Hempstead ist ein Städtchen von knapp 54.000 Einwohnern im US-Bundesstaat New York; seinem formalen Status nach ein incorporated village, ein eingemeindetes Dorf, Teil der Stadt gleichen Namens. Es ist das größte Dorf des Staats und liegt ungefähr eine Stunde von der Stadt New York entfernt.
Dort gibt es die private Hofstra University mit ungefähr 12.000 Studierenden und 1.200 Lehrenden. Sie hat eine Tradition, Debatten im Präsidentschaftswahlkampf zu beherbergen; auch dieses Jahr wieder zwischen Mitt Romney und Barack Obama.
Strenggenommen ist es keine Debatte, was dort veranstaltet wird, sondern ein townhall meeting; freilich nicht in einer townhall - also einem Gemeindehaus - stattfindend, sondern in einem Gebäude der Universität.
In den vergangenen Tagen konnten interessierte Studenten kostenlose Eintrittskarten erwerben. Der Universitätspräsident Rabinowitz und die Mitglieder des Lehrkörpers hatten angekündigt, sich die Veranstaltung am Bildschirm anzusehen, um den Studierenden keine Plätze wegzunehmen. Studenten erhielten Plätze als Zuschauer; allerdings nicht als Fragesteller.
Denn darum geht es bei einem townhall meeting: Daß Politiker ihren Wählern Rede und Antwort stehen. Also hat man mit Hilfe von Gallup eine repräsentative Stichprobe von Wählern zusammengestellt; alle uncommitted, noch nicht auf den einen oder den anderen Kandidaten festgelegt. Panoramabilder der recht kleinen "Debattenhalle", in der das Ereignis stattfindet, können Sie sich hier ansehen. Die Wähler - es sind 82 Männer und Frauen aus der Region New York - sitzen im Halbkreis um eine Art kleine Manege; die zuschauenden Studenten haben ihre Sitze im Hintergrund.
Über die Regularien, nach denen das abläuft, über die Moderatorin, die Bedeutung der Veranstaltung für den Wahlkampf und über die aktuelle Situation der beiden Kandidaten habe ich gestern informiert (US-Präsidentschaftswahlen 2012 (37): Romney und Obama liegen Kopf-an-Kopf. Heute Nacht gibt es den Showdown. Die Stärken und Schwächen der Kontrahenten; ZR vom 16. 10. 2012). Es folgt ein kommentierender Bericht, den ich schreibe, während ich die Veranstaltung verfolge.
2.55 Uhr: Candy Crowley tritt auf und spricht ein paar Begrüßungsworte. Sehr freundlich, sehr entspannt. Sie wendet sich auch an die studentischen Zuhörer auf den, wie sie sagt, "billigen Plätzen" im Hintergrund.
3.01 Uhr: Die Moderatorin begrüßt die beiden Kandidaten, die ihrerseits einen freundlichen Händedruck austauschen. Obamas Hand geht sogar zu Romneys Schulter.
Die erste Frage stellt ein Student: Was der Kandidat dafür tun wolle, daß er nach seinem Studienabschluß Arbeit habe.
Beide Kandidaten antworten sehr allgemein und kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Romney will die Wirtschaft ankurbeln; Obama kommt auf seine Energiepolitik zu sprechen. Beide sprechen in ihrer ersten Antwort den Studenten persönlich an, gehen aber kaum auf die Probleme von College-Absolventen ein; Romney wirkt dabei freundlich, Obama eher starr.
Im weiteren Verlauf geht Romney in die Offensive und spricht selbst seine Tätigkeit bei der Firma Bain an. Obama zeiht ihn der Lüge. Es ist schon jetzt klar, daß Obama diesmal aggressiv sein will.
3.11 Uhr: Ein Wähler fragt, ob die Regierung Obama tatsächlich nicht auf niedrigere Benzinpreise hinwirken wolle, wie das der Energieminister gesagt habe.
Obama antwortet, die Regierung wolle nach deutschem Vorbild alternative Energien fördern; grüne Jobs. Romney seinerseits will einen Energiemix und kündigt an, die Behinderungen im Bereich der Kohle und des Erdöls zu beseitigen, die Obamas Regierung eingeführt habe.
