7. Juli 2012

Marginalie: Volkswirtschaft, verständlich erklärt: Hans-Werner Sinn zur Eurokrise

Hans-Werner Sinn gehört zu den Wissenschaftlern, die ihr Fachgebiet so souverän beherrschen, daß sie die Zusammenhänge in einfachen Worten schildern können, in plastischen Bildern. Fachchinesisch muß nur reden, wem es an einem solchen überlegenen Verständnis fehlt.

Mir war als jemandem, der sich nie mit Ökonomie befaßt hat, lange unklar gewesen, wie es zur Eurokrise gekommen ist; wie die politischen und ökonomischen Faktoren in ihrer Wechselwirkung zu der jetzigen schwierigen Situation geführt haben.

Vieles habe ich verstanden, nachdem ich Sarrazins Euro-Buch gelesen hatte (siehe "So kam Deutschland zum Euro"; ZR vom 23. 5. 2012). Dessen Lektüre erfordert freilich einige Zeit. Sozusagen im Schnelldurchgang können Sie dieselben Kerneinsichten erhalten, wenn Sie sich eine gute halbe Stunde Zeit für das Gespräch zwischen Michael Krons und Hans-Werner Sinn nehmen, das der Sender Phoenix in der Nacht zum heutigen Samstag ausstrahlte; am Sonntag um 11.15 Uhr wird es wiederholt. Sie können es sich unter dem Link aber auch als Video ansehen.

Der Kern der Analyse ist derselbe; die Perspektive ist ein wenig unterschiedlich. Beide - Sarrazin und Sinn - heben hervor, daß durch die Einheitswährung Mechanismen ausfielen, die bei getrennten Währungen regulierend wirken.

Der Finanzpolitiker Sarrazin sieht vor allem den fiskalischen Aspekt: Durch die Einführung des Euro kamen die Regierungen der Südstaaten an billiges Geld und konnten sich damit in einem Maß verschulden, das nicht möglich gewesen wäre, wenn sie die hohen Zinsen hätten zahlen müssen, die eine schwache Währung mit sich bringt.

Der Ökonom Sinn stellt den Preisanstieg in diesen Ländern in den Vordergrund, der unter dem Euro nicht durch eine Anpassung der Wechselkurse kompensiert werden kann. Sie sind nicht wettbewerbsfähig und damit nicht in der Lage, den Lebensstandard zu finanzieren, den sie sich gleichwohl leisten. Eine Abwertung ihrer Währung hätte ihre Produkte auf dem internationalen Markt verbilligt; freilich durch die Verteuerung von Importen zugleich den Lebensstandard gesenkt.

Sinn sieht nur die Möglichkeit, daß diese Länder - jedenfalls Griechenland und Portugal - die Eurozone verlassen; mit der Option einer Rückkehr, wenn sie sich saniert haben. Anders können sie aus seiner Sicht nicht wieder wettbewerbsfähig werden. Daran könnten auch alle Hilfen nichts ändern.

Mich hat Sinns Argumentation überzeugt. Es mag sein, daß andere Fachleute die Situation anders sehen und ihre Position ähnlich überzeugend vertreten können. Dann wäre mir das allerdings bisher entgangen.

Ausführlicher als in dem Gespräch findet man Sinns Position in der Bogenberger Erklärung dargelegt. Einige Folien mit interessanten Daten kann man sich hier ansehen.­
Zettel



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