23. Juli 2023

Streiflicht: You reap what you sow

Die Welt berichtet über eine Anfrage der SED zum Thema Rente: Nach 45 Beitragsjahren erhält der durchschnittliche Rentner in Deutschland 1543 Euro. Mit einem gewissen Verteilungsbias zugunsten von Männern gegenüber Frauen und von Westdeutschen gegenüber Ostdeutschen.

Die SED findet das ganze schlimm. Und will -natürlich- mehr umverteilen und vor allem mehr Schulden machen. Soweit nix besonderes. Aber die Frage ob das ganz schlimm ist, verdient auch eine Betrachtung außerhalb der SED. Was dieser Autor eher schlimm findet, ist, dass die durchschnittliche Pension in Deutschland gleichzeitig bei gut 3000 Euro liegt (plus Beihilfe und andere Scherze) und insofern das soziale Gefüge nicht nur ein wenig zugunsten von Beamten verzerrt ist (was wohl damit zusammenhängen dürfte, dass der Bundestag mehrheitlich aus Beamten besteht und es insofern keine Überraschung ist, wer da in die Kasse greift). 
Aber auch ohne die Betrachtung von Beamten (was am Ende sowieso immer nur als "Neiddebatte" beiseite gewischt wird, weil die Debatte unangenehm ist), kann man die 1543 Euro mal betrachten. Ist das unfair? Ich finde nicht. Ich finde es ganz und gar nicht unfair, im Gegenteil, ich finde es recht viel. Und das aus einer ganz, ganz simplen Betrachtung heraus: Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Deutschland bei über 80 Jahren und zwar 78,5 für Männer und 83,4 für Frauen. Das heißt bei einem Renteneintritt von real 65 Jahren (offiziell 67, real deutlich weniger) sind das 13,5 Einkommensjahre für Männer und 18,4 Jahre für Frauen. Legt man das um auf 45 Arbeitsjahre, so müssten Männer 30 Prozent ihres Einkommens für die Rente beiseite legen und Frauen etwas über 40 Prozent. Tun die aber bis heute nicht. Und haben die vor allem nicht in den letzten 45 Jahren getan. Der Rentenbeitrag liegt über die letzten Jahrzehnte immer irgendwo knapp unter 20 Prozent, d.h. die Einzahler haben immer schon zu wenig eingezahlt, selbst für das heutige Rentenniveau (oder anders gesagt: Immer mehr Schulden aufgetürmt, für die sie sich selber nicht verantwortlich sehen). 
Real betrachtet müssten die Renten bei Männern 30 Prozent niedriger und bei Frauen 40 Prozent niedriger liegen. Nicht höher, niedriger!

Und das ist noch nicht einmal alles, denn die ganzen Babyboomer, die jetzt in Rente gehen, haben nicht nur "zu wenig" eingezahlt, sie hat noch einen drauf gesetzt, in dem sie mehr und mehr darauf verzichtet haben, Beitragszahler groß zu ziehen. Der Pillenknick stammt aus den siebziger Jahren und ist seitdem nicht wieder geändert worden. D.h. es fehlen auch die Beitragszahler in dem Rententransfersystem.

Soviel zur angeblich fehlenden Gerechtigkeit. Das ist der Fall, aber mit falschem Vorzeichen.

Und vielleicht noch eins am Rande, weil ich diese Diskussion ja auch nicht das erste mal sehe: Es wird gerne argumentiert, dass der einzelne Beitragszahler ja nichts dafür kann, was die Politik tut. Er kann ja nichts dafür, dass man schon seit Jahrzehnten hier mehr und mehr Schulden auftürmt, er könnte ja anderer Meinung gewesen sein, ist aber demokratisch gefangen gewesen. Das klingt erst einmal gut, denn man kann ja in einer Minderheit sein. Aber in diesem speziellen Fall greift das völlig ins Leere. Denn niemand hätte den fiktiven "guten Mann" daran gehindert die 10% von seinem Gehalt, die ihm der Staat nicht weggenommen hat, selber zu investieren. Und wer das getan hat, der sitzt heute nicht auf 1543 Euro Rente. Im Gegenteil. Wer sich die Wertentwicklung an Aktien- oder Immobilienmärkten über die letzten 45 Jahre ansieht, der kann sich leicht vorstellen, zu was für einem Vermögen das geführt hätte. Es gibt ja auch Leute, die das getan haben. 

Ganz flapsig gesprochen: Das deutsche, staatliche Rentensystem ist schon immer ein Kettenspiel gewesen. Wer das gesehen hat, und selber etwas getan hat, der ist heute gut dran. Aber wer mitgemacht hat, die niedrigen Beiträge genossen hat, keine Kinder groß gezogen hat, und sich jetzt beschwert, dass das Kettenspiel irgendwann zusammen bricht, für den kann ich nur begrenzt Mitleid aufbringen. 1543 Euro sind nicht viel (wobei Studenten von deutlich weniger leben). Aber sie sind nicht unverdient. Im Gegenteil: Es ist eigentlich mehr, als man gesäht hat. 
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Llarian

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