Wieder gehen beide eigentlich nicht auf die Frage - nach dem Benzinpreis - ein, sondern tragen das vor, was sie zur Energiepolitik sagen wollen.
Und wieder greift Obama Romney persönlich an und wirft ihm vor, er habe als Gouverneur von Massachusetts anders gehandelt, als er jetzt rede. Es kommt zu einem heftigen Schlagabtausch über Obamas Energiepolitik; speziell die Erdölförderung auf öffentlichem Grund und Boden.
Romney bleibt sachlich und geht unter anderem auf eine Pipeline von Alaska durch Kanada ein, die er genehmigen will. Obama spricht in seiner Antwort nun endlich auch konkret zum Benzinpreis. Romney setzt sich gegen die Moderatorin durch und entgegnet noch einmal; was im Publikum leichtes Murren auslöst.
3.24 Uhr: Eine Wählerin fragt nach Romneys Plänen, bestimmte Möglichkeiten des Absetzens von der Steuer (tax deductions) und Steuerminderungen (tax credits) zu streichen.
Romney antwortet, daß er vor allem die Mittelschicht entlasten wolle. Der Anteil der Besserverdienenden am Steueraufkommen werde auf keinen Fall gesenkt werden.
Obama: Er habe die Steuern für die Mittelschicht und kleine Unternehmen bereits gesenkt. Wieder greift er Romney an und wirft diesem vor, seine Pläne würden sieben bis acht Billionen Dollar kosten.
Romney scheint Wirkung zu zeigen. Er ist in der Defensive; längst nicht so aggressiv wie Obama. Während dieser spricht, lächelt er nervös. Seine Stimme klingt leicht gepresst.
Am Bildschirmrand laufen Kurven mit, die fortlaufend die Bewertungen eines Panels von Wählern zeigen (sie drücken entsprechende Tasten an einem Gerät). Während dieser Diskussion zu Steuern wird fast durchweg Obama besser bewertet als Romney.
3.37 Uhr: Eine Frau stellt eine Frage zur Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz.
Obama erzählt von seiner Mutter und von Gesetzen, die er auf den Weg gebracht hat. Wieder geht er sofort auf Romney los; dieser fordere das, was die Regierung bereits getan habe. Romney geht auf seine Personalpolitik als Geschäftsmann und Gouverneur ein; dort habe er Frauen gefördert. Er kommt dann wieder auf sein zentrales Thema zurück: Entscheidend sei die Ankurbelung der Wirtschaft.
Bei der Analyse dieser Debatte wird vermutlich jemand zählen, wie oft Obama "Romney" gesagt hat und wie oft Romney "Obama" gesagt hat. Es dürfte da einen erheblichen Unterschied geben. Es ist verkehrte Welt: Der Herausforderer verhält sich staatsmännisch-zurückhaltend. Der Amtsinhaber attackiert, als sei er der Herausforderer.
3.45: Eine Frau sagt, sie sei mit Obamas Leistung unzufrieden; aber viele der Probleme gingen auf Bush zurück. Wie Romney zu Bush stehe? Romney antwortet, die Zeiten seien heute anders als zur Zeit Bushs. Dann zählt er Unterschiede zu Bush auf - Chinapolitik, Haushaltspolitik, Förderung kleiner Unternehmen.
Wieder attackiert Obama Romney: Dieser hätte den Export von Elektronik nach China zugelassen, die dort zum Ausspionieren der Bevölkerung verwendet werden könne. Romney sei im sozialen Bereich noch extremer als Bush.
3.51 Uhr: Ein Wähler sagt, er hätte 2008 Obama gewählt, sei jetzt aber enttäuscht. Das Leben sei schwerer geworden. Was Obama dazu sage? Obama antwortet mit Attacken auf Romney: Wessen Versprechen denn eher zu trauen sei, seinen oder denen Romneys?
Romney zählt auf, welche Versprechen Obama nicht eingehalten habe. Aber er tut das müde, fast einschläfernd. Auch bei diesem Thema ist die Reaktion des Panels auf Obama positiver als auf Romney.
