Was trägt man diesen Sommer im Iran? Als Frau erkundigt man sich besser nicht bei seinem Couturier oder bei der Redaktion einer Modezeitschrift, sondern bei der Polizei.
Alljährlich, wenn es in Persien heiß wird - in Teheran liegt die durchschnittliche Tagestemperatur im Juli bei 37 Grad; Temperaturen über 40 Grad sind nicht selten -, wächst bei den Frauen die Versuchung, es bei der Kleidung ein wenig lockerer angehen zu lassen. Der Sommer ist folglich die Hochsaison der Moralpolizei, deren männliche und weibliche Beamte, in gemischten Streifen unterwegs, in dieser Jahreszeit ihren religiösen Eifer verdoppeln.
Von der Moralpolizei verhaftet werden kann jede Frau, die in der Öffentlichkeit nicht mindestens den Hidschab trägt, das um Kopf und Hals geschlungene Kopftuch (siehe Titelvignette); dazu eine lange Jacke, die mit dem französischen Wort Manteau (Mantel) bezeichnet wird. Man kann aber in persischen Städten auch Frauen sehen, die so gekleidet sind:
Diese Frau trägt eine Vollverschleierung (Tschador mit Niqab) und betätigt sich an einem Fitneß- oder Spielgerät in einem Park im Norden Teherans. Weitere Beispiele für islamisch korrekte Bekleidung können Sie auf diese iranischen Modeschau sehen.
In der Washington Post hat gestern Jason Rezaian über die aktuelle Lage an der iranischen Moralfront berichtet. Sie ist durch ein - verglichen mit früheren Jahren - schärferes Vorgehen der Moralpolizei gekennzeichnet. Dabei werden nicht nur die betreffenden Frauen ins Visier genommen, sondern auch diejenigen, die Verstöße gegen die islamische Kleiderordnung dulden; etwa als Inhaber von Lokalen.
Allein in Teheran wurden in den vergangenen Wochen aus solchen Gründen 53 Cafés und 87 Restaurants geschlossen. Dabei umfassen die Verstöße nicht nur den fehlenden oder unvollständigen Hidschab, sondern beispielsweise auch das Rauchen der Wasserpfeife, das Frauen verboten ist.
Konzerte wurden abgebrochen, weil es auf ihnen unerlaubten Kontakt zwischen männlichen und weiblichen Besuchern gegeben hatte. Auf einer Lebensmittelmesse wurden im vergangenen Monat 80 Stände geschlossen, weil deren weibliches Verkaufspersonal nicht den korrekten Hidschab angelegt hatte oder zu stark geschminkt gewesen war.
Die gesetzliche Strafe liegt bei bis zu zwei Monaten Freiheitsentzug; in schweren Fällen auch Auspeitschung. Meist bleibt es allerdings bei leichteren Verstößen bei einer Verhaftung und "Ermahnung" und anschließenden Freilassung.
So erging es beispielsweise der 30jährigen Sahar, deren Vergehen darin bestanden hatte, daß die Ärmel ihres Gewands Teile der Unterarme nicht bedeckten. Die beiden Schwestern Mahnaz und Mahin (die Nachnamen nennt Rezaian aus Sicherheitsgründen nicht) wurden verhaftet, weil ihr Manteau nicht lang genug gewesen war.
Einer der von Rezaian interviewten Teheraner berichtete, seine 16jährige Tochter sei beim Einkaufen verhaftet worden. Man habe sie in ein Polizeifahrzeug gebracht und dort derart "ermahnt", daß er sie laut weinen gehört habe.
Warum die jetzige Verschärfung des Vorgehens? Rezaian sieht sie im Zusammenhang mit der zunehmenden Konfrontation mit dem Westen. Das strikte Einhalten der islamischen Kleiderordnung wird von der Propaganda des Regimes als ein Akt kulturelle Selbstbehauptung gegen den Westen dargestellt; dagegen zu verstoßen bekommt damit den Charakter eines Verrats.
