29. Juli 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (29): Romney und Obama aus Sicht der Israelis. Wie werden sich im November die jüdischen Wähler entscheiden?

Heute besucht Mitt Romney Israel. Solche Auslands­besuche von Kandi­daten dienen in der Regel einem doppelten Zweck: Der Kandidat will sich mit ausländischen Staatsmännern bekannt machen und ein Bild von der Lage in ihrem Land gewinnen; als Vorbereitung darauf, Präsident zu werden. Zugleich sollen die Besuche natürlich seinen Wahlkampf befördern.

Sie werden sich gewiß an den triumphalen Auftritt des Kandidaten Barack Obama vor fast vier Jahren in Berlin erinnern (siehe Obama in Berlin. Und auch bei McCain ging es gestern deutsch zu; ZR vom 25. 7. 2008). Auch in Israel war Obama damals, im Juli 2008, und sagte dort übrigens Seltsames (siehe Barack Obama auf dem Weg vom Erhabenen zum Lächerlichen; ZR vom 27. 7. 2008).

In der vergangenen Nacht also traf Mitt Romney in Israel ein. Dort ist er ein gern gesehener Gast. "Warm reception expected as Romney lands in Israel" (Auf Romney wartet bei seiner Landung in Israel ein warmer Empfang), titelt im Augenblick USA Today. Der Empfang durch die Palästinenser werde hingegen frostig sein:
Israeli political scientist Abraham Diskin says Romney can expect an "enthusiastic" reception, both because of his solid record of pro-Israel comments — and because he's not Obama. "What interests Israelis is Israel," Diskin said. "Romney has a very pro-Israel stance. He is very suspicious of the Arab world. (Israelis) are very suspicious of Obama."

Der israelische Politologe Abraham Diskin meint, Romney könne einen "enthusiastischen" Empfang erwarten; zum einen, weil sein bisheriges Verhalten durch eindeutig pro-israelische Stellungnahmen gekennzeichnet sei - und weil er nicht Obama ist. "Die Israelis interessiert Israel", sagte Diskin. "Romney hat eine sehr proisraelische Haltung. Er mißtraut der arabischen Welt sehr. (Die Israelis) mißtrauen Obama sehr".
Das Urteil des Politologen wird durch Umfragen gestützt. Die Washington Times berichtete gestern von einer aktuellen Umfrage in Israel. Gefragt, wer mehr für die Interessen Israels eintrete, entschieden sich 22 Prozent für Obama und 29 Prozent für Romney. 49 Prozent allerdings konnten sich nicht entscheiden; nicht verwunderlich, denn Romney hatte ja bisher noch keine Gelegenheit, seine Einstellung zu Israel durch Handeln unter Beweis zu stellen.

Die Zeitung zitiert den diplomatischen Korrespondenten der Jerusalem Post, Herb Keinon, der von einem lingering distrust in Israel gegenüber Präsident Obama spricht; einem schleichenden Mißtrauen.



Da sich die Mehrzahl der jüdischen Bürger der USA mit Israel verbunden fühlt, könnte man meinen, the jewish vote, die Stimmen der Juden seien Romney folglich mit einer deutlichen Mehrheit sicher. Nichts wäre aber weiter von der Realität entfernt.

Nach einer Umfrage von Gallup, deren Daten vom April bis zum Juni erhoben wurden, wollen 64 Prozent der jüdischen Wähler für Obama stimmen; nur 29 Prozent für Romney. Am vergangenen Freitag wurde eine weitere, aktuelle Umfrage von Gallup publiziert, in der sich Obamas Vorsprung sogar noch erhöht hatte (68 Prozent zu 25 Prozent).

Die Lage ist ist damit so wie vor vier Jahren. Bei den damaligen Wahlen hatten 77 bis 78 Prozent der Juden für Obama gestimmt. Andererseits stufte schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt eine deutliche Mehrheit der Israelis Obamas Politik als nicht israelfreundlich ein (ganze 6 Prozent hielten sie damals für proisraelisch; siehe Wie sehen die Israelis Obamas Politik?; ZR vom 19. 6. 2009).

Dennoch ist auch jetzt wieder Obama die großen Mehrheit der Stimmen jüdischer Amerikaner sicher. Wie erklärt sich diese Diskrepanz?

Zum einen identifizieren sich natürlich nicht alle amerikanischen Juden gleichermaßen mit Israel. Vor allem aber neigen die Juden in den USA traditionell den Demokraten zu; oft seit vielen Generationen. Diese Loyalität zur Partei schlägt offenbar durch, auch wenn man Obamas Israel-Politik kritisch sehen mag.

Die Demokratische Partei ist immer die Partei der Minderheiten gewesen; ein heterogenes Sammelbecken von Bevölkerungs­gruppen, die eigentlich nur gemeinsam hatten, daß sie am Rand der von den WASPS (den weißen, angelsächsischen Protestanten) geprägten amerikanischen Gesellschaft standen - Arbeiter also, Schwarze, Intellektuelle und sogar die erzkonservativen Verlierer des Bürgerkriegs in den Südstaaten (diese sind erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegend zu den Republikanern gegangen). Und eben auch Juden.

Daß Mitt Romney an diesen tief eingegrabenen politischen Fronten durch seinen Besuch in Israel und durch seine früheren klaren Parteinahmen für Israel viel wird ändern können, ist nicht zu erwarten. Wenn er einige Prozentpunkte mehr des jewish vote holt als McCain 2008 mit 21 Prozent, dann wird er das schon als einen Erfolg werten können.­
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.