Seit dem späten Donnerstag kursiert das Gerücht in den US-Medien: Mitt Romney könne Condoleezza Rice als seinen running mate auswählen; als die Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten. Was ist dran an diesen Mutmaßungen?
Zunächst muß man wissen, daß der jeweilige Kandidat nach amerikanischer Tradition völlig frei darin ist, wen er zum running mate bestimmt; wen er gemeinsam mit seinem Namen auf dem ticket stehen haben will, dem "Kärtchen", auf dem sein Name zusammen mit dem des vorgesehenen Stellvertreters dem Wähler zur Entscheidung vorgelegt werden wird.
Nicht selten verblüffen Kandidaten das Publikum mit einer Lösung, an die kaum jemand gedacht hatte; John McCain zum Beispiel vor vier Jahren mit der Entscheidung für die zu dieser Zeit weithin unbekannte Provinz-Gouverneurin Sarah Palin.
McCains damalige Wahl unterstreicht eines der Motive - oft das Hauptmotiv -, die einen Kandidaten bei der Bestimmung des running mate leiten: Er versucht damit Wähler zu erreichen, die mit ihm selbst, mit seinen Werten und Überzeugungen, ihre Probleme haben. McCain war, ähnlich wie jetzt Mitt Romney, dem konservativen Flügel der Republikanischen Partei (GOP) nicht konservativ genug gewesen; also entschied er sich für die ausgewiesene Konservative Sarah Palin.
Zugleich hoffte er damit möglicherweise weibliche Wähler anzusprechen. Ob das gelang, ist allerdings fraglich; angesichts der massiven, teilweise bösartigen Ablehnung, die Palin gerade von Frauen entgegenschlug (siehe Die toten Körper der Sarah Palin; ZR vom 12. 9. 2008).
Nun also, heißt es, könnte sich Mitt Romney wiederum für eine Frau als running mate entscheiden, Condoleezza Rice. Das Gerücht kam in Umlauf, nachdem die konservative Internet-Zeitung Drudge Report behauptet hatte, der Name von Rice stehe "ganz oben auf der Liste" der Kandidaten, die Romney erwäge. Belege dafür brachte der Bericht nicht; außer Zitaten von Rice, die besagten, daß sie die diesjährigen Wahlen für wichtig hält.
Überraschungen kann es - siehe Palin - bei der Wahl eines running mate immer geben, aber es wäre schon eine Riesenüberraschung, wenn sich Romney tatsächlich für Rice entscheiden würde.
Sie wäre eine hervorragende Vizepräsidentin; aber wenn es nach Qualität und Leistung ginge, wäre jetzt nicht Joe Biden Vizepräsident, und dann wäre es von 1989 bis 1993 nicht ein gewisser Dan Quayle gewesen. Wer gewinnen will - zumal in einem relativ knappen Rennen wie dieses Jahr -, der hat gar keine Wahl, als bei dieser Entscheidung vor allem auf die Reaktion der Wähler zu sehen.
Für Condoleezza Rice spricht unter diesem Blickwinkel, daß sie eine Frau und daß sie eine Schwarze ist. Aber das Letzere dürfte kaum zusätzliche Stimmen bringen; denn die Wählergruppe der Schwarzen steht unverbrüchlich hinter Barack Obama (siehe US-Präsidentschaftswahlen 2012 (27): Die beiden Kandidaten und die Rassen in den USA; ZR vom 19. 5. 2012). Und daß Frauen bei einer solchen Wahl eine Frau bevorzugen, ist keineswegs ausgemacht.
Alles andere spricht gegen Rice.
Romney braucht einen running mate, der die Konservativen anspricht; Rice steht in der für diese entscheidenden Frage der Abtreibung aber keineswegs stramm auf der Seite der strikten Abtreibungsgegner.
Sodann ist der Name von Rice mit der Invasion Afghanistans und dem Irakkrieg verbunden, auch generell mit der in der zweiten Amtszeit unglücklichen Präsidentschaft von George W. Bush.
In ihrer Zeit als Bushs Sicherheitsberaterin war sie Vorsitzende des Nationalen Sichrheitsrats NSC. Es heißt, sie habe dieses Amt schwach ausgefüllt und hätte anderen - vor allem Vizepräsident Cheney - die faktische Führung überlassen. Das könnte das Wahlkampfteam von Obama gnadenlos gegen sie ausschlachten.
Was ihren persönlichen Hintergrund angeht, ist sie als Kalifornierin - im Wortsinn - weit weg von den swing states, den umkämpften Staaten beispielsweise des Mittleren Westens (Ohio, Iowa) und vor allem Florida, in denen die Wahl entschieden werden wird. Kalifornien wird Romney ohnehin nicht gewinnen können. Auch geographisch würde ihm also Rice keinen Vorteil eintragen.
Vor allem aber: Condoleezza Rice ist keine Politikerin.
