Im ersten Teil habe ich versucht, in kompakter und anschaulicher Form das Wissen zusammenzufassen, das man haben muß, um verstehen zu können, mit welchem Thema sich die drei Nobelpreisträger Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess befaßt haben: Es geht um die Ausdehnung des Universums.
Am Ende des ersten Teils - den Sie vielleicht (noch einmal) lesen mögen, bevor Sie jetzt weiterlesen - habe ich auf ein Problem aufmerksam gemacht: Die Ausdehnung des Weltalls sollte eigentlich durch die Gravitation gebremst werden. Aber tut sie das auch?
Ich hatte das mit dem Bespiel eines Balls illustriert, den jemand senkrecht nach oben wirft. Er fliegt, obwohl die Kraft des werfenden Arms ja nicht mehr auf ihn einwirkt. Damit folgt er dem Ersten Newton'schen Gesetz (das eigentlich auf Galilei zurückgeht, der es experimentell begründete): Ein Körper bleibt so lange in seinem Zustand der Bewegung (oder auch der Ruhe), wie nicht eine Kraft auf ihn einwirkt.
Mit dem Werfen haben wir den Ball in Bewegung versetzt. Ohne die Einwirkung anderer Kräfte würde er immer weiterfliegen; mit der ihm durch unseren Arm gegebenen Geschwindigkeit. Aber es wirken Kräfte auf ihn ein. Hier spielt die Luftreibung eine Rolle; vor allem aber die Gravitation. Die Schwerkraft der Erde.
Sie wirkt ständig auf den fliegenden Ball ein, verlangsamt ihn also immer mehr. Schließlich bewirkt sie, daß er auf die Erde zurückfällt.
Die Bewegung des Balls, sagt man, setzt sich vektoriell aus zwei Bewegungen zusammen (diese verden "vektoriell addiert"): Der gleichförmigen Bewegung, in die wir ihn mit unserem Wurf versetzt haben, und der gleichmäßig beschleunigten Bewegung zurück zur Erde, bewirkt durch die Schwerkraft. Der Ball beginnt genau dann zurückzufallen, wenn die Geschwindigkeit der zweiten Komponente größer ist als die der ersten.
In den Anfängen der Raumfahrt wurde dieses Phänomen schmerzlich erfahren. Die Raumsonde Pioneer 1 zum Beispiel, die im Oktober 1958 zum Mond fliegen sollte, erreichte nur eine Höhe von 113.800 km und fiel dann zur Erde zurück. Sie hatte die kritische Geschwindigkeit bei Brennschluß verfehlt. Diese muß so groß sein, daß bei der vektoriellen Addition die Geschwindigkeit in Richtung Erdmittelpunkt nie größer wird als die Geschwindigkeit weg davon.
Kehren wir nun zur Expansion des Weltalls zurück. Auch hier haben wir eine Bewegung aller Galaxien weg voneinander (genauer: die Ausdehnung der Raumzeit; siehe den ersten Teil). Und auch hier sollte die Gravitation ihr entgegenwirken und die Expansion verlangsamen.
Das jedenfalls war die Erwartung bis zu den Forschungen der drei Nobelpreisträger und ihrer Mitarbeiter gewesen. Aber man wollte es natürlich wissen und nicht nur vermuten.
Um das Folgende zu verstehen, erinnern Sie sich bitte an zwei methodische Prinzipien, die ich im ersten Teil erläutert habe:
Erstens kann man die Entfernung von Galaxien bestimmen, indem man in ihnen veränderliche Sterne aufsucht; die Cepheiden, die sozusagen einen Meßstandard liefern, weil ihre Leuchtkraft sich aus der Periodizität ihrer Veränderung bestimmen läßt.
Zweitens drückt sich die Expansion des Universums in einer Rotverschiebung im Spektrum des von den Sternen der Galaxien abgestrahlten Lichts aus.
Für eine genaue Messung der Expansionsgeschwindigkeit reicht das aber nicht aus. Hierfür eignet sich aber die Beobachtung der sogenannten Ia-Supernoven. Das sind Sterne, die explodieren und die dabei (aus Gründen, auf die ich jetzt nicht eingehe) stets dieselbe Leuchtkraft entwickeln. Hier sehen sie eine solche Supernova:
Man kennt also wie bei Cepheiden die Leuchtkraft und kann aus ihr und der scheinbaren Helligkeit die jeweilige Entfernung bestimmen. Da Supernoven sehr leuchtstark sind, kann man außerdem gut ihr Spektrum untersuchen. Die idealen Objekte also, um die Frage zu klären, ob sich die Expansion des Universums verlangsamt.
In den neunziger Jahren gingen nun also die beiden Arbeitsgruppen von Perlmutter in Arizona und von Schmidt in Australien getrennt - in Kooperation und Wettstreit miteinander - dieser Frage nach und fanden das Gegenteil dessen, was zu erwarten gewesen war: Die Ausdehnung des Universums verlangsamt sich nicht nur nicht, sondern sie beschleunigt sich sogar! Das Weltall fliegt immer schneller auseinander.
Und nun? Nun erinnerte man sich wieder an etwas, das Einstein einmal erdacht und später seine "größte Eselei" genannt hatte: Eine kosmische Konstante; eine Kraft, die das All auseinandertreibt. Heute spricht man von dunkler Energie, die möglicherweise aber auch keine Konstante ist, sondern lokal verschieden.
Wieder eine Vermutung also, die jetzt der Überprüfung bedarf. Hierzu soll, wie gerade jetzt, am 5. Oktober 2011, beschlossen wurde, das europäische Weltraum-Teleskop EUCLID dienen. Es soll 2019 fertig sein. Die NASA hingegen hat aus Geldmangel ein entsprechendes amerikanisches Projekt erst einmal verschoben.
