17. Juli 2012

Zettels Meckerecke: Energiewende - Nach der kollektiven Besoffenheit kommt jetzt der Katzenjammer

Allmählich zeichnen sich die Konturen dessen ab, was der Bundestag, getragen von der kollektiven Besoffenheit der deutschen Nation, am 30. Juni 2011 mit fast allen Stimmen der demokratischen Parteien beschlossen hat.

Der Wahnwitz dessen, was damals auf den Weg gebracht wurde, war einer Minderheit von vornherein klar. In diesem Blog konnten Sie immer wieder davon lesen; beispielsweise in der Serie "Deutschland im Öko-Würgegriff". Ausgezeichnete, fachlich detailliertere Artikel zu diesem Thema findet man im deutschen Sprachraum vor allem im ScienceSkepticalBlog. Jetzt aber erreicht die Nachricht endlich die breite Öffentlichkeit.

"Spiegel-Online" hat im Augenblick den Aufmacher "Zweifel der Minister - Regierung weicht Energieziele auf". Vorspann:
Nach Umweltminister Altmaier stellt nun auch Wirtschaftsminister Rösler den Zeitplan für die Energiewende in Frage. Der Umbau der Energie­versorgung müsse mit Augenmaß geschehen, fordert der FDP-Chef. Die Bundesregierung beschädigt damit eines ihrer wichtigsten Projekte.
Beschädigt? Die beiden Minister versuchen, den Deutschen in homöopathischen Dosen nahezubringen, welches Desaster beschlossen wurde; und daß man - falls es noch geht - sehen muß, ob man sich aus der selbstgestellten Falle nicht noch herausarbeiten kann. Es wird nichts beschädigt; sondern die Rettungsaktion hat begonnen.

Und: Die "Bundesregierung"? Es ist ja nicht allein sie, die für die jetzige Lage verantwortlich ist; sondern es sind alle Parteien des Bundestags mit Ausnahme der Kommunisten, die ihrerseits noch mehr gefordert hatten.

Die Abgeordneten der übrigen Parteien haben in namentlicher Abstimmung am 30. Juni 2011 dem Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes mit über­wältigender Mehrheit zugestimmt. Die wenigen "Nein"-Stimmen und Enthaltungen bei der SPD und den "Grünen" kamen von Abgeordneten, denen der geplante Ausstieg nicht schnell genug ging; Christian Ströbele beispielsweise oder Marco Bülow von der "Parlamentarischen Linken" der SPD.

Von den wenigen Abgeordneten aus der Koalition, die damals nicht mit "Ja" stimmten, weil sie den Ausstieg nicht wollten, ist besonders der aufrechte FDP-Dissident Frank Schäffler zu nennen.



Wie groß das Desaster ist, kann man heute, aus der Feder von Jasper von Altenbockum, in der FAZ lesen (Hervorhebung von mir):
Die Kunst der Energiewende besteht ... darin, die gesamte Politik, vielleicht mit Ausnahme der Landesverteidigung, auf dieses Ziel auszurichten - und zwar nicht nur horizontal im Bund, sondern auch vertikal bisauf die kommunale Ebene. Das geht so weit, dass nicht nur Energieträger, nicht nur die Landschaft, sondern Verwaltung und Demokratie sich ändern. (...)

Die Länder legten energiepolitische Pläne vor, die sämtliche Probleme beim Bund abluden: Netzausbau, Speicherkapazitäten und Kosten, die mittlerweile ähnlich schwindelerregend sind wie die der Euro-Rettung. Das sind aber zugleich die drei Pfeiler der Energiewende, von denen auch ein Jahr nach dem Grundsatzbeschluss noch niemand weiß, wie sie funktionieren sollen (...)

Fast möchte es scheinen, dass die Opposition darauf hofft, eines Tages nicht an der Regierung zu sein, wenn es wieder einmal heißt, dass kein Weg an der Verlängerung der Laufzeit ausgesuchter Atomkraftwerke vorbeiführt.
Man ist am 30. Juni 2011 in diese "Energiewende" gestolpert wie ein Betrunkener, der sich in ein Auto setzt und "hüh hott" ruft, in der Erwartung, so nach Hause geschafft zu werden.

Wenn Sie sich in Einzelheiten dessen vertiefen wollen, was uns Bundesregierung und Bundestag vor einem Jahr eingebrockt haben, dann empfehle ich Ihnen den Artikel von Peter Heller, der vorgestern im ScienceSkepticalBlog erschienen ist.­ Er beleuchtet einen Aspekt des ganzen Widersinns: Die Vorstellung, man könne durch Erhöhung der Energieeffizienz Energie einsparen, zugleich aber den Stromverbrauch wie geplant senken.

Denn verbesserte Energieeffizienz heißt wesentlich, stärker elektrische Systeme einzusetzen. Elementary, my dear Watson, möchte man mit Sherlock Holmes sagen. Aber wer kümmerte sich im Zustand kollektiver Besoffenheit schon um die wissenschaftlichen und technischen Realitäten?
Zettel



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