehen worden war, und fragten nach dem Mädchen.

Dann schaltete Romney Geschäftsfreunde ein, um bei der Suche zu helfen. Zum Schluß waren es 200 Leute, die unterwegs waren. Er ließ 300.000 Flugblätter drucken und verteilen, in denen die Nummer einer Hotline angegeben war.

Einer der Anrufe, von einem jungen Mann, brach ab, konnte aber von der Polizei rückverfolgt werden. Er führte zu der Gesuchten.

Eine Geschichte, zu schön, um wahr zu sein, und für den Wahlkampf erfunden? Nein. Es gibt dazu einen Fact Check, der alles bestätigt. Sie können dort auch die Einzelheiten nachlesen.



Im Titel äußere ich die Vermutung, daß Sie diese Episoden aus dem Leben von Obama, von Romney vermutlich nicht kannten. In den USA ist das anders; dort wird das diskutiert und bewertet. Aber was von der inneramerikanischen Diskussion in den deutschen Medien ankommt, ist gewissermaßen durch den Filter von Journalisten gegangen, die in ihrer großen Mehrheit links stehen.

Das gilt nicht nur dafür, wie sie die Personen Obama und Romney darstellen. In dem eingangs zitierten Artikel des "Spiegel" heißt es beispielsweise auf Seite 87 über die Tea Party-Bewegung:
Schlimmer als je zuvor verbünden sich in ihr Hinterwäldlertum mit Großmannssucht, Verschwörungs­theorien mit mangelnder Bildung. Ihre Anhänger repräsentieren finstere Klischees eines unterbelichteten Amerika, in dem sich Menschen tummeln, die auch nichts dagegen hätten, wenn so manches moderne Buch verbrannt würde.
Nehmen Sie sich bitte zwei oder drei Minuten Zeit und lesen Sie nach, wie es wirkliich mit der Bildung der Anhänger dieser Bewegung steht und welche Auffassungen sie (laut einer Umfrage für die New York Times und CBS News) tatsächlich vertreten: Ein Haßprediger. Nebst Informationen über die amerikanische "Tea-Party"-Bewegung; ZR vom 2. 11. 2010.

Diejenigen, die sich selbst als Anhänger der Tea Party bezeichen, sind zu 37 Prozent Akademiker mit abgeschlossenem Studium (college graduate oder postgraduate). In der Gesamtbevölkerung der USA haben nur 25 Prozent einen derartigen Abschluß.

Nur 29 Prozent der Anhänger der Tea Party-Bewegung haben kein College besucht; davon fehlt 3 Prozent auch der Abschluß einer High School. Unter allen Amerikanern ist es mit 47 Prozent fast die Hälfte, die ohne College-Ausbildung sind. Der Anteil derer auch ohne High-School-Abschluß liegt bei allen Amerikanern mit 12 Prozent viermal so hoch wie bei den Anhängern der Tea Party.

Das sind die Menschen, die laut "Spiegel" unter "mangelnder Bildung" leiden und "finstere Klischees eines unterbelichteten Amerika" repräsentieren.

Hier noch einmal die Namen der drei Autoren, von denen Sie jetzt wissen, daß man ihnen nichts glauben darf: Ullrich Fichtner, Marc Hujer, Gregor Peter Schmitz.
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Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Barack Obama mit der Trägerin des Friedensnobelpreises Wangari Maathai am 28. August 2006 in Kenya. Vom Autor Fredrick Onyango unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz frreigegeben.