Mit dem Wort „Watergate“ verbindet sich der größte innenpolitische Skandal der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – vom Einbruch in die Parteizentrale der Demokratischen Partei im Juni 1972 im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, bei denen Amtsinhaber Richard Nixon im November im Amt bestätigt wurde, über die Aufklärung und die Enthüllung, daß der Präsident selbst hinter dem Versuch, „die Konkurrenz“ durch die Installierung von Abhörmikrophonen auszuhorchen, stand, bis hin zu Nixons Rücktritt im August 1974, mit dem er dem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvor kam. Eine wirklich nette Volte – die sich kein Thrillerautor hätte erlauben dürfen - besteht darin, daß Nixon sich selbst durch Tonbandmitschnitte seiner Anweisungen in den Besprechungsräumen im Oval Office ans Messer geliefert hatte, auf deren Herausgabe der Untersuchungssausschuß zur Affäre im Oktober 1973 einklagte – und daß das System zum Mitschneiden aller mündlichen Anweisungen im Februar 1971 auf Betreiben Nixons selbst installiert worden war – zunächst im Oval Office und dem Konferenzsaal des Weißen Hauses und ein Vierteljahr darauf in Nixons Büro im Eisenhower Executive Building und in seinem Arbeitszimmer in Camp David.
Einen ganz gewichtigen Anteil daran, daß sich dieser Skandal wie eine Lawine entwickelte, die bei der Schußfahrt ins Tal alles, was ihr unterkommt, mitreißt, hatten die Reportagen einer einzigen Zeitung, der „Washington Post,“ in der zwei junge Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, die trotz Pressionen von Seiten der Politik, gedeckt durch den Chefredakteur Ben Bradlee, „am Ball blieben“ und auf Informationen aus erster Hand von Zeugen des Geschehens zurückgreifen konnten: die Folgen waren die Rücktritte der für den ursprünglichen Einbruch verantwortlichen Staatsekretäre J.R Haldeman und John Ehrlichman („Nomen est omen,“ flüstert der kleine Zyniker) im April 1973 und die Bestätigung drei Monate darauf, daß die erwähnten Tonbandmitschnitte aus dem Weißen Haus tatsächlich existierten. Lange Zeit war unklar, wer sich hinter dem von Woodward und Bernstein nur „Deep Throat“ genannten Hauptzeugen verbarg. Erst durch die Enthüllungen seiner Familie wurde 2005 klargestellt, daß es sich um Mark Felt handelte, der als Associate Director des FBI und Vorgesetzter des Untersuchungsleiters Charles Nuzum dessen Berichte zugestellt bekam. (Die Gestalt des Zigarettenrauchers, des „Cigarette Smoking Man,“ in Chris Carters Fernsehserie „Die X-Akten“ ist eine verspätete Referenz daran.)
