Sie wurden von syrischen Rebellenkämpfern getötet, erzählen die Frauen. Ermordet, weil sie Christen waren, und somit aus der Sicht der radikalislamischen Freiheitskämpfer keinen Platz im neuen Syrien haben.
Kommentar: Zu loben ist an diesem Bericht, daß er immerhin auf das Schicksal der Christen in Syrien eingeht. Bemerkenswert ist auch, daß Ulrike Putz nicht verschweigt, daß in Syrien ausländische Dschihadisten gegen Assad kämpfen; denn deutsche Presse- und TV-Berichte vermitteln oft den Eindruck, es handle sich lediglich um einen Aufstand der von Assad Unterdrückten gegen dessen Diktatur.
Ist Ihnen aber die skandalöse Formulierung in diesem Zitat aufgefallen? Die Mitglieder einer Mörderbande werden als "Freiheitskämpfer" bezeichnet! Als "radikalislamische". Als würden die Hamas und die Kaida, als würden andere radikalislamische Gruppen in Syrien für die Freiheit kämpfen. Ihr Ziel ist es, die säkulare Diktatur Assads durch eine islamistische Diktatur zu ersetzen; eine, in der die Christen gerade nicht die Freiheit der Religionsausübung genießen würden, die sie unter Assad immerhin haben.
Ob diese Bezeichnung "radikalislamische Freiheitskämpfer" nun eine Gedankenlosigkeit der Autorin ist oder ob sie ihr vielleicht von der Redaktion von "Spiegel-Online" in den Bericht hineingeschrieben wurde - jedenfalls ist sie bezeichnend für das einseitige Bild von den Vorgängen in Syrien, das unsere Medien überwiegend vermitteln.
Sie scheinen von dem Wunsch beseelt zu sein, Partei zu ergreifen, sich auf die "richtige Seite" zu stellen; fast so, wie das einst in der DDR für jeden Journalisten Pflicht war. Assad ist ein Diktator. Also sind wir gegen ihn. Also sind wir für diejenigen, die ihn bekämpfen. Man hat den Eindruck, daß dies die geistig schlichte Logik ist.
Westliche Mächte mögen gute Gründe haben, die Aufständischen militärisch zu unterstützen, denn mit einem Fall Assads würden sich - so erwartet man es jedenfalls - im Nahen Osten die Machtverhältnisse zum Nachteil des Iran ändern (siehe Im Machtspiel des Nahen Ostens beginnt mit der Wahl Morsis eine weitere Runde. Eine neue strategische Option für Erdogan; ZR vom 27. 6. 2012).
Aber auch dann, wenn man sich aus geopolitischen Gründen auf eine Seite in einem Bürgerkrieg stellt, muß man sich doch deshalb nicht gleich moralisch mit ihr solidarisieren. In der englischsprachigen Presse werden diejenigen, die gegen Assad kämpfen, üblicherweise als rebels (Rebellen) oder insurgents (Aufständische) bezeichnet. Das Wort freedom fighters (Freiheitskämpfer) werden Sie in der islamistischen Propaganda finden, aber kaum in einem seriösen Medium.
Wenn Sie sich über die tatsächliche, komplexe Lage in Syrien informieren wollen, dann empfehle ich Ihnen den Bericht von Stephen Starr, der gestern im Blog der Zeitschrift Foreign Policy erschienen ist. Er hat seit 2007 bis zum Februar dieses Jahres in Syrien gewohnt und damit die ersten elf Monate des Aufstands miterlebt; und er schildert manches, das man aus unseren Medien kaum erfährt. Beispielsweise dies:
In der Stadt Jdaydieh Artouz in der Nähe von Damaskus, wo Starr wohnte, gibt es seit einem Jahr Protestdemonstrationen. Die Sicherheitskräfte ignorieren sie in der Regel. Der Bürgerkrieg erreichte die Stadt erst vergangene Woche, als Rebellen die Polizeistation beschossen und fünf Polizisten töteten. Starr weist darauf hin, daß es nicht überall so ist. Offenbar verhält sich das Assad-Regime je nach lokalen Gegebenheiten unterschiedlich.
In Jdaydieh Artouz leben Sunniten, Alawiten und Christen. Die große Mehrheit der Alawiten und der Christen unterstützt den Aufstand nicht. Bisher können die Christen ihre Feste offen feiern und werden nicht gezwungen, sich islamischen Vorschriften zu unterwerfen. Sie fürchten, daß sich das nach einem Sturz Assads ändern würde.
Aber auch von den Sunniten werden die Rebellen nach Starrs Erfahrungen keineswegs einhellig unterstützt. Vor allem die Wohlhabenderen fürchten einen Sieg der Islamisten.
Es ist für ausländische Journalisten schwer, sich ein objektives Bild zu machen. Befinden sie sich auf der Regierungsseite, dann stehen sie unter der ständigen Bewachung von Aufpassern (minders). Schaffen sie es, sich in von Rebellen kontrolliertes Gebiet zu begeben, dann finden sie dort deren Propaganda vor.
Viele Berichte von Journalisten stützen sich überhaupt nicht auf eigenen Augenschein, sondern auf Videos, die von den Aufständischen ins Internet gestellt werden. Diese zeigen, wie anders, ein einseitiges Bild. Stephen Starr:
Aus einem Bericht von Ulrike Putz über eine christliche Flüchtlingsfamilie aus Syrien, deren Männer von Rebellen ermordet wurden; zu lesen seit gestern Abend in "Spiegel-Online".