3.58 Uhr: Eine junge Frau fragt Romney nach seiner Einwanderungspolitik. Er antwortet, er wolle mehr qualifizierte Einwanderer und die illegale Einwanderung eindämmen. Wie Romney betont Obama, daß die USA eine Nation von Einwanderern sei. Auch er will die illegale Einwanderung eindämmen.
Und wieder attackiert er Romney; dieser hätte über Obamas Einwanderungspolitik die Unwahrheit gesagt. Er hätte die harte Einwanderungspolitik von Arizona als Vorbild für nationale Gesetzgebung bezeichnet. Romney bestreitet das. Es gibt einen heftigen Austausch.
4.08 Uhr: Ein Wähler spricht den Vorfall in Bengasi an: Wer dafür verantwortlich sei, daß den dortigen Diplomaten besserer Schutz verweigert wurde?
Obama geht nicht auf die Frage ein, sondern sagt, es werde alles genau untersucht werden. Dann attackiert er sofort wieder Romney: Dieser hätte sich zu dem Thema geäußert, bevor die Fakten überhaupt bekannt gewesen seien.
Romney ist noch nicht einmal bei diesem Punkt aggressiv. Er versäumt es, Obama darauf festzunageln, die Frage zu beantworten, warum bessere Sicherheitsmaßnahmen abgelehnt worden waren.
Anders als Ryan in der Debatte mit Biden macht Romney Obama selbst auch hier wieder kaum Vorwürfe. Stattdessen geht er jetzt allgemein auf die Nahostpolitik ein. Die Zustimmungswerte zu ihm sind wiederum schlechter als die für Obama bei diesem Thema.
Es geht dann darum, ob Obama den Angriff in seiner ersten Erklärung zu diesem Thema einen "Terrorakt" genannt habe. Romney bestreitet das; Crowley verläßt ihre Rolle als Moderatorin und springt Obama bei. Obama reagiert mit "Sagen Sie das laut!". An dieser Stelle gibt es den einzigen Beifall während der Veranstaltung. Romney gerät kurz ins Stottern.
4.18 Uhr: Eine Frau fragt nach Einschränkungen des Besitzes von automatischen Waffen. Obama spricht vage von Maßnahmen. Romney will die sozialen Probleme angehen, die Ursachen von Gewalt sind.
Candy Crowley verläßt wieder ihre Rolle als Moderatorin und fragt Romney direkt, warum er zu diesem Punkt seine Meinung geändert hätte. An Obama hat sie derartige Fragen bisher nicht gerichtet.
Obama redet und läßt sich auch durch Crowley nicht stoppen. Er hat bis jetzt fast vier Minuten länger geredet als Romney.
4.26 Uhr: Eine Frau fragt, wie verlorene Jobs in die USA zurückgebracht werden könnten. Romney wird jetzt einmal lebendiger und geht auf das Problem ein, daß China seine Währung künstlich billig hält und dadurch einen Wettbewerbsvorteil hat. Er spricht Obamacare an, die ein Hindernis für die Schaffung neuer Jobs sei.
Wieder attackiert Obama Romney. Die von diesem geplanten Maßnahmen würden Jobs ins Ausland verlagern. Er greift ihn auch nochmals wegen seiner Zeit bei der Firma Bain an.
Romney antwortet, wird aber von Crowley unterbrochen - obwohl Romney immer noch drei Minuten Sprechzeit gut hat und die Veranstaltung gleich zu Ende ist.
4.35 Uhr: Schlußworte. Keine Überraschungen. Beide zählen ihre Leistungen auf und versprechen, es gut zu machen.
Gesamtsprechzeit am Ende: Romney 40:50 Minuten; Obama 44.03 Minuten. Die Moderatorin Candy Crowley hat sich eindeutig nicht an die Vereinbarungen über ihre Rolle gehalten. Sie hat sich mit Nachhaken eingemischt; sie hat Romney nicht ausreden lassen, obwohl er noch Sprechzeit zur Verfügung hatte. Sie hat sich an einer Stelle eingemischt und Obama Recht gegeben. Sie war nach meinem Eindruck nicht unparteiisch.
