12. Oktober 2011

Marginalie: Über geistiges und sonstiges Eigentum

Wer Arno Schmidt schätzt, der ist wahrscheinlich schon einmal in Bargfeld gewesen und hat sich von Susanne Fischer oder Bernd Rauschenbach durch Arno Schmidts Haus führen lassen. Wir waren mehrfach dort, weil es in dem daneben errichteten Pavillon der Stiftung aktuelle Ausstellungen zu sehen gibt. Jetzt schreibt Bernd Rauschenbach dies:
Guten Tag –

das sagt man so - aber es ist definitiv kein guter Tag für uns.

Seit 1984 zeigen wir, nach Voranmeldung, Einzelbesuchern und Gruppen das Schmidtsche Wohnhaus. 27 Jahre lang ist bei diesen Führungen nichts gestohlen worden. Die Aura des Ortes, die Schutzlosigkeit der frei zugänglichen Gegenstände, der Anstand der Besucher haben dafür gesorgt, daß dieses ziemlich einzigartig authentische Dichterhaus intakt und komplett so erhalten blieb, wie Arno bzw. Alice Schmidt es hinterlassen haben.

Jahrzehntelang lag auf der Wieland-Ausgabe im Regal über Schmidts Schreibtisch ein postkartengroßes Kartonstück, auf dem ein s/w-Fotodruck von Wielands Grab und ein getrocknetes Efeublatt geklebt sind; mit Tinte beschriftet in Schmidts Vorkriegs-Handschrift: "Gepflückt von / Wielands Grab / im Mai 1939 / Arno Schmidt" (abgebildet in "WuHi?" S. 124)

Dieses Kartonstück liegt dort nicht mehr. Es muß, wie wir vorhin bemerkten, in den letzten Wochen gestohlen worden sein.

Was sollen wir daraus lernen?

Das Haus gar nicht mehr zeigen? Nur noch Einzelbesucher zulassen, die wir jede Sekunde beobachten können? Bodyscanner einsetzen?

Wir hoffen, der Dieb/die Diebin lernen:

daß man dieses Stück weder bei ebay noch im Antiquariatshandel zu Geld machen kann;

daß einen der Besitz eines solchen Stückes dem geschätzten Autor um keinen Deut näher bringt;

daß die Freude an diesem Besitz eine sehr einsame Angelegenheit werden wird;

daß die Rückgabe des Stücks an die Arno Schmidt Stiftung tausenden Lesern statt nur einem Freude bringen wird. (...)
Schön formuliert, lieber Bernd Rauschenbach. Ich lerne daraus, daß es immer mehr Menschen gibt, die das Eigentum nicht respektieren. Alles gehört doch irgendwie allen, finden sie.
Zettel



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