In den USA sind es zwei grundsätzlich verschiedene Karrieren, ob man ein elective office anstrebt und innehat, also das Mandat von Wählern, oder ob man in der Regierung - der administration - arbeitet.
Zwar können Minister auch aus einer Politiker-Karriere kommen wie jetzt zum Beispiel die Außenministerin Hillary Clinton; aber die Regel ist das keineswegs. Zwei der wichtigsten Minister unter George W. Bush - der General Powell, lange Außenminister, und Verteidigungsminister Robert Gates - hatten zum Beispiel nie in ihrer Karriere ein Mandat inne; sich niemals einem Votum von Wählern gestellt.
Wenn Condoleezza Rice, die ihr bisheriges Berufsleben zwischen ihrer Tätigkeit als Professorin und in Regierungsämtern verbrachte, jetzt als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten antreten würde, dann wäre das so etwas wie ein radikaler Berufswechsel.
Etwas beruflich völlig Neues aus ihrer Perspektive; und unkalkulierbar für die GOP. Denn sie hat noch nie Wahlkampf gemacht; noch nicht einmal in einer Stadt oder in einem Landkreis. Sie wirkt gewinnend, aber ist das Gegenteil einer Volksrednerin, die in der Lage wäre, die Gefühle der Menschen anzusprechen. Sie war eine der Intellektuellen in den Regierungen, denen sie diente; vergleichbar Henry Kissinger.
Mitreißen würde sie kaum jemanden. Genau da aber hapert es auch bei Romney. So sehr Obamas Glanz als der Menschenfänger verblaßt ist, der eine ganze Arena mit seinem "Yes, we can" in Extase versetzen konnte - ein Mann mit hohem demagogischen Talent ist er immer noch. Romney ist das nicht. Auch wenn er nicht so steif daherkommt wie Rick Santorum, hat man bei seinen Auftritten doch oft das Gefühl, er sei nicht mit vollem Herzen bei der Sache. Der Funke springt nicht über; man identifiziert sich nicht mit ihm.
Romney wird folglich einen anderen running mate brauchen als eine Politologie-Professorin; die im übrigen immer erklärt hat, daß sie nicht daran denkt, sich um ein elective office zu bewerben.
Und daß der Drudge Report, der gute Quellen in der GOP hat, jetzt mit diesem Thema herauskam, mag damit zusammenhängen, daß Romneys Wahlkampf derzeit in Schwierigkeiten ist, nachdem Obama die Boxhandschuhe ausgepackt hat und Romney wegen seiner Zeit als Chef der Firma Bain attackiert (siehe Müder Romney, offensiver Obama; ZR vom 15. 7. 2012).
Zunächst muß man wissen, daß der jeweilige Kandidat nach amerikanischer Tradition völlig frei darin ist, wen er zum running mate bestimmt; wen er gemeinsam mit seinem Namen auf dem ticket stehen haben will, dem "Kärtchen", auf dem sein Name zusammen mit dem des vorgesehenen Stellvertreters dem Wähler zur Entscheidung vorgelegt werden wird.
Nicht selten verblüffen Kandidaten das Publikum mit einer Lösung, an die kaum jemand gedacht hatte; John McCain zum Beispiel vor vier Jahren mit der Entscheidung für die zu dieser Zeit weithin unbekannte Provinz-Gouverneurin Sarah Palin.
McCains damalige Wahl unterstreicht eines der Motive - oft das Hauptmotiv -, die einen Kandidaten bei der Bestimmung des running mate leiten: Er versucht damit Wähler zu erreichen, die mit ihm selbst, mit seinen Werten und Überzeugungen, ihre Probleme haben. McCain war, ähnlich wie jetzt Mitt Romney, dem konservativen Flügel der Republikanischen Partei (GOP) nicht konservativ genug gewesen; also entschied er sich für die ausgewiesene Konservative Sarah Palin.
Zugleich hoffte er damit möglicherweise weibliche Wähler anzusprechen. Ob das gelang, ist allerdings fraglich; angesichts der massiven, teilweise bösartigen Ablehnung, die Palin gerade von Frauen entgegenschlug (siehe Die toten Körper der Sarah Palin; ZR vom 12. 9. 2008).
Nun also, heißt es, könnte sich Mitt Romney wiederum für eine Frau als running mate entscheiden, Condoleezza Rice. Das Gerücht kam in Umlauf, nachdem die konservative Internet-Zeitung Drudge Report behauptet hatte, der Name von Rice stehe "ganz oben auf der Liste" der Kandidaten, die Romney erwäge. Belege dafür brachte der Bericht nicht; außer Zitaten von Rice, die besagten, daß sie die diesjährigen Wahlen für wichtig hält.
Überraschungen kann es - siehe Palin - bei der Wahl eines running mate immer geben, aber es wäre schon eine Riesenüberraschung, wenn sich Romney tatsächlich für Rice entscheiden würde.