Welchen tatsächlichen Anteil die Reportagen von Woodward und Bernstein am einzigen Rücktritt eines amtierenden Präsidenten der USA von seinem Amt haben, ist umstritten; die Vermutung, ohne diesen Stachel im Fleisch wären vielleicht nur ein paar Bauern auf dem politischen Schachbrett geopfert worden, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber daß sich diese Affäre so genau ins kollektive Gedächtnis des zeitgenössischen Amerika gebrannt hat, lag an zwei Umständen: Zum einen der öffentlichen Stimmung nach dem Ende des Vietnam-Einsatzes, bei dem fast 60.000 junge Soldaten „für nichts“ – jedenfalls nicht für legitime amerikanische Interessen – am anderen Ende der Welt gestorben waren – aufgrund der Blindheit und dem menschenverachtenden Kalkül der politischen Führung in Washington. Und der Buchveröffentlichung „All the President’s Men,“ zu der Woodward und Bernstein ihre Reportagen in der „Washington Post“ ausgearbeitet hatten, und das im Juni 1974, zwei Monate von Nixons Rücktritt, beim Verlag Simon & Schuster herauskam. Zahllose Amerikaner fanden hier ihr Grundvertrauen in das System der amerikanischen Demokratie beschädigt. Die Affären um die Eigenmächtigkeiten des FBI-Direktors J. Edgar Hoover ab 1966 hatten hier Vorarbeit geleistet. Daß hier politisch Unliebsame falsch verdächtigt wurden, daß sich eine polizeiliche Untersuchungsbehörde wie ein Staat im Staat nach den Obsessionen ihres Leiters verhielt, war alarmierend genug gewesen. Aber die Watergate-Affäre ging darüber hinaus: Hier schien die gesamte politische Klasse, einschließlich des Präsidenten, sich die Institutionen zur Beute gemacht zu haben, um skrupellos die eigenen Machtgelüste ausleben zu können. Ein solcher Verdacht, ein solches Gefühl war bis dahin nur bei den Extremisten auf der linken Seite (und in jenen Jahren, in der Zeit der „John Birch Society,“ auch der extremen Rechten) verbreitet gewesen. Jetzt schien sich diese mißtrauische, fast paranoide Sicht auf das politische Haifischbecken Washington tatsächlich zu bestätigen. Es ist durchaus möglich, daß das „Hochjazzen“ des Kandidaten Barack Obama bei seinem Antreten als Kandidat im Sommer 2008 zum „neuen Messias,“ als Lichtgestalt, der den Augiasstall reinigt und den alten politischen Idealen wieder zu ihrem Recht verhilft, ein letzter Impuls dieses Vertrauensverlusts war. Leider erwies sich Obama auch nur als Fleisch von diesem Fleisch. Und anders als bei Nixon, dessen Verdienste und Leistungen aus dem Rückblick erheblich positiver erscheinen, als es am Ende seiner Amtszeit der Fall war, dürfte das abschließende Urteil der Historie über den Nobelpreisträger Obama vernichtend ausfallen.
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Bob Woodward, einer der beiden Autoren von „All the President’s Men“ (die deutsche Übersetzung erschien noch im gleichen Jahre unter dem Titel „Die Watergate-Affäre“ als Taschenbuchausgabe beim Verlag Droemer-Knaur), hat seitdem 20 weitere Bücher in der gleichen Machart vorgelegt: Berichte „aus dem Inneren der Mächte,“ auf intensiven Interviews mit Augenzeugen beruhend, Materialsammlungen, die versuchen, die gesamte Fülle des Materials zu sammeln. Daß der Vorwurf, hier verzettele sich der Reporter zu oft in der Fülle des Materials, in trivialen Einzelheiten, ist nur natürlich, aber bei einem solchen Vorgehen unvermeidlich. Ebenso, daß viele der Quellen namenlos, in Anonymität verbleiben. Zu Zeiten, als sich politischer Journalismus noch als Gegenpol und Korrektiv einer grundsätzlich mit Mißtrauen betrachteten Politik verstand, waren solche Zeugenschutzprogramme selbstverständlich. Auch die „Spiegel-Affäre“ vom Oktober 1962, die bei uns die am gleichen Wochenende stattfindende Kuba-Krise zu einem Nicht-Ereignis degradierte, und bei der Herausgeber Rudolf Augstein sich weigerte, die Namen seiner Informanten dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß offenzulegen, steht für diese Tradition. Im deutschen Sprachraum ist der einzige Reporter, der mit ihm – wenn auch auf einer tiefer angesiedelten, nicht bei weitem so einflußreichen Ebene – in seine Fußstapfen getreten ist, Robin Alexander, dessen Bücher „Die Getriebenen“ über die Monate der Grenzöffnung durch Frau Merkel und ihren engsten Zirkel im Sommer und Herbst 2015 und vor wenigen Monaten „Machtverfall: Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik“ sich ebensolchen Gewährsleuten und Zugangsmöglichkeiten verdanken (wie auch der Umstand, daß beide Autoren das Beurteilen der berichteten Vorgänge ihren Lesern zutrauen).