5.33 Uhr: Wie nach der Debatte am 3. Oktober hat CNN auch jetzt wieder eine Blitzumfrage durchführen lassen. Soeben wurden die ersten Ergebnisse mitgeteilt: Von den befragten registrierten Wählern, die diese Debatte gesehen haben, bezeichneten 46 Prozent Obama und 39 Prozent Romney als den Sieger.
73 Prozent fanden Obama besser als erwartet, 10 Prozent schlechter und 16 Prozent wie erwartet. Romney sahen nur 37 Prozent als besser als erwartet, 28 Prozent schlechter und 33 Prozent wie erwartet.
Anders sieht es bei spezifischen Fragen aus.
58 Prozent meinten nach dieser Debatte, Romney würde besser auf wirtschaftlichem Gebiet sein; nur 40 Prozent erwarten das von Obama.
Auch bei der Gesundheitspolitik hat Romney einen allerdings kleinen Vorsprung (49 zu 46 Prozent). Ebenso liegt Romney beim Thema Steuern vorn (51 zu 44 Prozent). Beim Staatshaushalt ist Romneys Vorsprung erheblich: 59 zu 36 Prozent.
Nach dieser Umfrage hat Obama also einen allerdings nicht sehr großen Vorsprung, was die Frage nach dem Sieger angeht. Wichtiger für ihn dürfte aber sein, daß er in den Augen vieler Zuschauer besser war als erwartet. Romney andererseits hat die hohen Erwartungen nach der ersten Debatte nicht erfüllt.
Das gilt aber nur für die rhetorische Leistung. Auf den zentralen Sachgebieten trauen die Befragten mehrheitlich Romney mehr zu.
Die Stichprobe umfaßte 33 Prozent Republikaner, 33 Prozent Demokraten und ansonsten Unabhängige. Gegenüber anderen Stichproben waren damit die Republikaner etwas überrepräsentiert. Der Grund ist, daß sie politisch mehr interessiert sind und damit auch relativ stärker in der Gruppe derer vertreten waren, welche die Debatte verfolgten.
Dort gibt es die private Hofstra University mit ungefähr 12.000 Studierenden und 1.200 Lehrenden. Sie hat eine Tradition, Debatten im Präsidentschaftswahlkampf zu beherbergen; auch dieses Jahr wieder zwischen Mitt Romney und Barack Obama.
Strenggenommen ist es keine Debatte, was dort veranstaltet wird, sondern ein townhall meeting; freilich nicht in einer townhall - also einem Gemeindehaus - stattfindend, sondern in einem Gebäude der Universität.
In den vergangenen Tagen konnten interessierte Studenten kostenlose Eintrittskarten erwerben. Der Universitätspräsident Rabinowitz und die Mitglieder des Lehrkörpers hatten angekündigt, sich die Veranstaltung am Bildschirm anzusehen, um den Studierenden keine Plätze wegzunehmen. Studenten erhielten Plätze als Zuschauer; allerdings nicht als Fragesteller.
Denn darum geht es bei einem townhall meeting: Daß Politiker ihren Wählern Rede und Antwort stehen. Also hat man mit Hilfe von Gallup eine repräsentative Stichprobe von Wählern zusammengestellt; alle uncommitted, noch nicht auf den einen oder den anderen Kandidaten festgelegt. Panoramabilder der recht kleinen "Debattenhalle", in der das Ereignis stattfindet, können Sie sich hier ansehen. Die Wähler - es sind 82 Männer und Frauen aus der Region New York - sitzen im Halbkreis um eine Art kleine Manege; die zuschauenden Studenten haben ihre Sitze im Hintergrund.
Über die Regularien, nach denen das abläuft, über die Moderatorin, die Bedeutung der Veranstaltung für den Wahlkampf und über die aktuelle Situation der beiden Kandidaten habe ich gestern informiert (US-Präsidentschaftswahlen 2012 (37): Romney und Obama liegen Kopf-an-Kopf. Heute Nacht gibt es den Showdown. Die Stärken und Schwächen der Kontrahenten; ZR vom 16. 10. 2012). Es folgt ein kommentierender Bericht, den ich schreibe, während ich die Veranstaltung verfolge.