Außerdem werden Verstößen gegen diese Kleiderordnung mannigfache Übel zugeschrieben - von der Prostitution bis zu einem "zu hohen Heiratsalter"; auch das ist unislamisch. Es seien westliche Agenten, welche die Frauen zur unmoralischen Bekleidung verführten; als Teil eines Kriegs ohne Waffen gegen den Iran. Moralische Zersetzung, sozusagen.
Und die Frauen? Viele bemühen sich, das Beste aus der Situation zu machen, indem sie dem Hidschab ein modisches Flair zu geben versuchen oder sich unter dem Manteau besonders schick kleiden. Eng anliegende Jeans und flache Schuhe seien in diesem Jahr in Teheran angesagt, berichtet Rezaian.
Interessanterweise ist es Staatspräsident Ahmadinedschad, der sich mäßigend äußert. Am vergangenen Montag tat er das so, wie man sich in einer Dikatur eigentlich als Untertan verhält: Er sagte listig, man solle den Frauen und Mädchen die Wahl lassen, wie sie sich kleiden; dann würden sie sich "mit Sicherheit" für die islamische Kleidung entscheiden.
Ahmadinedschad befindet sich im Machtkampf mit dem konservativem Klerus (siehe Doch keine Niederlage Ahmadinedschads bei den Wahlen im Iran. Sieg der Unabhängigen; ZR vom 8. 3. 2012). Nächstes Jahr steht er zur Wiederwahl an. Die Gegenkandidaten laufen sich schon warm.
Einer von ihnen, der Abgeordnete Ali Mottahari, hat Ahmadinedschad wegen seiner nach iranischen Maßstäben liberalen Haltung in der Frage der islamischen Kleiderordnung etwas vorgeworfen, das Rezaian als sexual intrigue wiedergibt und das man hier vielleicht am besten mit "Übersexualisierung" übersetzt.
Alljährlich, wenn es in Persien heiß wird - in Teheran liegt die durchschnittliche Tagestemperatur im Juli bei 37 Grad; Temperaturen über 40 Grad sind nicht selten -, wächst bei den Frauen die Versuchung, es bei der Kleidung ein wenig lockerer angehen zu lassen. Der Sommer ist folglich die Hochsaison der Moralpolizei, deren männliche und weibliche Beamte, in gemischten Streifen unterwegs, in dieser Jahreszeit ihren religiösen Eifer verdoppeln.
Von der Moralpolizei verhaftet werden kann jede Frau, die in der Öffentlichkeit nicht mindestens den Hidschab trägt, das um Kopf und Hals geschlungene Kopftuch (siehe Titelvignette); dazu eine lange Jacke, die mit dem französischen Wort Manteau (Mantel) bezeichnet wird. Man kann aber in persischen Städten auch Frauen sehen, die so gekleidet sind:
Diese Frau trägt eine Vollverschleierung (Tschador mit Niqab) und betätigt sich an einem Fitneß- oder Spielgerät in einem Park im Norden Teherans. Weitere Beispiele für islamisch korrekte Bekleidung können Sie auf diese iranischen Modeschau sehen.
In der Washington Post hat gestern Jason Rezaian über die aktuelle Lage an der iranischen Moralfront berichtet. Sie ist durch ein - verglichen mit früheren Jahren - schärferes Vorgehen der Moralpolizei gekennzeichnet. Dabei werden nicht nur die betreffenden Frauen ins Visier genommen, sondern auch diejenigen, die Verstöße gegen die islamische Kleiderordnung dulden; etwa als Inhaber von Lokalen.
Allein in Teheran wurden in den vergangenen Wochen aus solchen Gründen 53 Cafés und 87 Restaurants geschlossen. Dabei umfassen die Verstöße nicht nur den fehlenden oder unvollständigen Hidschab, sondern beispielsweise auch das Rauchen der Wasserpfeife, das Frauen verboten ist.