Kommentar: Zu loben ist an diesem Bericht, daß er immerhin auf das Schicksal der Christen in Syrien eingeht. Bemerkenswert ist auch, daß Ulrike Putz nicht verschweigt, daß in Syrien ausländische Dschihadisten gegen Assad kämpfen; denn deutsche Presse- und TV-Berichte vermitteln oft den Eindruck, es handle sich lediglich um einen Aufstand der von Assad Unterdrückten gegen dessen Diktatur.
Ist Ihnen aber die skandalöse Formulierung in diesem Zitat aufgefallen? Die Mitglieder einer Mörderbande werden als "Freiheitskämpfer" bezeichnet! Als "radikalislamische". Als würden die Hamas und die Kaida, als würden andere radikalislamische Gruppen in Syrien für die Freiheit kämpfen. Ihr Ziel ist es, die säkulare Diktatur Assads durch eine islamistische Diktatur zu ersetzen; eine, in der die Christen gerade nicht die Freiheit der Religionsausübung genießen würden, die sie unter Assad immerhin haben.
Ob diese Bezeichnung "radikalislamische Freiheitskämpfer" nun eine Gedankenlosigkeit der Autorin ist oder ob sie ihr vielleicht von der Redaktion von "Spiegel-Online" in den Bericht hineingeschrieben wurde - jedenfalls ist sie bezeichnend für das einseitige Bild von den Vorgängen in Syrien, das unsere Medien überwiegend vermitteln.
Sie scheinen von dem Wunsch beseelt zu sein, Partei zu ergreifen, sich auf die "richtige Seite" zu stellen; fast so, wie das einst in der DDR für jeden Journalisten Pflicht war. Assad ist ein Diktator. Also sind wir gegen ihn. Also sind wir für diejenigen, die ihn bekämpfen. Man hat den Eindruck, daß dies die geistig schlichte Logik ist.
Westliche Mächte mögen gute Gründe haben, die Aufständischen militärisch zu unterstützen, denn mit einem Fall Assads würden sich - so erwartet man es jedenfalls - im Nahen Osten die Machtverhältnisse zum Nachteil des Iran ändern (siehe Im Machtspiel des Nahen Ostens beginnt mit der Wahl Morsis eine weitere Runde. Eine neue strategische Option für Erdogan; ZR vom 27. 6. 2012).
Aber auch dann, wenn man sich aus geopolitischen Gründen auf eine Seite in einem Bürgerkrieg stellt, muß man sich doch deshalb nicht gleich moralisch mit ihr solidarisieren. In der englischsprachigen Presse werden diejenigen, die gegen Assad kämpfen, üblicherweise als rebels (Rebellen) oder insurgents (Aufständische) bezeichnet. Das Wort freedom fighters (Freiheitskämpfer) werden Sie in der islamistischen Propaganda finden, aber kaum in einem seriösen Medium.
Wenn Sie sich über die tatsächliche, komplexe Lage in Syrien informieren wollen, dann empfehle ich Ihnen den Bericht von Stephen Starr, der gestern im Blog der Zeitschrift Foreign Policy erschienen ist. Er hat seit 2007 bis zum Februar dieses Jahres in Syrien gewohnt und damit die ersten elf Monate des Aufstands miterlebt; und er schildert manches, das man aus unseren Medien kaum erfährt. Beispielsweise dies:
In der Stadt Jdaydieh Artouz in der Nähe von Damaskus, wo Starr wohnte, gibt es seit einem Jahr Protestdemonstrationen. Die Sicherheitskräfte ignorieren sie in der Regel. Der Bürgerkrieg erreichte die Stadt erst vergangene Woche, als Rebellen die Polizeistation beschossen und fünf Polizisten töteten. Starr weist darauf hin, daß es nicht überall so ist. Offenbar verhält sich das Assad-Regime je nach lokalen Gegebenheiten unterschiedlich.
In Jdaydieh Artouz leben Sunniten, Alawiten und Christen. Die große Mehrheit der Alawiten und der Christen unterstützt den Aufstand nicht. Bisher können die Christen ihre Feste offen feiern und werden nicht gezwungen, sich islamischen Vorschriften zu unterwerfen. Sie fürchten, daß sich das nach einem Sturz Assads ändern würde.
Aber auch von den Sunniten werden die Rebellen nach Starrs Erfahrungen keineswegs einhellig unterstützt. Vor allem die Wohlhabenderen fürchten einen Sieg der Islamisten.
Es ist für ausländische Journalisten schwer, sich ein objektives Bild zu machen. Befinden sie sich auf der Regierungsseite, dann stehen sie unter der ständigen Bewachung von Aufpassern (minders). Schaffen sie es, sich in von Rebellen kontrolliertes Gebiet zu begeben, dann finden sie dort deren Propaganda vor.
Viele Berichte von Journalisten stützen sich überhaupt nicht auf eigenen Augenschein, sondern auf Videos, die von den Aufständischen ins Internet gestellt werden. Diese zeigen, wie anders, ein einseitiges Bild. Stephen Starr:
Yet it is activists' videos appearing on television stations around the world that have shaped our thinking and opinions on Syria. The conflict becomes black and white when viewed through such a lens: Assad's regime is wrong and the rebels are right. The truth, of course, is more complicated than that.Auch Ulrike Putz war für den Bericht, dem ich das Zitat entnommen habe, nicht in Syrien. Die Familie, deren Männer ermordet wurden, hat sie in der libanesischen Stadt Kaa interviewt, wo die Flüchtlinge vorerst Aufnahme gefunden haben.
Und doch sind es diese Videos der Aktivisten, die von Fernsehsendern rund um die Welt ausgestrahlt werden, die unser Denken und unsere Meinung über Syrien prägen. Durch eine solche Brille betrachtet, erscheint der Konflikt in Schwarzweiß: Assads Regime ist im Unrecht, und die Rebellen sind im Recht. Die Wahrheit ist, wie anders, komplizierter.
Zettel
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