Aber keines dieser Bücher – von denen es 13 auf die amerikanischen Bestseller-Listen geschafft haben - hat je die Wirkung erzielt, den Schickeffekt ausgelöst wie dieses erste Werk von 1974; nicht „The Agenda“ und „The Choice“ (1994 und 1996) über Bill Clintons erste und zweite Amtszeit, nicht „Bush at War“ und „Plan of Attack“ (2002 und 2004), über die Entscheidung von Präsident Bush Jr. Zum Angriff gegen Afghanistan bzw. den Irak oder „Obamas’ Wars“ (2010) über die Fortsetzung dieser Einsätze. Vielleicht, weil hier nichts Schockierendes zu enthüllen war, nichts, das nicht im Vorfeld bekannt war und monatelang mediales Tagesgespräch gewesen war, nur Blicke in die Abläufe hinter den Kulissen.
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Das könnte sich jetzt ändern, in dieser Woche. Oder eigentlich schon seit der vorigen Woche, als Woodwards altes Stammblatt, die „Washington Post,“ am Dienstag, den 14. September, ein Kapitel aus Woodwards neuem Buch „Peril“ abdruckte, das morgen, am 21. September bei Simon & Schuster erscheint. In diesem Buch, das in Zusammenarbeit mit Robert Costa entstanden ist, werden auf Grundlage von über 200 Interviews mit Zeugen und Teilnehmern die letzten Wochen der Präsidentschaft Donald Trumps von der Wahl im November bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers Joe Biden *en detail* geschildert. (Costa, der seit Ende 2014 als politischer Berichterstatter über nationale Politik für die „Washington Post“ aus der Hauptstadt berichtet, hatte zuvor drei Jahre lang für das konservative Magazin „The National Review“ gearbeitet; sein Wechsel gilt als das erste Mal seit langer Zeit, daß eine solche Position wie das Hauptstadtressort in einem der führenden, traditionell als „progressiv“ (vulgo „linken“) Medien-Outlet wie der „WaPo“ der der „New York Times“ mit einem Berichter mit „rechtem“ (vulgo „konservativem,“ im O-Ton: „right-leaning“) Stallgeruch besetzt worden ist.
Was Woodward und Costa in diesem Kapitel zu berichten haben, hat das Zeug zu einer politischen Bombe. Ihren Quellen zufolge hat der oberste Militär der Vereinigten Staaten, General Mark A. Milley, am 8. Januar, zwei Tage nach den chaotischen Vorgängen im Kapitol bei der Entscheidung der Wahlmänner ein Treffen der Joint Chiefs of Staff, des Generalstabsgremium für die Streitkräfte der USA, anberaumt und den Mitgliedern dieses Gremium befohlen, von niemandem außer ihm selbst Anweisungen entgegenzunehmen. Und bei der Erteilung von Anweisungen an die einzelnen Truppengattungen dürften nur solche erteilt werden, zu denen er persönlich sein Plazet gegeben habe. „No matter what you are told, you do the procedure. You do the process. And I'm part of that procedure,“ zitieren Woodward und Costa ihre Gewährsleute.
