20. Juli 2012

Marginalie: Endspiel in Syrien. Der bevorstehende Fall Assads. Die starke Position Putins

In verschiedenen Artikeln befaßt sich Stratfor gestern und heute mit der Lage in Syrien. Seine Analyse: Assad kann sich nicht mehr halten. Es geht jetzt darum, den Übergang zu regeln. Dabei spielt Rußland eine zentrale Rolle.

Anzeichen für einen bevorstehenden Kollaps des Regimes kommen weniger von der Front gegen die Aufständischen als aus dem Regime selbst.

Eine entscheidendes Ereignis war Anfang Juli die Entscheidung des Familienclans der Tlass, sich gegen Assad zu stellen; er hatte zu den wenigen sunnitischen Unterstützern des Regimes gehört.

Vorgestern fand ein Attentat mitten im Zentrum der Macht statt. Die Bombe in der Zentrale des Sicherheitsapparats tötete dessen Führer - Verteidigungsminister Dawoud Rajha, den früheren Verteidigungsminister Hassan Turkmani, Innenminister Mohammad al-Shaar, den Chef des Nationalen Sicherheitsrats Hisham Biktyar und den stellvertretenden Verteidigungsminister Assef Shawkat; einen Schwager Assads.

In Damaskus laufen Gerüchte um, Assad selbst habe diese Bombe legen lassen, weil die Getöteten einen Coup gegen ihn geplant hätten. Shawkat sei schon vor dem Attentat im Auftrag Assads ermordet worden. Ob das nun stimmt oder nicht - jedenfalls, so Stratfor, zeigt dieses Attentat, daß das Regime am Ende ist.

Wenn eine solche Situation da ist, dann versuchen Viele, sich in Sicherheit zu bringen. Die Zahl derer, die sich von Assad lossagen, wird also zunehmen. Ähnliches war in der Endphase des Gaddafi-Regimes geschehen, als dessen einstigen Getreuen scharenweise zu den Aufständischen überliefen.

Zugleich ist dies die Stunde der auswärtigen Mächte, die versuchen werden, auf das Geschehen Einfluß zu nehmen - Assads bisherige Schutzmacht Iran, die USA, die alte Mandatsmacht Frankreich. Vor allem aber Rußland.

Kein Land des Arabischen Sozialismus wurde so weitgehend von der Sowjetunion kontrolliert wie Syrien. Auch heute noch ist Rußland enger mit dem syrischen Sicherheitsapparat verflochten als selbst der Iran.

Heute hat der russische Botschafter in Paris, Alexander Orlov, mitgeteilt, Assad sei zum Rücktritt bereit.

Rußland wird jetzt - so die Analyse von Stratfor - versuchen, Assad davor zu bewahren, an den Internationalen Gerichtshof in den Haag ausgeliefert zu werden. Es möchte zeigen, daß es seine treuen Verbündeten zu schützen weiß. (Man erinnert sich an die Art, wie Präsident Obama seinen treuen Verbündeten Hosni Mubarak fallengelassen hat; siehe "Die USA sind ein sehr ernstes, sehr gefährliches Riskio eingegangen"; ZR vom 9. 2. 2011. Das war nachgerade eine Warnung an alle Staatsmänner weltweit gewesen, daß man sich nicht auf die USA verlassen kann).

Für Rußland geht es jetzt nicht nur darum, die russische Marinebasis im syrischen Tartus zu sichern, die für seine maritime Präsenz im Mittelmeerraum von entscheidender Bedeutung ist. Putin will, so Stratfor, seine starke Stellung in Syrien auch nutzen, um diplomatische Geschäfte mit dem Westen zu machen. Vor allem den USA soll vor Augen geführt werden, daß sie in dieser Region von Rußland abhängig sind, ohne dessen Zustimmung sich keine Lösung wird finden lassen. Und natürlich will in der Diplomatie Entgegenkommen immer honoriert werden. ­
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.