Am Ende des ersten Teils - den Sie vielleicht (noch einmal) lesen mögen, bevor Sie jetzt weiterlesen - habe ich auf ein Problem aufmerksam gemacht: Die Ausdehnung des Weltalls sollte eigentlich durch die Gravitation gebremst werden. Aber tut sie das auch?
Ich hatte das mit dem Bespiel eines Balls illustriert, den jemand senkrecht nach oben wirft. Er fliegt, obwohl die Kraft des werfenden Arms ja nicht mehr auf ihn einwirkt. Damit folgt er dem Ersten Newton'schen Gesetz (das eigentlich auf Galilei zurückgeht, der es experimentell begründete): Ein Körper bleibt so lange in seinem Zustand der Bewegung (oder auch der Ruhe), wie nicht eine Kraft auf ihn einwirkt.
Mit dem Werfen haben wir den Ball in Bewegung versetzt. Ohne die Einwirkung anderer Kräfte würde er immer weiterfliegen; mit der ihm durch unseren Arm gegebenen Geschwindigkeit. Aber es wirken Kräfte auf ihn ein. Hier spielt die Luftreibung eine Rolle; vor allem aber die Gravitation. Die Schwerkraft der Erde.
Sie wirkt ständig auf den fliegenden Ball ein, verlangsamt ihn also immer mehr. Schließlich bewirkt sie, daß er auf die Erde zurückfällt.
Die Bewegung des Balls, sagt man, setzt sich vektoriell aus zwei Bewegungen zusammen (diese verden "vektoriell addiert"): Der gleichförmigen Bewegung, in die wir ihn mit unserem Wurf versetzt haben, und der gleichmäßig beschleunigten Bewegung zurück zur Erde, bewirkt durch die Schwerkraft. Der Ball beginnt genau dann zurückzufallen, wenn die Geschwindigkeit der zweiten Komponente größer ist als die der ersten.
In den Anfängen der Raumfahrt wurde dieses Phänomen schmerzlich erfahren. Die Raumsonde Pioneer 1 zum Beispiel, die im Oktober 1958 zum Mond fliegen sollte, erreichte nur eine Höhe von 113.800 km und fiel dann zur Erde zurück. Sie hatte die kritische Geschwindigkeit bei Brennschluß verfehlt. Diese muß so groß sein, daß bei der vektoriellen Addition die Geschwindigkeit in Richtung Erdmittelpunkt nie größer wird als die Geschwindigkeit weg davon.
Kehren wir nun zur Expansion des Weltalls zurück. Auch hier haben wir eine Bewegung aller Galaxien weg voneinander (genauer: die Ausdehnung der Raumzeit; siehe den ersten Teil). Und auch hier sollte die Gravitation ihr entgegenwirken und die Expansion verlangsamen.
Das jedenfalls war die Erwartung bis zu den Forschungen der drei Nobelpreisträger und ihrer Mitarbeiter gewesen. Aber man wollte es natürlich wissen und nicht nur vermuten.
Um das Folgende zu verstehen, erinnern Sie sich bitte an zwei methodische Prinzipien, die ich im ersten Teil erläutert habe:
Erstens kann man die Entfernung von Galaxien bestimmen, indem man in ihnen veränderliche Sterne aufsucht; die Cepheiden, die sozusagen einen Meßstandard liefern, weil ihre Leuchtkraft sich aus der Periodizität ihrer Veränderung bestimmen läßt.
Zweitens drückt sich die Expansion des Universums in einer Rotverschiebung im Spektrum des von den Sternen der Galaxien abgestrahlten Lichts aus.
Für eine genaue Messung der Expansionsgeschwindigkeit reicht das aber nicht aus. Hierfür eignet sich aber die Beobachtung der sogenannten Ia-Supernoven. Das sind Sterne, die explodieren und die dabei (aus Gründen, auf die ich jetzt nicht eingehe) stets dieselbe Leuchtkraft entwickeln. Hier sehen sie eine solche Supernova:
Man kennt also wie bei Cepheiden die Leuchtkraft und kann aus ihr und der scheinbaren Helligkeit die jeweilige Entfernung bestimmen. Da Supernoven sehr leuchtstark sind, kann man außerdem gut ihr Spektrum untersuchen. Die idealen Objekte also, um die Frage zu klären, ob sich die Expansion des Universums verlangsamt.
In den neunziger Jahren gingen nun also die beiden Arbeitsgruppen von Perlmutter in Arizona und von Schmidt in Australien getrennt - in Kooperation und Wettstreit miteinander - dieser Frage nach und fanden das Gegenteil dessen, was zu erwarten gewesen war: Die Ausdehnung des Universums verlangsamt sich nicht nur nicht, sondern sie beschleunigt sich sogar! Das Weltall fliegt immer schneller auseinander.
Und nun? Nun erinnerte man sich wieder an etwas, das Einstein einmal erdacht und später seine "größte Eselei" genannt hatte: Eine kosmische Konstante; eine Kraft, die das All auseinandertreibt. Heute spricht man von dunkler Energie, die möglicherweise aber auch keine Konstante ist, sondern lokal verschieden.
Wieder eine Vermutung also, die jetzt der Überprüfung bedarf. Hierzu soll, wie gerade jetzt, am 5. Oktober 2011, beschlossen wurde, das europäische Weltraum-Teleskop EUCLID dienen. Es soll 2019 fertig sein. Die NASA hingegen hat aus Geldmangel ein entsprechendes amerikanisches Projekt erst einmal verschoben.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Galileo Galilei, gemalt im Jahr 1605 von Domenico Robusti. Ausschnitt. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Abbildung: Photo einer Supernova, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. Als Werk der NASA gemeinfrei.