2.55 Uhr: Candy Crowley tritt auf und spricht ein paar Begrüßungsworte. Sehr freundlich, sehr entspannt. Sie wendet sich auch an die studentischen Zuhörer auf den, wie sie sagt, "billigen Plätzen" im Hintergrund.
3.01 Uhr: Die Moderatorin begrüßt die beiden Kandidaten, die ihrerseits einen freundlichen Händedruck austauschen. Obamas Hand geht sogar zu Romneys Schulter.
Die erste Frage stellt ein Student: Was der Kandidat dafür tun wolle, daß er nach seinem Studienabschluß Arbeit habe.
Beide Kandidaten antworten sehr allgemein und kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Romney will die Wirtschaft ankurbeln; Obama kommt auf seine Energiepolitik zu sprechen. Beide sprechen in ihrer ersten Antwort den Studenten persönlich an, gehen aber kaum auf die Probleme von College-Absolventen ein; Romney wirkt dabei freundlich, Obama eher starr.
Im weiteren Verlauf geht Romney in die Offensive und spricht selbst seine Tätigkeit bei der Firma Bain an. Obama zeiht ihn der Lüge. Es ist schon jetzt klar, daß Obama diesmal aggressiv sein will.
3.11 Uhr: Ein Wähler fragt, ob die Regierung Obama tatsächlich nicht auf niedrigere Benzinpreise hinwirken wolle, wie das der Energieminister gesagt habe.
Obama antwortet, die Regierung wolle nach deutschem Vorbild alternative Energien fördern; grüne Jobs. Romney seinerseits will einen Energiemix und kündigt an, die Behinderungen im Bereich der Kohle und des Erdöls zu beseitigen, die Obamas Regierung eingeführt habe.
Wieder gehen beide eigentlich nicht auf die Frage - nach dem Benzinpreis - ein, sondern tragen das vor, was sie zur Energiepolitik sagen wollen.
Und wieder greift Obama Romney persönlich an und wirft ihm vor, er habe als Gouverneur von Massachusetts anders gehandelt, als er jetzt rede. Es kommt zu einem heftigen Schlagabtausch über Obamas Energiepolitik; speziell die Erdölförderung auf öffentlichem Grund und Boden.
Romney bleibt sachlich und geht unter anderem auf eine Pipeline von Alaska durch Kanada ein, die er genehmigen will. Obama spricht in seiner Antwort nun endlich auch konkret zum Benzinpreis. Romney setzt sich gegen die Moderatorin durch und entgegnet noch einmal; was im Publikum leichtes Murren auslöst.
3.24 Uhr: Eine Wählerin fragt nach Romneys Plänen, bestimmte Möglichkeiten des Absetzens von der Steuer (tax deductions) und Steuerminderungen (tax credits) zu streichen.
Romney antwortet, daß er vor allem die Mittelschicht entlasten wolle. Der Anteil der Besserverdienenden am Steueraufkommen werde auf keinen Fall gesenkt werden.
Obama: Er habe die Steuern für die Mittelschicht und kleine Unternehmen bereits gesenkt. Wieder greift er Romney an und wirft diesem vor, seine Pläne würden sieben bis acht Billionen Dollar kosten.
Romney scheint Wirkung zu zeigen. Er ist in der Defensive; längst nicht so aggressiv wie Obama. Während dieser spricht, lächelt er nervös. Seine Stimme klingt leicht gepresst.
Am Bildschirmrand laufen Kurven mit, die fortlaufend die Bewertungen eines Panels von Wählern zeigen (sie drücken entsprechende Tasten an einem Gerät). Während dieser Diskussion zu Steuern wird fast durchweg Obama besser bewertet als Romney.