Das ist keine Kleinigkeit. Der Joint Chiefs of Staff, was etwa mit Oberster Generalstab zu übersetzen wäre, ist das höchste Befehlsgremium des amerikanischen Militärs für den Fall eines militärischen Einsatzes. Es besteht aus dem Vorsitzenden – in diesem Fall General Milley, seinem Stellvertreter, und fünf weiteren Generälen sowie zwei Admirälen, die die verschiedenen Waffengattungen vertreten: die Armee, die Marine, die Küstenwache, und so fort. Ihre Aufgabe ist, den Präsidenten und das Parlament (Kongress und Senat) in militärischen Angelegenheiten zu beraten und im Fall eines militärischen Einsatzes deren Anweisungen entgegenzunehmen und an die einzelnen Waffengattungen weiterzugeben. Im Fall eines solchen Kriegseinsatzes ist der Präsident – wie es in Demokratien die Regel ist – oberster Befehlshaber des Militärs. In „Peril“ lautet der anschließende Passus: He (Milley )then went around the room, looked each officer in the eye, and asked them to verbally confirm they understood. "Got it?" Milley asked, according to the book."Yes, sir." Milley considered it an oath. (“Er ging an jedem Anwesenden vorbei, sah ihnen in die Augen und bat sie, zu erklären, daß sie diese Anweisungen verstanden hätten. „Haben Sie das begriffen?“ „Ja, Sir.“ Milley betrachtete dies das einen Eid.“)
Nach Woodwards und Costas Schilderung wurde Milley von der Überzeugung getrieben, Präsident Trump habe infolge des chaotischen Vorgänge im Kapitol tatsächlich den Verstand verloren, sei nicht mehr zurechnungsfähig und imstande, einen Nuklearangriff auf den militärischen Gegen China zu befehlen. Nach der Schilderung von Woodward und Costa erhielt Milley im Anschluß einen Anruf von Speaker Nancy Pelosi; die Autoren haben eine Mitschrift des Wortlauts erhalten und geben sie in ihrem Kapitel wieder. Als Milley Pelosi versicherte, sie brauche sich um die Sicherheit der Atomwaffen keine Sorgen zu machen, gab sie zurück: "What I'm saying to you is that if they couldn't even stop him from an assault on the Capitol, who even knows what else he may do? And is there anybody in charge at the White House who was doing anything but kissing his fat butt all over this? You know he's crazy. He's been crazy for a long time." (Es geht um Folgendes: hier konnt nicht einmal ein Überall aufs Kapitol verhindert werden; wer weiß, was ihm – also Trump – noch einfällt? Gibt es irgendwen im Weißen Haus, der etwas anderes tut als ihm in den H---- zu kriechen? Sie wissen doch, daß er wahnsinnig ist. Er hat schon lange den Verstand verloren.“) Als Reaktion darauf, so schreiben Woodward und Costa, habe Milley die anderen Mitglieder des Gremiums angewiesen: „Watch everything. All the time. Needles up, keep watching, scan.“ Auch die Direktorin der CIA, Gina Haspel, und den Chef der National Security Agency, Paul Nakasone, habe er angewiesen: „Aggressively watch everything, 360.” De facto, schreiben Woodward und Costa, habe er damit die amerikanischen Streitkräfte im Alarmzustand versetzt, und das, ohne das Weiße Haus oder das Parlament davon in Kenntnis zu setzen.
Das ist aber noch nicht alles. Nach Woodward und Costa hat Milley zwei Male, und zwar schon weit vorher, Telefongespräche mit seinem Pendant bei der Volksbefreiungsarmee der Volksrepublik China geführt – General Li Zuocheng, oberster Befehlhaber der chinesischen Streitkräfte. Das erste Gespräch fand am 30. Oktober 2020 statt – eine ganze Woche vor den Präsidentschaftwahlen. „General Li, ich kann Ihnen versichern, daß die amerikanische Regierung stabil ist und nichts vorfallen wird,“ berichten die Autoren über dieses Gespräch. „Wir werden Sie nicht angreifen und nichts gegen Sie unternehmen.“ Das zweite Gespräch fand ebenfalls am 8 Januar statt. Bei diesem Gespräch versicherte Milley dem chinesischen Befehlshaber, ihn im Fall eines Angriffs persönlich vorzuwarnen. „General Li, wir kennen uns jetzt seit fünf Jahren. Wenn es zu einem Angriff auf unserer Seite kommt, rufe ich Sie rechtzeitig an. Es wird nicht überraschend dazu kommen.“
Halten wir fest: Der oberste Befehlshaber der Streitkräfte ändert aus eigenem Gutdünken die in Verordnungen und Gesetzen bindend festgelegte Befehlskette, die die Streitkräfte der Kontrolle von Regierung und Parlament unterstellt. Er tut dies, ohne die so Ausgeschalteten davon in Kenntnis zu setzen. Er versetzt die Kommandoebene der Streitkräfte in Alarmbereitschaft, und zwar nicht gegen einen Angriff von außen, sondern von seiten eben dieser Regierung. Und im gleichen Atemzug kommuniziert er seine Vorhaben und sein Verhalten mit dem obersten Militär des militärischen Gegners, General Li Zuocheng, 李作成, der seit 2017 Chef des Generalstabs ist.
