20. Oktober 2011

Zitat des Tages: "Das ist ein sehr klares linkes Programm". Sahra Wagenknecht vor dem Erfurter Parteitag. Massenlinie, Kaderlinie

Welt Online: Jetzt steht erst mal der Programmparteitag in Erfurt an. Wie zufrieden sind Sie mit dem Programm?

Wagenknecht: Das ist ein sehr klares linkes Programm, das unser Profil sehr gut umschreibt. Ich freue mich, dass seine Grundaussagen, die ja schon vor anderthalb Jahren vorgelegt wurden, in der Basis auf große Zustimmung gestoßen sind.
Sahra Wagenknecht, laut "Financial Times Deutschland" der "neue Star am Himmel der von Wahlniederlagen frustrierten Linken", in einem Interview mit "Welt-Online".

Kommentar: Es ist an der Zeit, sich an dieses "klare linke Programm" zu erinnern und an dessen "Grundaussagen". Der Entwurf wurde, wie es Wagenknecht sagt, ja bereits im März 2010 vorgestellt. Ich habe damals mehrfach über ihn berichtet.

Eigentlich möchte ich Sie dazu einladen, alle vier damalige Artikel jetzt einmal nachzulesen. Um Sie dazu vielleicht ein wenig zu ermuntern, hier Zitate aus den beiden ersten:
Der lang erwartete Programmentwurf, den die Partei "Die Linke" morgen dem Publikum vorstellen will, liegt der "Süddeutschen Zeitung" bereits vor; und in "sueddeutsche.de" hat gestern Abend Daniel Brössler Kernsätze daraus zitiert. Der Artikel erscheint in der heutigen Ausgabe der SZ. Wenn Sie das gelesen haben, dann werden Sie sich den Horrorfilm heute Abend schenken können.

Falls Sie noch Zweifel daran haben sollten, daß die Partei, deren langjähriger Chef Lothar Bisky jetzt der Vorsitzende der Kommunisten Europas ist, eine neue DDR will, dann lesen Sie diesen Artikel. (...)

Bis hin zum Namen entspricht das dem Programm, das Hugo Chávez seit einigen Jahren in Venezuela realisiert. Er ist es, der das Copyright auf das Etikett "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" hat; siehe zum Beispiel Venezuela auf dem Weg in den Sozialismus; ZR vom 24. 4. 2009. Bei den deutschen Kommunisten soll das nach dem Entwurf "demokratischer Sozialismus des 21. Jahrhunderts" heißen.

Auch Chávez geht den Weg der etappenweisen Enteignung und des Aufbaus von Machtstrukturen außerhalb des parlamentarischen Systems. Wie Chávez haben die deutschen Kommunisten so, wie es der jetzige Programmentwurf erkennen läßt, Abschied von einer gewaltsamen Revolution in einem einzigen Akt genommen und wollen den Sozialismus schrittweise einführen.
Aus DDR Reloaded: "Die Linke" stellt morgen den Entwurf ihres Programms vor. Danach wird niemand mehr sagen können, er habe es nicht gewußt; ZR vom 19. 3. 2010).
In dem Zitat wird Lothar Bisky als der Vorsitzende der europäischen Kommunisten genannt, der er damals war. Im Dezember 2010 wurde er durch den französischen Kommunisten Pierre Laurent abgelöst. Sehen Sie sich einmal den "Exekutivrat" (also das Politbüro) dieser Partei an: Stellvertreterin Laurents und Politische Koordinatorin ist die Vertreterin der Kommunistischen Partei Spaniens Maite Mola. Und die deutschen Kommunisten? Die Partei "Die Linke" stellt den Schatzmeister, Dieter Dehm.

Das zweite Zitat:
Diese Partei will eingestandenermaßen eine andere Gesellschaft und eine andere politische und wirtschaftliche Ordnung. Sie bedroht offen unsere Freiheit und die rechtsstaatlichen Grundsätze des GG.

Ich hatte nicht erwartet, daß "Die Linke" schon jetzt ihre kommunistischen Ziele so unverhohlen darlegen würde. Daß sie es tut, zeigt, daß sie sich - jedenfalls aus Sicht ihrer Programmkommission - stark genug gefühlt, die Tarnung, die sie nach 1989 als erforderlich angesehen hatte, weitgehend fallen zu lassen. (...)

Man hat sich mit einem Grundsatzprogramm zwanzig Jahre Zeit gelassen. Jetzt hatte man die - offenbar richtige - Einschätzung, daß das Entsetzen über den real existierenden Sozialismus inzwischen so weit abgeklungen ist und daß das "Kräfteverhältnis" sich so günstig entwickelt hat, daß man den nächsten Anlauf ankündigen kann. (...) ... das Ziel, das (S. 11) so beschrieben wird:
Demokratischer Sozialismus (...) zielt auf grundlegende Veränderungen der herrschenden Eigentums-, Verfügungs- und Machtverhältnisse. Er verbindet Protest und Widerstand, den Einsatz für soziale Verbesserungen und linke Reformprojekte unter den gegebenen Verhältnissen und die Überschreitung der Grenzen des Kapitalismus zu einem großen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung, der das 21. Jahrhundert bestimmen wird.

DIE LINKE kämpft in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein. (...)
Wenn eine Partei (...) offen ankündigt, daß sie die Axt an das Grundgesetz zu legen gedenkt, sobald sie die Macht dazu hat, dann wird das mit einem Achselzucken quittiert.
Aus "Der Entwurf enthält verfassungsrechtlichen Sprengstoff ohnegleichen". Die Partei "Die Linke" bedroht das Grundgesetz; ZR vom 28. 3. 2010

Lesen sie bitte auch die beiden späteren Artikel: Sparpolitik und eine drohende Katastrophe; ZR vom 16. 5. 2010, sowie "Generalstreik - warum eigentlich nicht?" Das Demokratie-verständnis der Kandidatin Luc Jochimsen; ZR vom 17. 6. 2010.



Am 8. Oktober fand in Berlin unter dem Motto "Kurs halten!" eine Konferenz des linken Flügels der Partei "Die Linke" statt. In ihrer Rede auf dieser Konferenz beurteilte Wagenknecht das Programm, das am kommenden Wochenend in Erfurt verabschiedet werden soll, so:
Das ist in seiner Grundsubstanz ein konsequent linker, konsequent antineoliberaler, konsequent antikapita-listischer und konsequent antikriegsorientierter Programmentwurf.
Die "Frankfurter Rundschau" über diese Rede:
Sie rechnet mit dem System ab: Der Kapitalismus darf nicht umgemodelt, er muss überwunden werden, der Finanzkapitalismus besser heute als morgen. "Kapitalismus bedeutet immer Krieg", ruft sie in den Saal. Die Bundeswehr und die Nato gehören abgeschafft, die Banken verstaatlicht, Mindestlohn zehn Euro, Reichensteuer sowieso.
In dem Interview mit "Welt-Online" gibt sich Wagenknecht staatsmännisch-zurückhaltend; ganz schon die neue Fraktions- oder Parteivorsitzende. In Berlin hat sie Tacheles geredet. Das ist halt der Unterschied zwischen der Massenlinie und der Kaderlinie.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.