3.37 Uhr: Eine Frau stellt eine Frage zur Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz.
Obama erzählt von seiner Mutter und von Gesetzen, die er auf den Weg gebracht hat. Wieder geht er sofort auf Romney los; dieser fordere das, was die Regierung bereits getan habe. Romney geht auf seine Personalpolitik als Geschäftsmann und Gouverneur ein; dort habe er Frauen gefördert. Er kommt dann wieder auf sein zentrales Thema zurück: Entscheidend sei die Ankurbelung der Wirtschaft.
Bei der Analyse dieser Debatte wird vermutlich jemand zählen, wie oft Obama "Romney" gesagt hat und wie oft Romney "Obama" gesagt hat. Es dürfte da einen erheblichen Unterschied geben. Es ist verkehrte Welt: Der Herausforderer verhält sich staatsmännisch-zurückhaltend. Der Amtsinhaber attackiert, als sei er der Herausforderer.
3.45: Eine Frau sagt, sie sei mit Obamas Leistung unzufrieden; aber viele der Probleme gingen auf Bush zurück. Wie Romney zu Bush stehe? Romney antwortet, die Zeiten seien heute anders als zur Zeit Bushs. Dann zählt er Unterschiede zu Bush auf - Chinapolitik, Haushaltspolitik, Förderung kleiner Unternehmen.
Wieder attackiert Obama Romney: Dieser hätte den Export von Elektronik nach China zugelassen, die dort zum Ausspionieren der Bevölkerung verwendet werden könne. Romney sei im sozialen Bereich noch extremer als Bush.
3.51 Uhr: Ein Wähler sagt, er hätte 2008 Obama gewählt, sei jetzt aber enttäuscht. Das Leben sei schwerer geworden. Was Obama dazu sage? Obama antwortet mit Attacken auf Romney: Wessen Versprechen denn eher zu trauen sei, seinen oder denen Romneys?
Romney zählt auf, welche Versprechen Obama nicht eingehalten habe. Aber er tut das müde, fast einschläfernd. Auch bei diesem Thema ist die Reaktion des Panels auf Obama positiver als auf Romney.
3.58 Uhr: Eine junge Frau fragt Romney nach seiner Einwanderungspolitik. Er antwortet, er wolle mehr qualifizierte Einwanderer und die illegale Einwanderung eindämmen. Wie Romney betont Obama, daß die USA eine Nation von Einwanderern sei. Auch er will die illegale Einwanderung eindämmen.
Und wieder attackiert er Romney; dieser hätte über Obamas Einwanderungspolitik die Unwahrheit gesagt. Er hätte die harte Einwanderungspolitik von Arizona als Vorbild für nationale Gesetzgebung bezeichnet. Romney bestreitet das. Es gibt einen heftigen Austausch.
4.08 Uhr: Ein Wähler spricht den Vorfall in Bengasi an: Wer dafür verantwortlich sei, daß den dortigen Diplomaten besserer Schutz verweigert wurde?
Obama geht nicht auf die Frage ein, sondern sagt, es werde alles genau untersucht werden. Dann attackiert er sofort wieder Romney: Dieser hätte sich zu dem Thema geäußert, bevor die Fakten überhaupt bekannt gewesen seien.
Romney ist noch nicht einmal bei diesem Punkt aggressiv. Er versäumt es, Obama darauf festzunageln, die Frage zu beantworten, warum bessere Sicherheitsmaßnahmen abgelehnt worden waren.
Anders als Ryan in der Debatte mit Biden macht Romney Obama selbst auch hier wieder kaum Vorwürfe. Stattdessen geht er jetzt allgemein auf die Nahostpolitik ein. Die Zustimmungswerte zu ihm sind wiederum schlechter als die für Obama bei diesem Thema.
Es geht dann darum, ob Obama den Angriff in seiner ersten Erklärung zu diesem Thema einen "Terrorakt" genannt habe. Romney bestreitet das; Crowley verläßt ihre Rolle als Moderatorin und springt Obama bei. Obama reagiert mit "Sagen Sie das laut!". An dieser Stelle gibt es den einzigen Beifall während der Veranstaltung. Romney gerät kurz ins Stottern.