Ich urteile nur mit juristischem Laienverstand, aber für mich gibt es für ein solches Verhalten eine Bezeichnung: Hoch- und Landesverrat. Der Einwand, Milley dürfte hier aus – nach seiner Ansicht wohl berechtigter – Sorge zu diesem Handeln getrieben worden sein, macht die Sache nicht besser. Jeder Coup d’etat wird immer und überall aus dem Motiv gerechtfertigt: man habe „Schlimmeres verhindern wollen,“ die gestürzte Regierung sei „auf dem Weg ins Chaos gewesen.“ Die3 schon erwähnte Leiterin der CIA, Gina Haspel, hatte Milley (auch dies nach dem bericht von Woodward und Costa) nach der Wahl im November telefonisch gewarnt: „We are on the way to a right-wing coup. The whole thing is insanity. He (gemeint ist Trump) is acting like a six-year-old with a temper tantrum.“ (Wir sind auf dem Weg zu einem Putsch von rechts. Es ist der schiere Wahnsinn. Er benimmt sich wie ein tobsüchtiger Sechsjähriger.)
Mutatis mutandis lag sie damit nicht falsch – nur daß die Gefahr des Staatstreichs eben nicht vom damals amtierenden Präsidenten und von „rechts“ ausging, sondern von der Armeeführung, von den Geheimdiensten und der Opposition – man könnte auch sagen, vom „tiefen Staat.“ Man darf auch fragen, ob Milley wirklich der richtige Mann für einen solchen Posten ist. Weniger als eine Woche vor dem Fall von Kabul erklärte er auf einer Pressekonferenz, was für ihn die oberste Priorität für das Militär sei: „I want to understand white rage. And I’m white.“ Dieser „weiße Zorn“ (auch „white backlash“ genannt) verdankt seinen Namen den vor 5 Jahren erschienenen Buch der Professor*X Carol Anderson von der Emory University, in dem sie alle sozialen Mißstände, alle Spannungen und Vergiftungen des sozialen Klimas auf eine einzige Ursache zurückführt: den ohnmächtigen Zorn aller Weißen, „Privilegierten,“ gegen die sozialen Geländegewinne der Schwarzen in den Vereinigten Staaten. Es handelt sich um einen der Kerntexte der „Wokeness“: egal welche Defizite und Mißstände Menschen anderer Hautfarben und Ethnien erfahren, ob diese real oder nur eingebildet sind, gleich welche Ursachen dafür verantwortlich sind: immer liegt es am unterstellten Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft, die sich der von den Wortführern der Wokisten behaupteten „Privilegien“ schämen und ihnen abschwören soll. (Da der Erfolg von Einwanderern aus Ostasien den USA dieser These diametral widerspricht, finden sie sich in den Narrativen von Bewegungen wie Black Lives Matter auch niemals wieder. Aber die erschreckend zunehmende Zahl von unmotivierten Gewalttaten schwarzer Täter gegen Chinesen, Vietnamesen, Japaner zumeist fortgeschrittenen Alters macht deutlich, daß der hier zum Ausdruck kommende Rassismus der Glutkern dieser zutiefst unsozialen Bewegungen ist.)