Konzerte wurden abgebrochen, weil es auf ihnen unerlaubten Kontakt zwischen männlichen und weiblichen Besuchern gegeben hatte. Auf einer Lebensmittelmesse wurden im vergangenen Monat 80 Stände geschlossen, weil deren weibliches Verkaufspersonal nicht den korrekten Hidschab angelegt hatte oder zu stark geschminkt gewesen war.
Die gesetzliche Strafe liegt bei bis zu zwei Monaten Freiheitsentzug; in schweren Fällen auch Auspeitschung. Meist bleibt es allerdings bei leichteren Verstößen bei einer Verhaftung und "Ermahnung" und anschließenden Freilassung.
So erging es beispielsweise der 30jährigen Sahar, deren Vergehen darin bestanden hatte, daß die Ärmel ihres Gewands Teile der Unterarme nicht bedeckten. Die beiden Schwestern Mahnaz und Mahin (die Nachnamen nennt Rezaian aus Sicherheitsgründen nicht) wurden verhaftet, weil ihr Manteau nicht lang genug gewesen war.
Einer der von Rezaian interviewten Teheraner berichtete, seine 16jährige Tochter sei beim Einkaufen verhaftet worden. Man habe sie in ein Polizeifahrzeug gebracht und dort derart "ermahnt", daß er sie laut weinen gehört habe.
Warum die jetzige Verschärfung des Vorgehens? Rezaian sieht sie im Zusammenhang mit der zunehmenden Konfrontation mit dem Westen. Das strikte Einhalten der islamischen Kleiderordnung wird von der Propaganda des Regimes als ein Akt kulturelle Selbstbehauptung gegen den Westen dargestellt; dagegen zu verstoßen bekommt damit den Charakter eines Verrats.
Außerdem werden Verstößen gegen diese Kleiderordnung mannigfache Übel zugeschrieben - von der Prostitution bis zu einem "zu hohen Heiratsalter"; auch das ist unislamisch. Es seien westliche Agenten, welche die Frauen zur unmoralischen Bekleidung verführten; als Teil eines Kriegs ohne Waffen gegen den Iran. Moralische Zersetzung, sozusagen.
Und die Frauen? Viele bemühen sich, das Beste aus der Situation zu machen, indem sie dem Hidschab ein modisches Flair zu geben versuchen oder sich unter dem Manteau besonders schick kleiden. Eng anliegende Jeans und flache Schuhe seien in diesem Jahr in Teheran angesagt, berichtet Rezaian.
Interessanterweise ist es Staatspräsident Ahmadinedschad, der sich mäßigend äußert. Am vergangenen Montag tat er das so, wie man sich in einer Dikatur eigentlich als Untertan verhält: Er sagte listig, man solle den Frauen und Mädchen die Wahl lassen, wie sie sich kleiden; dann würden sie sich "mit Sicherheit" für die islamische Kleidung entscheiden.
Ahmadinedschad befindet sich im Machtkampf mit dem konservativem Klerus (siehe Doch keine Niederlage Ahmadinedschads bei den Wahlen im Iran. Sieg der Unabhängigen; ZR vom 8. 3. 2012). Nächstes Jahr steht er zur Wiederwahl an. Die Gegenkandidaten laufen sich schon warm.
Einer von ihnen, der Abgeordnete Ali Mottahari, hat Ahmadinedschad wegen seiner nach iranischen Maßstäben liberalen Haltung in der Frage der islamischen Kleiderordnung etwas vorgeworfen, das Rezaian als sexual intrigue wiedergibt und das man hier vielleicht am besten mit "Übersexualisierung" übersetzt.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Schaufensterpuppe in Isfahan mit der Hidschab. Vom Autor Paul Keller unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben. Abbildung: Frau in einer Burka an einem Fitnessgerät in einem Park im Norden Teherans. Vom Autor kamshots unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben . Mit Dank an C.