4.18 Uhr: Eine Frau fragt nach Einschränkungen des Besitzes von automatischen Waffen. Obama spricht vage von Maßnahmen. Romney will die sozialen Probleme angehen, die Ursachen von Gewalt sind.
Candy Crowley verläßt wieder ihre Rolle als Moderatorin und fragt Romney direkt, warum er zu diesem Punkt seine Meinung geändert hätte. An Obama hat sie derartige Fragen bisher nicht gerichtet.
Obama redet und läßt sich auch durch Crowley nicht stoppen. Er hat bis jetzt fast vier Minuten länger geredet als Romney.
4.26 Uhr: Eine Frau fragt, wie verlorene Jobs in die USA zurückgebracht werden könnten. Romney wird jetzt einmal lebendiger und geht auf das Problem ein, daß China seine Währung künstlich billig hält und dadurch einen Wettbewerbsvorteil hat. Er spricht Obamacare an, die ein Hindernis für die Schaffung neuer Jobs sei.
Wieder attackiert Obama Romney. Die von diesem geplanten Maßnahmen würden Jobs ins Ausland verlagern. Er greift ihn auch nochmals wegen seiner Zeit bei der Firma Bain an.
Romney antwortet, wird aber von Crowley unterbrochen - obwohl Romney immer noch drei Minuten Sprechzeit gut hat und die Veranstaltung gleich zu Ende ist.
4.35 Uhr: Schlußworte. Keine Überraschungen. Beide zählen ihre Leistungen auf und versprechen, es gut zu machen.
Gesamtsprechzeit am Ende: Romney 40:50 Minuten; Obama 44.03 Minuten. Die Moderatorin Candy Crowley hat sich eindeutig nicht an die Vereinbarungen über ihre Rolle gehalten. Sie hat sich mit Nachhaken eingemischt; sie hat Romney nicht ausreden lassen, obwohl er noch Sprechzeit zur Verfügung hatte. Sie hat sich an einer Stelle eingemischt und Obama Recht gegeben. Sie war nach meinem Eindruck nicht unparteiisch.
5.33 Uhr: Wie nach der Debatte am 3. Oktober hat CNN auch jetzt wieder eine Blitzumfrage durchführen lassen. Soeben wurden die ersten Ergebnisse mitgeteilt: Von den befragten registrierten Wählern, die diese Debatte gesehen haben, bezeichneten 46 Prozent Obama und 39 Prozent Romney als den Sieger.
73 Prozent fanden Obama besser als erwartet, 10 Prozent schlechter und 16 Prozent wie erwartet. Romney sahen nur 37 Prozent als besser als erwartet, 28 Prozent schlechter und 33 Prozent wie erwartet.
Anders sieht es bei spezifischen Fragen aus.
58 Prozent meinten nach dieser Debatte, Romney würde besser auf wirtschaftlichem Gebiet sein; nur 40 Prozent erwarten das von Obama.
Auch bei der Gesundheitspolitik hat Romney einen allerdings kleinen Vorsprung (49 zu 46 Prozent). Ebenso liegt Romney beim Thema Steuern vorn (51 zu 44 Prozent). Beim Staatshaushalt ist Romneys Vorsprung erheblich: 59 zu 36 Prozent.
Nach dieser Umfrage hat Obama also einen allerdings nicht sehr großen Vorsprung, was die Frage nach dem Sieger angeht. Wichtiger für ihn dürfte aber sein, daß er in den Augen vieler Zuschauer besser war als erwartet. Romney andererseits hat die hohen Erwartungen nach der ersten Debatte nicht erfüllt.
Das gilt aber nur für die rhetorische Leistung. Auf den zentralen Sachgebieten trauen die Befragten mehrheitlich Romney mehr zu.
Die Stichprobe umfaßte 33 Prozent Republikaner, 33 Prozent Demokraten und ansonsten Unabhängige. Gegenüber anderen Stichproben waren damit die Republikaner etwas überrepräsentiert. Der Grund ist, daß sie politisch mehr interessiert sind und damit auch relativ stärker in der Gruppe derer vertreten waren, welche die Debatte verfolgten.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.