Daß General Milley wohl ernsthaft damit gerechnet hat, der Präsident der Vereinigten Staaten könne, aus Frust und Zorn über eine womöglich durch Manipulation verlorene Wahl eigenmächtig einen Atomschlag und damit den Dritten Weltkrieg auslösen, zeugt jedenfalls von einem tiefen Realitätsverlust, von einer Blindheit, die den wohl folgenreichsten Fall von TDS, de „Trump Derangement Syndrome“ darstellt. Ein solcher Schritt hätte das Ansehen der Vereinigten Staaten für alle Zeiten beschädigt ihn sie zu einem Pariahstaat werden lassen. Man muß Trump nicht mögen und wertschätzen: aber wer während der vier Jahre seiner Amtszeit (und ihrer Erfolge!) auch nur kurz versucht hat, die Bilder und Nachrichten halbwegs objektiv zur Kenntnis zu nehmen, dem kann nicht entgangen sein, daß Trumps Liebe und Achtung vor seinem Vaterland tiefsitzend und echt ist. Er hat keine Sekunde gezögert, seine Gegner, gerade auch seine innenpolitischen Gegner, lächerlich zu machen – was genau die Scheidemünze ist, mit der sie, und die ihnen verbundenen Medien, ihn, vier volle Jahre lang, Tag um Tag, behandelt haben. Während seiner Amtszeit ist sich Amerika aus bewaffneten Konflikten herausgehalten. Lediglich zwei Luftangriffe auf Syrien sind während dieser Zeit erfolgt – auf Luftstützpunkte der syrischen Armee – und beide Male handelte es sich um Vergeltungsschläge auf vermeintliche, von der Weltpresse gemeldete Giftgasangriffe auf die syrische Zivilbevölkerung. In der letzten Woche hat die BBC zugeben, daß diese Berichte, die von ihre in Umlauf gesetzt worden sind, Falschmeldungen waren. Daß Trump von Frau Pelosi wörtlich zum Wahnsinnigen erklärt wurde, weil er das Wahlergebnis anzweifelte, ist von besonders finsterer Ironie, weil Pelosi und die Democrats die vier vorhergehenden Jahre hindurch unermüdlich behauptet hatten, Trumps Wahl 2017 sei nur durch die Manipulation Russlands möglich gewesen (die Kosten der parlamentarischen Untersuchung, die keinerlei Hinweis dafür erbrachte, beliefen sich dreieinhalb Jahre später aus 30 Millionen Dollar).
Nach meinem Dafürhalten hat das, was Woodward und Costa in diesem Kapitel zu berichten haben, das Zeug zu einem neuen Watergate. Ja sogar mehr: 1972-74 ging es um eher kleinkriminelle Machenschaften, um dem politischen Gegner zu schaden, nicht darum, das System der Checks and Balances auszuschalten, das Militär der Regierungskontrolle zu entziehen und den eigenen, gewählten Regierungschef am Handeln zu hindern. OB diese Causa sich zu dergleichen entwickeln wird, steht noch in den Sternen. Es könnte durchaus sein, daß dieses Skandalon einfach „verpufft“: es war ja für einen guten Zweck. Der wahnsinnige Orangenmann mußte daran gehindert werden, auf den roten Knopf zu drücken. Und wenn dabei ein paar Spielregeln über den Jordan gehen: So what? Nach den ersten tief empörten Reaktionen in der vorigen Woche, etwa durch Tucker Carlson aus Fox News ist es in den „rechten“ Medien in den USA mittlerweile wieder recht ruhig geworden Möglich, daß das Erscheinen des Buches abgewartet werden soll – es handelt sich ja nur um ein Kapitel, das bislang bekannt geworden ist. Möglich ist aber auch, daß das politische Klima nach der Trump-Ära und dem staunenswerten Versagen der bisherigen Biden-Administration so weit abgestumpft ist, daß dergleichen gar nicht weiter beachtenswert scheint.
U.E.
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