Sie wäre eine hervorragende Vizepräsidentin; aber wenn es nach Qualität und Leistung ginge, wäre jetzt nicht Joe Biden Vizepräsident, und dann wäre es von 1989 bis 1993 nicht ein gewisser Dan Quayle gewesen. Wer gewinnen will - zumal in einem relativ knappen Rennen wie dieses Jahr -, der hat gar keine Wahl, als bei dieser Entscheidung vor allem auf die Reaktion der Wähler zu sehen.
Für Condoleezza Rice spricht unter diesem Blickwinkel, daß sie eine Frau und daß sie eine Schwarze ist. Aber das Letzere dürfte kaum zusätzliche Stimmen bringen; denn die Wählergruppe der Schwarzen steht unverbrüchlich hinter Barack Obama (siehe US-Präsidentschaftswahlen 2012 (27): Die beiden Kandidaten und die Rassen in den USA; ZR vom 19. 5. 2012). Und daß Frauen bei einer solchen Wahl eine Frau bevorzugen, ist keineswegs ausgemacht.
Alles andere spricht gegen Rice.
Romney braucht einen running mate, der die Konservativen anspricht; Rice steht in der für diese entscheidenden Frage der Abtreibung aber keineswegs stramm auf der Seite der strikten Abtreibungsgegner.
Sodann ist der Name von Rice mit der Invasion Afghanistans und dem Irakkrieg verbunden, auch generell mit der in der zweiten Amtszeit unglücklichen Präsidentschaft von George W. Bush.
In ihrer Zeit als Bushs Sicherheitsberaterin war sie Vorsitzende des Nationalen Sichrheitsrats NSC. Es heißt, sie habe dieses Amt schwach ausgefüllt und hätte anderen - vor allem Vizepräsident Cheney - die faktische Führung überlassen. Das könnte das Wahlkampfteam von Obama gnadenlos gegen sie ausschlachten.
Was ihren persönlichen Hintergrund angeht, ist sie als Kalifornierin - im Wortsinn - weit weg von den swing states, den umkämpften Staaten beispielsweise des Mittleren Westens (Ohio, Iowa) und vor allem Florida, in denen die Wahl entschieden werden wird. Kalifornien wird Romney ohnehin nicht gewinnen können. Auch geographisch würde ihm also Rice keinen Vorteil eintragen.
Vor allem aber: Condoleezza Rice ist keine Politikerin.
In den USA sind es zwei grundsätzlich verschiedene Karrieren, ob man ein elective office anstrebt und innehat, also das Mandat von Wählern, oder ob man in der Regierung - der administration - arbeitet.
Zwar können Minister auch aus einer Politiker-Karriere kommen wie jetzt zum Beispiel die Außenministerin Hillary Clinton; aber die Regel ist das keineswegs. Zwei der wichtigsten Minister unter George W. Bush - der General Powell, lange Außenminister, und Verteidigungsminister Robert Gates - hatten zum Beispiel nie in ihrer Karriere ein Mandat inne; sich niemals einem Votum von Wählern gestellt.
Wenn Condoleezza Rice, die ihr bisheriges Berufsleben zwischen ihrer Tätigkeit als Professorin und in Regierungsämtern verbrachte, jetzt als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten antreten würde, dann wäre das so etwas wie ein radikaler Berufswechsel.
Etwas beruflich völlig Neues aus ihrer Perspektive; und unkalkulierbar für die GOP. Denn sie hat noch nie Wahlkampf gemacht; noch nicht einmal in einer Stadt oder in einem Landkreis. Sie wirkt gewinnend, aber ist das Gegenteil einer Volksrednerin, die in der Lage wäre, die Gefühle der Menschen anzusprechen. Sie war eine der Intellektuellen in den Regierungen, denen sie diente; vergleichbar Henry Kissinger.
Mitreißen würde sie kaum jemanden. Genau da aber hapert es auch bei Romney. So sehr Obamas Glanz als der Menschenfänger verblaßt ist, der eine ganze Arena mit seinem "Yes, we can" in Extase versetzen konnte - ein Mann mit hohem demagogischen Talent ist er immer noch. Romney ist das nicht. Auch wenn er nicht so steif daherkommt wie Rick Santorum, hat man bei seinen Auftritten doch oft das Gefühl, er sei nicht mit vollem Herzen bei der Sache. Der Funke springt nicht über; man identifiziert sich nicht mit ihm.
Romney wird folglich einen anderen running mate brauchen als eine Politologie-Professorin; die im übrigen immer erklärt hat, daß sie nicht daran denkt, sich um ein elective office zu bewerben.
Und daß der Drudge Report, der gute Quellen in der GOP hat, jetzt mit diesem Thema herauskam, mag damit zusammenhängen, daß Romneys Wahlkampf derzeit in Schwierigkeiten ist, nachdem Obama die Boxhandschuhe ausgepackt hat und Romney wegen seiner Zeit als Chef der Firma Bain attackiert (siehe Müder Romney, offensiver Obama; ZR vom 15. 7. 2012).
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.